Musik, Musik, Musik. Den ganzen Tag immer nur proben, spielen und Partituren studieren. Das Leben eines Orchestermusikers ist voll und ganz der Klassik verpflichtet. Aber was passiert, wenn die Saiten am Abend verklingen und zu Hause die heimische Anlage aufgedreht wird? Was läuft auf dem mp3-Player eines Berufsmusikers?
Können die privat überhaupt noch so was wie Popmusik hören? Ist doch viel zu simpel! Oder braucht es vielleicht gerade den Ausgleich zu Mahler, Beethoven und Co?
Ich treffe David Wedel. Im Gewandhausorchester ist der 31-jährige der Chef der zweiten Geigen. Bei ihm läuft privat zum Beispiel Linkin Park oder das hier…
Pop als Ausgleich
Und gerade weil es so viel Musik gibt, die mit Herz gemacht ist, gibt sich David Wedel nicht mit der klassischen Geige zufrieden und greift hin und wieder zur E-Geige. Hat er die mal nicht parat, kann er auch seinem Hauptinstrument ungewöhnliche Töne entlocken.
Eine Tonleiter ist natürlich wichtig, weil man da die technischen Aspekte trainieren kann. Dann steht man halt da [spielt Tonleiter] und so geht das ungefähr zehn Minuten lang. Ich habe oft nicht den Nerv, das auszuhalten. Dann spiele ich, was ich gerade im Kopf habe [spielt]. Auch auf einer klassischen Geige kann man nicht-klassische Musik machen.
Ob als Musiker oder als Musik-Konsument: Die Suche nach einem ausgleichenden Gegenpol zur klassischen Musik setzt sich bei Wedel auch nach Feierabend fort.
Ich höre privat so gut wie keine Klassik. Meist probe ich sechs bis sieben Stunden am Tag, oft noch mit einer Quartett-Probe zwischendurch, dann bin ich schon bei zehn bis zwölf Stunden am Tag. Da bin ich mit Klassik so vollgepumpt, dass ich meinen Ausgleich brauche. Ich behaupte einfach mal, das ist etwas Menschliches.
Der Kopf arbeitet, sobald Klassik ertönt
Wenn man als Profimusiker privat Klassik hört, was passiert denn dann im Kopf? Kann man überhaupt noch unbefangen Klassik-Aufnahmen hören, ohne dabei zu denken: „Puh, also im 3. Satz hat das Blech aber ordentlich gepatzt!“ David Cribb spielt Tuba im Gewandhausorchester und meint:
Und auch der Cellist Axel von Huene kann nicht so einfach abschalten, wenn er irgendwo Musik hört.
Sobald Musik läuft, will ich zuhören. Dann wird jedes Gespräch schwierig. Wenn man also in einer Gruppe sitzt, sich eigentlich unterhalten will und da läuft ein bisschen zu laut Musik, kann ich mich nicht mehr auf das Gespräch konzentrieren. Deswegen mach ich die Musik in solchen Situationen ganz leise, wenn ich es selbst in der Hand habe.
Und so hat jeder seinen Weg, mit Musik im außerberuflichen Umfeld umzugehen. Aber ist einem denn nach einem Arbeitstag im Orchestergraben überhaupt noch nach Musik zumute?
Wir legen zu Hause auch CDs auf. In der Regel ist das aber nicht zu anspruchsvoll. Sanfter Jazz zum Beispiel oder irgendetwas, das man nebenbei hört und nicht mit voller Konzentration. Wenn man am Tag zwei große Mahler-Proben hat, dann ist es für das Gehör sinnvoll, in der Zwischenzeit Ruhe zu haben.
Sozialisierung durch Punk
Klar, irgendwann ermüden ja auch die Ohren. Dann kann Musik richtig anstrengend werden. In jungen Jahren dagegen konnte es gar nicht anstrengend genug sein. Jeder erinnert sich an seine jugendliche Rebellion, zu der es immer auch den passenden Soundtrack gab. Cellist Axel von Huene über seine Jugend-Idole:
Wenn ich jetzt nochmal über The Smiths oder The Pogues nachdenke: Ich fand das damals sehr befreiend. Und weil ich jetzt nicht mehr diese Denke habe wie damals als Pubertierender, kann ich damit jetzt nicht mehr so wahnsinnig viel anfangen.
Klassik und Pop ergänzen sich
Die Vorliebe für drei Akkorde ist dann wohl irgendwas Komplexerem gewichen. Und doch sind E- und U-Musik zwei Welten, die sich gar nicht so fremd sind, sagt David Cribb.
Mittlerweile gibt es so viele moderne Stücke, die Elemente von Jazz, Rock und allen möglichen Stilrichtungen zusammenfügen, so dass man sich eigentlich auf jedem Gebiet ein bisschen auskennen muss. Gut, bei einer Mahler-Sinfonie weniger. Das geht es eher in die Volksmusik-Richtung. Da ist es nicht schlecht, wenn man weiß, wie zum Beispiel ein Ländler klingt. Aber bei sehr viel moderner Musik ist Jazz oder Rock dabei.
Und auch David Wedel stimmt ein: Klassik-Referenzen gibt’s in der Pop-Welt zuhauf. Man nehme nur mal Johann Sebastian Bach.
Bach war seinerzeit der größte Jazzer überhaupt. Das wird auch gerne umgesetzt: Man kann Bach-Musik verjazzen oder wunderbar in House-Musik einbauen. Es ist ein und das Gleiche. Das eine brauch eine Steckdose oder eine Platte für den DJ und das andere brauch einfach nur ein akustisches Instrument wie die Geige oder die Gitarre. Trotzdem läuft das für mich alles unter einem Begriff: Musik.