Wer ist hier unsolidarisch?
Bei kaum einem anderen Thema ist Europa so zerstritten wie bei der Umverteilung von Flüchtlingen. In der Öffentlichkeit sind es vor allem die ost- und mitteleuropäischen Staaten, die Visegrád-Länder, denen man vorwirft, unsolidarisch bei der Aufnahme von Flüchtlingen zu sein.
Doch andere EU-Mitgliedsländer wie Irland, Großbritannien und Dänemark haben sich schon im Voraus sogenannte Opt-Out-Möglichkeiten zugesichert. Damit sind sie nicht an das Dublin-System gebunden, das die Aufnahme von Asylbewerbern regelt. Sie dürfen also Flüchtlinge aufnehmen, müssen das aber nicht.
Diese Opt-Out-Regeln kommen aus einer Zeit, als die EU ihre Kompetenzen auf die Bereiche Inneres und Justiz ausgeweitet hat. Da gab es viele Länder, die über die Bereiche Innere Sicherheit und Migration weiter national entscheiden wollten. – Peter Müller, SPIEGEL-Korrespondent in Brüssel
Osteuropäische Länder vor Gericht
Als sich die Visegrád-Staaten geweigert haben, bei der Flüchtlingsumverteilung mitzumachen, wurden sie vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verklagt. Hätten sie auch eine Rückzugsklausel beim Dublin-System gehabt, wäre ihre Verweigerung zur Flüchtlingsaufnahme ganz legal gewesen.
Ungarn, eines der verklagten EU-Länder, hat direkt angekündigt, sich nicht an die Entscheidung des EuGH zu halten. Auch der EU-Ratspräsident stellt sich an die Seite der östlichen EU-Mitgliedsstaaten und kritisiert die Flüchtlingsumverteilung stark, unter anderem nannte Tusk sie „ineffektiv“ und „spalterisch“.
Tusks Satz hat für Ärger und Streit gesorgt. Aber vielleicht braucht man das auch mal, um in der Flüchtlingsfrage auf europäischer Ebene weiterzukommen. – Peter Müller
Streit um die Flüchtlingsumverteilung
Ob die anderen EU-Staaten weiterhin mit erhobenem Zeigefinger auf die Visegrád-Länder zeigen können, wenn sie Opt-Out-Klauseln nutzen, darüber spricht detektor.fm-Moderatorin Doris Hellpoldt mit Peter Müller. Er ist für den SPIEGEL EU-Korrespondent in Brüssel.
Redaktion: Rewert Hoffer