Domino-Effekte schon sichtbar
Wer auf die Folgen des Brexit-Referendums schauen will, muss die Abstimmung am 23. Juni nicht abwarten. Denn schon jetzt hat das Brexit-Referendum greifbare Folgen für Europäer. Einige davon gehören eher in die Kategorie kurios: So hat die Europäische Union etwa eine Verordnung zur Regulierung von Wasserkochern bis zum Referendum auf Eis gelegt. Man will die britischen Tee-Liebhaber nicht verärgern.
Wenn die Briten austreten, müssen sie jeden einzelnen Vertrag neu verhandeln – und das sind ein paar hundert. – Udo Seiwert-Fauti, Journalist
Andere Folgen sind ernster: Aus Angst vor einem Austritt Großbritanniens aus der EU bewerben sich viele Ausländer im Land um die britische Staatsbürgerschaft – und andersherum. Denn mit dem Austritt würde die Arbeitnehmerfreizügigkeit wegfallen. Briten auf dem Festland fürchten, dass sie zurück ins Vereinte Königreich müssen und damit Arbeitsplätze und ihr Lebensumfeld verlieren.
#Nordirland gegen den #Brexit. Warum im Grenzgebiet zu #Irland ein EU-Austritt unpopulär ist: https://t.co/Ae4d5Kof5e
— taz (@tazgezwitscher) 5. Juni 2016
Dazu kommt die Instabilität des Vereinten Königreichs. Während die Engländer eher zu einem Austritt tendieren, sind die anderen Landesteile Wales, Schottland und Irland der Europäischen Union gegenüber positiv eingestellt. Ein Votum für den Brexit könnte alte Konflikte wie etwa den mit Nordirland wieder aufleben lassen und das Vereinte Königreich als solches infrage stellen.
Vorbild für Europa-Skeptiker
Auch innerhalb der Europäischen Union könnte ein Austritt der Briten ungeahnte politische Folgen haben. Nicht ohne Freude hat Nigel Farage, der Vorsitzende der britischen UKIP, diese Woche in einem Interview verkündet, dass einem Brexit weitere Austritte aus der EU folgen würden.
In der italienischen Zeitung Corriere della Sera solidarisiert er sich mit der vom italienischen Komiker Beppe Grillo geführten 5-Sterne-Bewegung: „Grillo und ich werden die alte Europäische Union zerstören.“ Weitere Austritte aus Dänemark, Holland, Schweden und Österreich würden folgen.
Tatsächlich ist die öffentliche Meinung gegenüber der Europäischen Union nicht nur in Ländern mit starken euroskeptischen Parteien gekippt. Aktuelle Umfragen zeigen eine tief sitzende Unzufriedenheit mit der Politik der Union. Ein Brexit könnte diese Entwicklungen weiter vorantreiben.
Kommt der Brexit?
Noch eine Woche dann entscheiden die Briten in einem Referendum darüber, ob sie die Europäische Union verlassen oder ob sie bleiben. Würde ein Brexit einen Domino-Effekt auslösen und damit den Anfang vom Ende der Europäischen Union bedeuten?
In unserer Serie „Brexit-Countdown“ hat detektor.fm-Moderator Christian Eichler mit dem Journalisten Udo Seiwert-Fauti über die Angst vor einem Domino-Effekt gesprochen.