Tobias Jundt kennt sich aus in Sachen Songwriting. Auf den Trichter sind mittlerweile nicht nur findige Labelmenschen gekommen, sondern auch die Kunsthochschule in Zürich, wo er einen Lehrauftrag inne hat und zusammen mit den Studierenden seither der Frage auf den Grund geht, wie ein guter Song entsteht.
Visual Trash Punk
In der Praxis tobt sich Jundt auf dem Gebiet spätestens seit 2006 aus, als er Bonaparte ins Leben ruft – ein zunächst wilder Hybrid aus Anarcho-Band, Künstler- und Performance-Kollektiv. Irgendwo zwischen Hedonismus und Systemkritik toben sich Bonaparte in den folgenden Jahren aus und veröffentlichen fünf Alben, die so schwer einzuordnen sind, dass sich irgendwann mal jemand das Genre „Visual Trash Punk“ ausdenkt, was seitdem immer alle zitieren.
Die Bühnenshows von Bonaparte sind in den 2000ern immer so ein bisschen wie ein aus dem Ruder gelaufener Zirkusbesuch. Tierkostüme, leicht bekleidete Tänzerinnen, Feuerspucker oder einfach jemand, der auf der Bühne Würstchen grillt. Warum auch nicht.
Die Achse Berlin-Abidjan
Seit einiger Zeit lässt es Bonaparte etwas ruhiger angehen. Rastlos ist Tobias Jundt aber nach wie vor. Für die Arbeit an seinem sechsten Album „Was mir passiert“ pendelt er zwei Jahre lang zwischen seiner Wahlheimat Berlin und Abidjan an der Elfenbeinküste.
Dass Bonaparte nach Abidjan ging, ist ein Zufall, der aber auch wieder in „Was mir passiert“ gerechtfertigt ist, weil um das geht es ein bisschen. Dass man wieder vermehrt einfach die Dinge passieren lässt. So wie ich früher mit meinem 60er-Jahre-Fiat plötzlich aus Spanien nach Berlin fuhr und den hinter der Bar25 geparkt habe und dann guckte, was mir passiert und ich wollte nichts anderes als das.
Afrobeat und Farin Urlaub
Weil er in Abidjan viel mit einheimischen Musikern zusammenhockt, hört man in den neuen Songs auch afrikanische Einflüsse, die Jundt spielerisch mit modularen Synthesizern und simplen Homestudio-Sounds in Einklang bringt.
Der Song „Big Data“ ist so ein Schmelztigel, vollgepackt mit unterschiedlichsten Einflüssen und Ideen. Zu Afrobeat, Gitarren, und Synthies gesellen sich Farin Urlaub und Bela B. von „Die Ärzte“. Jundts Tochter Ruby hat einen Gesangspart. Und die Töchter des Pfarrers von Abidjan dürfen auch noch mitmachen.
Das Superhirn, das niemals ein Detail vergisst
Im Songtext von „Big Data“ schwingt Bonaparte die große Datenkeule und wirft mit Schlagwörtern nur so um sich: Algorithmen, Hate Speech, Shitstorm. Das Superhirn, das genau über uns Bescheid weiß, freut sich in dem Song über den verantwortungslosen Umgang mit persönlichen Daten. „Ich weiß was du gemacht hast“, heißt es da. Und: „Du kennst mich besser als ich mich kenn‘.“
In dieser Folge von Tracks & Traces seziert Tobias Jundt alias Bonaparte den Song „Big Data“ bis ins kleinste Detail. Von den ersten Demoaufnahmen, über die Reisen nach Abidjan, einen Abstecher in ein Synthesizer-Museum bis zum fertigen Song.