Spionieren unter Freunden? Das geht gar nicht.
Das ist eine der wenigen klaren Wortmeldungen von Angela Merkel zum NSA-Skandal. Und die kommen nun womöglich als Boomerang zurück. Denn der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) soll ausländische Kommunikation abgefangen haben, die durch deutsche Leitungen laufen.
Das geht aus einem Vertrag zwischen der Telekom und dem BND hervor. Diesen Vertrag sowie einen internen Mailverkehr veröffentlichte der österreichische Nationalratabgeordnete Peter Pilz am Freitag. Die Telekom hat demnach seit 2004 ausländische Daten, die über den Knotenpunkt Frankfurt laufen, an den BND verkauft.
Datenschnäppchen
Betroffen sind laut einer internen E-Mail Verbindungen von und nach Österreich und Luxemburg. Abgefangene Daten können so einiges beinhalten: Mails, Kontodaten oder geheime Informationen von Regierungen, Privatpersonen und Unternehmen.
Ein weiteres brisantes Detail ist der Preis der Daten: der BND soll all diese Information für nur 6.500 Euro im Monat bekommen haben. Und an das lebenslange Lernen hat man auch gedacht: die Telekom hat sich mit dem Vertrag zur Fortbildung von BND-Mitarbeitern bereit erklärt.
Klage gegen BND und Telekom
Der Grünen-Politiker Peter Pilz hat nun eine Pressekonferenz gemeinsam mit dem deutschen Grünen-Abgeordneten Cem Özdemir und dem luxemburgischen Präsidenten der Grünen, Christian Kmiotek, gegeben. Sie machen dem BND und der deutschen Bundesregierung schwere Vorwürfe: Der Vertrag verletze das Fernmeldegesetz.
Kmiotek vermutet hinter der Spionage neben dem BND auch die NSA, für die Luxemburg als Finanzstandort interessant sei. Die luxemburgische und österreichische Regierung hatten nach den Veröffentlichungen Anzeige erstattet, Pilz hat konkret ihm bekannte Mitarbeiter des BND und der Telekom angezeigt.
Aufklärung nun an erster Stelle?
Die Telekom weist die Vorwürfe von sich, die Zusammenarbeit mit dem BND sei verpflichtend und gesetzesgemäß geschehen. Die österreichische Regierung und Pilz fordern derweil eine umfassende Aufklärung und Entschuldigung seitens der deutschen Regierung.
Es stehen nun zahlreiche Fragen im Raum: Welche Daten wurden genau abgefangen? Wurden sie an die NSA weitergeleitet oder Selektoren der NSA verwendet? War das Kanzleramt informiert? Die Empörung der Kanzlerin, nachdem ihr Handy von der NSA abgehört wurde („Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht“) noch im Ohr, erwartet nun nicht nur die österreichische Regierung eine umfassende Aufklärung.
Über die Vorwürfe hat detektor.fm mit dem Chef der luxemburgischen Grünen, Christian Kmiotek gesprochen, der die Pressekonferenz mit Peter Pilz gemeinsam abgehalten hat. Seine Regierung hat als Reaktion auf die Enthüllungen ebenfalls geklagt.
Redaktion: Mona Ruzicka, Marcus Engert