Hitze, Dürre, Überschwemmungen. Auch dieser Sommer hat uns die Klimakrise wieder deutlich vor Augen geführt. Oder hat er? So richtig präsent ist das Thema ja aktuell nicht in der öffentlichen Wahrnehmung. Bei all den vielen Krisen in der Welt ist die Klimakrise offensichtlich gerade kein Top-Thema in Politik und Medien. Wie nehmen junge Menschen das wahr? Vor allem die Aktivistinnen, die seit Jahren für mehr Sichtbarkeit des Themas kämpfen. Darüber sprechen wir heute mit Carla Rebnsmaar von Fridays for Future. Ich bin Jessi Hughes. Schön, dass ihr dabei seid. Zahlen belegen, dass die Zustimmung zum Klimaschutz immer mehr sinkt. In Deutschland sind nur noch rund 40 Prozent der Menschen der Ansicht, dass das Land mehr gegen den Klimawandel tun sollte. Das liegt auch an der angespannten wirtschaftlichen Lage. Diese führt dazu, dass viele deutsche Unternehmen weniger Ausgaben für den Klimaschutz einplanen. Im Juli hat die EU-Kommission offiziell ihr nächstes Zwischenziel fürs Klima präsentiert. Bis 2040 sollen im Vergleich zu 1990 rund 90 Prozent weniger klimaschädliche Gase ausgestoßen werden. Es soll weniger Kohle, Öl und Gas verbraucht werden, dafür mehr Energie aus Sonne, Wind und Wasser produziert werden. Und der Emissionshandel soll erweitert werden. Carla Rebnsmaar ist Klimaaktivistin und eine der Sprecherinnen von Fridays for Future. In Münster hat sie während ihres Studiums die Ortsgruppe von Fridays for Future aufgebaut und seitdem organisiert sie Klimastreiks, Demonstrationen und Kampagnen, vor allem in Berlin. Mit detektor.fm-Moderator Christian Bollert spricht Carla Rebnsmaar darüber, ob sich Fridays for Future mehr an die Wirtschaft direkt wenden sollte und wie sie die aktuelle Klimapolitik einschätzt. Carla, du bist schon ziemlich lange bei Fridays for Future mit dabei und ich würde mal so sagen, euer Hauptadressat sind immer die politisch Handelnden gewesen. Habt ihr die Bedeutung der Wirtschaft am Anfang unterschätzt? Ich glaube nicht, dass wir die Bedeutung der Wirtschaft unterschätzt haben. Es war ja ganz klar, unsere ersten Proteste betreffen natürlich ganz zentral wirtschaftspolitische Entscheidungen. Die ersten großen Proteste, die wir gemacht haben, waren zu der Sitzung der Kohlekommission in Berlin, was damals die Kommission war, die ein Enddatum für die Kohleverstromung in Deutschland beschließen sollte. Und in dieser Kommission saßen natürlich auch Mitglieder aus Unternehmen, da waren Leute aus Gewerkschaften, Umweltvertreter, Politik, die gemeinsam über dieses zentrale energiepolitische, aber auch wirtschaftspolitische Feld gesprochen haben. Und da war das natürlich von Anfang an klar, dass immer die Wirtschaft eine Rolle spielt. Gleichzeitig, und deswegen richtet sich unser Protest eben auch bis heute weiterhin meistens an Politikerinnen und Politiker. Ist halt klar, wer hat denn Verantwortung für Bürgerinnen und Bürger? Wer hat Verantwortung für den Schutz unserer Lebensgrundlagen? Wer hat das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet? Wer wird auch irgendwie gewählt von Bürgerinnen und Bürgern? Das sind eben die PolitikerInnen, und die haben eine andere Verantwortung als Unternehmen. Sie haben, man kann natürlich auch immer sagen, ja, Unternehmen sollten sich auch nicht so verhalten. Aber solange es ein politisches System gibt, in dem es sich eben lohnt, Kohle, Öl und Gas zu fördern, die Klimakrise anzutreiben, in dem man damit Profit machen kann, ist es ja erstmal eine wirtschaftliche Entscheidung, die man treffen kann. Die finde ich dann nicht gut. Aber deswegen muss sich halt an dem politischen System etwas verändern, was es möglich macht, dass es überhaupt rentabel ist, mit der Zerstörung des Klimas irgendwie Profite zu machen. Das heißt, ihr versucht, da aus eurer Logik heraus an die Wurzel zu gehen und da anzusetzen, wo man sozusagen diese Rahmenbedingungen setzt. Was ich trotzdem ganz spannend finde, ist, dass ihr zum Beispiel jetzt zur letzten Bundestagswahl so einen Faktencheck auf eurer Seite hattet. Und da waren dann am Ende doch ziemlich viele wirtschaftliche Aspekte auch drin. Ja, definitiv. Es geht auch ineinander über. Wenn man sich jetzt zum Beispiel das neue Kabinett anschaut, dann war ja der Bereich Klimaschutz in der vergangenen Legislatur noch im Wirtschaftsministerium angesiedelt, weil da eben erkannt wurde, ah ja, natürlich, Klimaschutz ist ganz zentral mit der Frage nach, wie wirtschaften wir, verbunden. Und da wurde gesagt, okay, wenn wir klimaneutral werden wollen in der Industrie, dann bedeutet das, wir müssen vielleicht grüne Technologien fördern und wettbewerbsfähiger machen. Wir müssen aber auch Subventionen, also Steuererleichterungen für fossile Technologien, abschaffen. Wenn man sich jetzt irgendwie anguckt, dass Diesel bis heute steuerlich bevorteilt wird im Vergleich zu anderen Brennstoffen, dann ist das halt ziemlich Quatsch. Und das hat man in der letzten Legislaturperiode anerkannt. In dieser Legislatur wiederum ist der Fachbereich Klimaschutz zurück ins Umweltministerium gegangen. Also da sehen wir, es gibt auch ein politisches Anerkennen davon, dass Wirtschaftsfragen und Klimafragen eng miteinander zusammenhängen. Gerade wenn wir uns jetzt natürlich angucken, um welche Bereiche geht es denn, wo muss massiv was geändert werden, dann ist es in Deutschland eben ganz klar an vielen Stellen immer noch auch die Energiepolitik, wo jetzt auch mit einer Wirtschaftsministerin, die früher Gaslobbyistin war, massive Rückschritte drohen. Stichwort Energiepolitik: Ihr seid ja als Bewegung insgesamt ziemlich breit aufgestellt und auch sehr vielfältig. Erkennst du denn unter euren Leuten so zentrale wirtschaftliche Punkte, auf die sich dann doch die Mehrheit wirklich einigen kann? Ist es dann zum Beispiel Energiepolitik? Das gibt ganz viele zentrale Punkte, die uns alle vereinen. Ja, dass wir sagen, wir wollen, dass die Politik unsere Lebensgrundlagen schützt. Wir alle wollen in einer Welt leben, in der es nicht immer mehr Hitzewellen und Katastrophen gibt. Für uns geht es ganz konkret als junge Leute natürlich auch um unsere Zukunft. Aber wir haben ja auch viel Unterstützung von Leuten, die nicht mehr SchülerInnen, StudentInnen oder Auszubildende sind, sondern auch schon Eltern, von Eltern, von Großeltern, die sagen, wir wollen auch, dass unsere Kinder in einer Welt leben können, in der man sich nicht jeden Tag fragen muss: Okay, kann ich heute rausgehen oder wird es so heiß werden, dass man es draußen kaum aushalten kann? Oder muss man sich Gedanken machen über die Frage, wann kommt eigentlich der nächste Waldbrand, die nächste Überschwemmung? Und das ist etwas, was ja alle vereint. Und das lässt sich dann natürlich aber auch runterbrechen auf politische Forderungen, weil ganz klar ist: Die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze, konsequenter Klimaschutz, das funktioniert nur, wenn wir rausgehen aus den Fossilen. Das funktioniert nur mit einem klaren Plan für den Ausstieg aus dreckigem Erdgas. Das funktioniert nur, wenn wir sagen, wir machen einen Stopp vor allen neuen klimaschädlichen Infrastrukturen, sei das neue Autobahnen, seien das neue Gasbohrungen, neue Gaskraftwerke. Und da gibt es ja ganz, ganz große Einigkeit. Was aber auch interessant ist: Du hast es ja angesprochen, es gibt diverse Gruppen, die euch irgendwie auch unterstützen: Omas for Future, Scientists for Future und so weiter. Aber von Economists for Future habe ich zumindest jetzt noch nicht so wahnsinnig viel mitbekommen. Die gibt es aber tatsächlich. Aber die sind offenbar nicht so in der Öffentlichkeit wahrgenommen oder? Also teilst du diesen Eindruck oder habe ich das einfach irgendwie übersehen? Ich glaube, weil es natürlich jetzt, ob man jetzt unter diesem For Future-Label auftritt oder nicht, das ist ja dann irgendwie auch eine Entscheidung. Ich kann auch verstehen, wenn man sagt: Hey, wir sind hier Ökonomen, wir sind Volkswirte, man möchte jetzt vielleicht nicht irgendwie so ein Label verwenden, wo andere Leute sagen, das ist jetzt aber politisch motiviert. Aber wir haben ja ganz viel Zuspruch von Ökonomen. Also wenn man sich anschaut, sei es von Leuten aus der Versicherungsbranche, die sagen: Hey, hier muss was passieren, weil ansonsten kollabiert die gesamte Versicherungswirtschaft. Sei es Leute, die einfach durchrechnen: Klimaschutz lohnt sich wirtschaftlich. Sei es von Leuten, die sagen: Hey, wir zeigen hier Konzepte, wie man Klimaschutz konkret umsetzen kann in diesem und jenem Industriebereich, in diesem und jenem Politikfeld. So sieht es in den Erneuerbaren aus. Diese und jene Subventionen brauchst du, diese und jene Förderung brauchst du. Wie sieht denn eine Haushaltspolitik aus, die grün ist? Das alles gibt es ja. Also ich glaube, das darf man nicht unterschätzen, nur weil es da nicht diese eine Gruppe gibt, die vielleicht mit diesem Label auftritt, dass es da trotzdem breiten Zuspruch auch aus einer volkswirtschaftlichen, wissenschaftlichen Perspektive gibt. Nicht überall, aber schon von vielen, vielen, die eben sagen: Hey, man kann das halt auch durchrechnen. Und das ist nicht nur: Wir fahren jetzt nicht nur irgendwie unseren Planeten vor die Wand, und das ist blöd, weil es da konkret um Menschen geht. Ich glaube, das ist immer der wichtige Grund. Das sollte man an der Stelle auch nicht unterschätzen. Aber es ist auch noch eine wirtschaftlich einfach auch extrem unkluge Idee. Interessant fand ich aber trotzdem, dass beispielsweise nach der Europawahl, jetzt auch nach der Bundestagswahl immer so ein Widerspruch aufgemacht wurde und gesagt wurde: Naja, die Wirtschaft war den Wählenden irgendwie wichtiger als beispielsweise Klimaschutz oder so. Aber da sagt ihr: Nee, das ist gar kein Widerspruch. Das ist kein Widerspruch, und das ist vor allem, wir erleben natürlich eine große, große gesellschaftliche Verunsicherung, dass wir einen Wahlkampf erlebt haben, in dem die Politikerinnen und Politiker, gerade aus konservativen bis aber halt auch rechten Kreisen, massive Verunsicherung gestreut haben über die Frage nach Klimaschutz, dass sie eben gesagt haben: Ja, das können wir uns jetzt nicht leisten. Wir haben jetzt andere Probleme. Das muss jetzt mal warten, und das kann jetzt auch warten. Und ach, die Windräder sind doch irgendwie auch hässlich. So etwas schürt Verunsicherung, weil die Aufgabe der Politik wäre es natürlich, bei so einer großen Menschheitsaufgabe, wo allen klar ist, wir werden uns Klimaschutz widmen müssen, dafür gesellschaftliche Mehrheiten zu schaffen, zu zeigen: Hey, da und da sind die Herausforderungen, aber so können wir das machen. Das ist unser Plan. Und das vermisse ich total, wenn wir uns gerade eine aktuelle politische Debatte angucken, dass einfach die eine Hälfte des Spektrums sich entschieden hat, diese Aufgabe komplett zu ignorieren, obwohl sie dafür auch eine Lösung präsentieren müssen. Da kann man sich darüber streiten, wie genau die aussehen sollen, aber dass sie einfach gesagt haben: Wir ignorieren dieses riesige Problem. Wir wissen anscheinend nicht, wo oben und unten ist. Und wir machen es am Ende auch mit den Entscheidungen, was man gerade aus der Bundesregierung hört: Mehr Gaskraftwerke, mehr Gasbohrungen, aber auch so etwas wie: Wir nehmen jetzt Klimaschutzgelder und finanzieren damit die Gasumlage. Das sind ja wirklich alles höchst fragwürdige Maßnahmen, zu denen man da greifen will. Damit machen wir das ganze Problem doch schlimmer. Das ist ja die Entscheidung, die die Bundesregierung tatsächlich gerade sich ausgedacht hat und wo man sieht, anstatt Menschen zu schützen, aus der Krise raus zu bewegen, geht man sich mit Vollgas rein in immer mehr Klimakrise. Kritik an der Bundesregierung von Carla Rebnsmaar, Sprecherin von Fridays for Future. Das war ein Ausschnitt aus dem Brand1-Podcast, der Podcast in Kooperation mit dem Wirtschaftsmagazin Brand1. Und gerade haben wir im Podcast einen Themenschwerpunkt. Wir wollen wissen, wie junge Menschen über Wirtschaft reden. Den Podcast, den könnt ihr natürlich abonnieren, überall dort, wo es Podcasts gibt. Und ich verlinke ihn euch, genauso die Folge mit Carla Rebnsmaar in den Shownotes. Das war’s für heute. Diese Folge hat Benjamin Serdani produziert. Und ich bin Jessi Hughes. Sage Ciao bis zum nächsten Mal. detektor.fm – Zurück zum Thema.