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Saitenwechsel: Zwischen Kunst und Budget

Musik ist irgendwie immer da. Und wie jedes andere Kulturgut kostet Musik Geld. Doch wer bezahlt? Die Bereitschaft, für Musik Geld auszugeben ist gesunken und auch die Mittel aus öffentlicher Hand stagnieren oder werden gekürzt. Also müssen private Investoren her. Leidet die künstlerische Freiheit darunter? Zeit für einen Saitenwechsel.

wird präsentiert vom Gewandhaus zu Leipzig

Saitenwechsel | detektor.fm entdeckt Klassikwird präsentiert vom Gewandhaus zu Leipzig

Jeder hört sie, jeder konsumiert sie, jeder nimmt sie wahr – ob bewusst oder unbewusst – Musik ist irgendwie immer da. Und wie jedes andere Kulturgut kostet Musik Geld. Im Klassik-Betrieb sogar eine ganze Menge mehr als in der Popkultur. Ist ja auch klar: Ein hundertköpfiges Orchester ist nun mal viel teurer als eine vierköpfige Band. Kein Wunder also, dass der Posten „Personal“ in den Budgets der Konzerthäuser der größte ist. Aber über welche Summen sprechen wir hier eigentlich? Nachgefragt bei Gewandhausdirektor Andreas Schulz.

Das Wirtschaftsvolumen des Gewandhauses liegt bei ungefähr 36 Mio. Euro. Etwa 45 Prozent davon sind Subventionen der Stadt Leipzig. Der Anteil an Eigeneinnahmen liegt deutlich über 50 Prozent. Die generieren sich aus dem Ticketverkauf, dem Vermietungsgeschäft, der Pauschale, die die Oper für die Benutzung des Gewandhausorchesters zahlt sowie aus Spenden- und Sponsoreneinnahmen. Das ist eine hohe Eigenwirtschaftlichkeit, die ich richtig und wichtig finde.

Denn nur wer finanziell auf sicheren Beinen steht, kann sich künstlerisch so richtig austoben – eine Freiheit, die sich Institutionen der Popbranche oftmals nicht leisten können. Staatliche Kulturförderung kommt hier viel kürzer. Aber auch der Klassikbetrieb musste in den letzten Jahren feststellen: Die Mittel aus öffentlicher Hand stagnieren oder werden gekürzt. Die Folge: private Investoren werden immer wichtiger.

Ohne Drittmittel, also Spenden und Sponsoren – aktuell sind das ca. 2,2 Mio. Euro – könnte das Gewandhaus viele Dinge gar nicht tun. Andererseits möchte ich aber auch nicht in einer Abhängigkeit leben, wie das in Amerika der Fall ist, wo man sich ja fast nur über Drittmittel finanziert und eigentlich überhaupt keinen öffentlichen Zuschuss hat.

Die Balance sei wichtig, sagt Schulz. Man könne sich nicht auf den Subventionen ausruhen. Mit diesem Mix aus privaten und öffentlichen Geldern finanziert das Gewandhaus seinen Spielbetrieb. Dramaturgin Sonja Eppping ist in der komfortablen Situation, das viele Geld ausgeben zu können, muss aber natürlich mit den Budgets bei der Spielplanung möglichst sinnvoll haushalten. Muss man da aus finanziellen Gründen auch mal künstlerisch zurückstecken?

Zurückstecken sicher nicht, aber man muss nicht nur mit dem Programm, sondern auch mit den Zahlen kreativ umgehen können. Man kriegt ein Gefühl dafür, wenn etwas aus dem Ruder läuft. Wenn man z.B. merkt: Das Stück geht doch nicht wie geplant mit 60 Choristen, es müssen 80 sein. Man weiß dann aber, wo man woanders eingespart hat. Die Grobkalkulation hat zwei bis drei Jahre Vorlauf und meist genug Puffer.

Dank diesem Puffer gibt es dann kleine Notfall-Budgets, mit denen man solche Sachen abdecken kann. Das Gewandhaus plant also von vornherein sehr konservativ, um am Ende nicht drastische Entscheidungen aufgrund der Finanzierung treffen zu müssen. Gibt es dann umgekehrt künstlerische Entscheidungen, bei denen auch mal die Wirtschaftlichkeit zurückstecken muss? Situationen, in denen man sagt: Koste es was es wolle, das machen wir jetzt?

Das gibt es. Und es gibt vor allen Dingen Projekte, die es wert sind. Ich erinnere an das grandiose Mahler-Fest 2010, wo man natürlich wusste: Das wird eine Stange Geld kosten. Und niemand konnte uns sagen: Wird es am Ende aufgehen? Verkaufen wir genug Karten? Steht die Finanzierung wirklich? Und trotzdem hat man gesagt: Das ist ein Projekt, das jetzt her muss.

Ob Klassik oder Pop – Sponsoren sind im Kulturbetrieb längst nicht mehr wegzudenken. Große Getränkehersteller etwa sind auf Open-Air-Festivals omnipräsent. Und auch das Gewandhaus hat Sponsoren mit an Bord. Angefangen beim Unternehmen, das sich mit kleinen Beträgen beteiligt und so laut Andreas Schulz von der Öffentlichkeitswirkung des Gewandhauses profitiert,

Wenn er seine 5.000 Euro investiert und wir ihn auf unsere Anzeigen in Tageszeitungen und im Programmheft mitnehmen, hat er eine Präsenz, die er sich mit diesem Budget alleine gar nicht leisten könnte.

Bis hin zum Großsponsor, der beim Gewandhaus „Global Partner“ heißt. Einer dieser Global Partner ist die Sparkasse Leipzig. Aber warum investiert eine Bank in klassische Musik? Um das rauszufinden, treffe ich mich mit Frank Steinmeyer von der Sparkasse.

Für den Finanzsektor insgesamt ist die Hochkultur deshalb interessant, weil die interessanten Kunden, mit denen man hohe Erträge erzielen kann, mutmaßlich auch sehr kulturaffin sind, Hochkultur schätzen, Angebote dort frequentieren. Insofern wird das auch für Kundenbindungsmaßnahmen genutzt, für Präsentationen von Produkten und ähnlichem.

Tatsächlich ist die Finanz- und Versicherungsbranche der größte Sponsoring-Sektor im Kulturbetrieb. Na klar, deren Produkte sind ja auch immateriell, irgendwie abstrakt und nicht so richtig greifbar. Man muss sich da anders profilieren, um sich von anderen zu unterscheiden. Also verkuppelt man sich mit der positiv assoziierten Kultur, bringt sich darüber ins Gespräch und in die Presse. Für Steinmeyer spielt außerdem der Standort eine wichtige Rolle.

Das Gewandhausorchester ist ja ein Klangkörper von Weltgeltung, trägt also den Namen Leipzig weit über die Region hinaus und macht Leipzig damit bekannt und attraktiv, zieht auch viele Besucher nach Leipzig. Die Standortqualität von Leipzig und den Landkreisen zu verbessern und damit die Entwicklung hier zu fördern ist ein ganz wesentlicher Punkt. Wir als Sparkasse sind ja auf diese Region verwiesen. Unser Geschäftsgebiet können wir nicht wechseln. Insofern haben wir ein großes Interesse, dass sich die Region entwickelt.

Wo private Gelder fließen, werden private Interessen vertreten. Theoretisch kann das zu handfesten Konflikten führen, nämlich dann, wenn Künstler eine andere Vorstellung von ihrer Kunst haben als diejenigen, die sie finanzieren. Lassen sich Kulturinstitutionen von ihren Geldgebern verbiegen? Ich rufe Rita-Gerlach-March an. Sie ist Expertin auf dem Gebiet Marketing und Kultursponsoring.

Offiziell sind die natürlich alle frei. Die Frage ist, ob vielleicht in vorauseilendem Gehorsam andere Dinge ins Programm genommen werden, um einem Sponsor zu gefallen. Das ist ja kein auf Sponsoring beschränktes Phänomen. Das kann auch bei der staatlichen Förderung passieren. In Großbritannien habe ich z.B gesehen, dass aufgrund der Richtlinien entsprechender Förderanträge ethnische Minderheiten verstärkt ins Programm aufgenommen wurden.

Allgemein schätzt Gerlach-March die Gefahr der Einflussnahme durch Sponsoren aber eher gering ein. Viel gefährlicher sei es, wenn Kulturbetriebe zu sehr von privaten Geldern abhängig werden. Denn spätestens wenn in Wirtschaftskrisen plötzlich Sponsoren wegbrechen, wird klar, dass Sponsoring nicht das Allheilmittel der Kulturbranche ist.

Bei aller Heilserwartung wird Sponsoring nicht den Anteil des Staates in der Finanzierung der Kultur ersetzen können. Natürlich sind bestimmte Kunstformen besser vermarktbar. Manche werden auch schon kommerziell komplett angeboten, andere sollten nie rentabel sein. Deswegen muss sich eine Gesellschaft in erster Linie darüber klar werden – und das ist eben auch Aufgabe der Kulturpolitik – welchen Rang und welche Aufgabe Kultur für sie hat und in welchem Maße sie staatlich gefördert werden sollte.

Und es scheint fast so, als würde die Kulturpolitik sich ihrer Aufgabe gerade bewusst: Erst kürzlich hat der Haushaltsausschuss des Bundestages den Kulturetat für 2013 um 100 Millionen Euro erhöht. Und dank Förderprogrammen wie der so genannten Initiative Musik greift der Staat auch der Popkultur endlich mal ein bisschen unter die Arme. Gerade in Anbetracht sinkender Bereitschaft, für Musik Geld auszugeben, sind das Zeichen, die Hoffnung machen. Hoffnung auf eine Kultur, die frei ist von finanziellen Zwängen und die sich voll und ganz ihrer Bestimmung widmen kann.

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