Ein Podcast als Unternehmen
Mit „Die Lage der Nation“ hat er sich einen Lebenstraum erfüllt: „Ich wollte immer vom Podcasten leben“, sagt Philip Banse. Das Konzept: Der freie Journalist bespricht und analysiert darin mit dem Juristen Ulf Buermeyer die politischen Themen der Woche. Was als Nebenprojekt des Radiojournalisten vom Deutschlandfunk begann, ist eine Institution in der deutschen Podcastszene geworden. Kürzlich hat „Die Lage der Nation“ ihr fünfjähriges Jubiläum gefeiert, genau wie nun der „brand eins“-Podcast.
Anlässlich des Geburtstages widmen wir unserem Lieblingsmedium „Podcast“ und dessen Entwicklung fünf Sonderepisoden. Banse, Podcaster der frühen Stunde, hat 2016 mit dem Start von „Die Lage der Nation“ das Ziel, den Podcast profitabel zu machen. Er arbeitet zwar weiter frei für den Deutschlandfunk und den Heise-Verlag, Hauptbeschäftigung ist aber das eigene Projekt geworden. Das hat sich so gut entwickelt, dass er und Ulf Buermeyer, die „Lage“ in ein Unternehmen überführt haben.
Ihre GmbH & Co. KG beschäftigt mittlerweile sechs Leute, auf Honorarbasis und in Anstellungen. Das ist möglich durch vier Standbeine der Unternehmung „Podcast“: Abos, Spenden, Werbung und Live-Events. Dass sich Letztere zu einem ökonomischen Faktor entwickelt haben, habe ihn sehr überrascht, sagt Banse. Da Veranstaltungen während der Pandemie allerdings weggefallen sind, ist Werbung wichtiger geworden. Sie sei immer ein Kompromiss, sagt Banse, garantiere ihrem Podcast aber Unabhängigkeit – und den Hörerinnen und Hörern ein kostenfreies Produkt.
Öffentlich-Rechtliche vs. Spotify
Wie auch Philipp Westermeyer von den Online Marketing Rockstars macht Banse Spotify als Marktführer in der deutschen Podcastszene aus. Ernsthafte Konkurrenz sieht er nicht. Die meisten Inhalte-Anbieter, aber eben auch die Leute, die Podcasts hören, seien auf der Streamingplattform. Eine Alternative könnten nur die öffentlich-rechtlichen Sender als größten Inhalteanbieter mit einer gemeinsamen App bieten.
detektor.fm-Moderator Christian Bollert spricht mit Philip Banse über das Unternehmen hinter dem Podcast „Die Lage der Nation“, wie sie unabhängigen Journalismus garantieren und es geht um die wachsende Macht der Plattformen.
Transkript
Wir haben für die Folgen unserer fünfteiligen Miniserie jeweils ein vollständiges Transkript mit Zeitmarken erstellt. Hinweis: Das Transkript wurde automatisch erzeugt. Wir haben es nicht nachträglich gegengelesen oder korrigiert.
Christian Bollert: Der April 2021 ist für uns ein ganz besonderer Monat. Denn wir sind extrem dankbar, dass ihr seit fünf Jahren immer mehr werdet und dieser gemeinsame Podcast von brand eins und dem Podcast-Radio detektor.fm immer beliebter wird. In dieser Ausgabe sprechen wir mit jemandem, der auch gerade seinen fünften Podcast-Geburtstag gefeiert hat. #00:00:21.0#
Der brand eins-Podcast – Wirtschaft anders denken. Jede Woche bei detektor.fm
Christian Bollert: Herzlich willkommen und hallo von mir Christian Bollert! Und bevor wir gleich zu unserem spannenden Gast kommen, noch ein Hinweis: Wir feiern ja fünf Jahre brand eins-Podcast und deshalb gibt es das Digital-Abo der brand eins Kolleginnen und Kollegen für nur 5 Euro. Und es geht bei diesem Jubiläumsangebot ums Timing, sowie ja auch der Schwerpunkt der aktuellen brand eins heißt. Denn das Angebot, das ist wirklich nur diesen Monat gültig, also im April 2021, und exklusiv für euch Podcast-Hörerinnen und Podcast-Hörer da. Alle Infos findet ihr unter b1.de/5. Und ich hab‘s grad schon angekündigt, in dieser Episode hier ist jemand zu Gast, der selbst seit fünf Jahren mit einem extrem erfolgreichen Podcast am Start ist. Der Journalist Philip Banse bespricht und analysiert dort zusammen mit dem Juristen Ulf Buermeyer in der „Lage der Nation“ die politischen Themen der Woche. Und es ist nicht vermessen zu sagen, dass „die Lage“ zu einer absoluten Institution in der deutschen Podcast-Landschaft geworden ist. Philip Banse arbeitet als freier Journalist auch für den Deutschlandfunk oder Verlage wie zum Beispiel dem Heise Verlag. Und ich freue mich sehr, dass wir heute miteinander sprechen können. Hallo Philip! #00:01:42.1#
Philip Banse: Hallo Christian! Grüß dich! #00:01:43.6#
Christian Bollert: Euer Podcast „Lage der Nation“ ist fast genauso alt wie der brand eins-Podcast, denn ihr seid im März 2016 an den Start gegangen, wir dann im April 2016. Wenn ich mich nicht verrechnet habe, haben wir also gerade beide fünfjähriges Jubiläum hinter uns. Natürlich startet niemand einen Podcast und denkt, das wird nichts, aber hat es in den vergangenen fünf Jahren Momente gegeben, wo dich euer Erfolg überrascht hat? #00:02:04.8#
Philip Banse: Ja, na klar. Damit hatten wir nicht gerechnet. Ich bin da schon reingegangen in dieses Unternehmen mit Ulf mit dem Plan zu sagen, das soll hier funktionieren und wir sollen vor allen Dingen auch Geld verdienen damit. Das war so mein Plan. Ich mach das ja seit 2005, viel auch Hobby und so, und das war auch alles gut. Aber in das Projekt bin ich nun explizit auch als Journalist reingegangen und hatte den Anspruch, da ein journalistisches Format zu machen und wollte damit eben auch das zumindest refinanzieren. Und als sich das so angedeutet hat, dass das klappen könnte, waren wir natürlich froh. Das ist keine Frage. #00:02:46.0#
Christian Bollert: Aber so Auftritte im Neo Magazin Royale oder so sind jetzt auch für Podcasterinnen und Podcaster nicht alltäglich? #00:02:52.1#
Philip Banse: Sind nicht alltäglich und sind für uns ja auch nicht alltäglich. Das war jetzt einmal, und es war natürlich superlustig und schön und hat Spaß gemacht und war auch Anerkennung und hat sicherlich auch noch mal ein paar Hörer, Hörerinnen gebracht. Aber ich sag mal, deswegen machen wir das nicht, so toll ich das Format finde, aber deswegen machen wir nicht „Die Lage“, um da im Fernsehen auftreten zu können. #00:03:13.1#
Christian Bollert: Was du auch gerade schon so ein bisschen angedeutet hast, ist, dass du ja schon seit 15 Jahren in der Podcast-Szene aktiv bist. 2005 hast du mit Kollegen den Podcast „Küchenradio“ gestartet. Das war damals ohne Frage so die erste Welle von Podcasts. Das Medium war noch ganz frisch, der Begriff Podcasting war überhaupt erst erfunden worden. Wenn du da jetzt aus heutiger Perspektive so aus dem Jahr 2021 draufschaust, welche Hoffnungen haben sich erfüllt? #00:03:35.6#
Philip Banse: Hoffnungen sind ja immer eine ziemlich subjektive Sache. Meine Hoffnung war immer, dass ich gesehen habe und gemerkt habe bei diesem Experiment „Küchenradio“, was für ein Potenzial Podcasts haben, wie sich das auch vom Radio unterscheidet, wie viel Freiheiten da sind, wie viele neue Qualitäten dazukommen können. Und ich habe aber auch gesehen, wie viel Arbeit man da reinstecken kann, nicht muss, aber reinstecken kann, und wollte halt immer davon leben. Das war irgendwie so immer der Plan. Ich dachte, das muss doch irgendwie funktionieren. Und insofern hat sich diese Hoffnung jetzt erfüllt. Und das sage ich auch immer wieder, das ist für mich wirklich so einer meiner kleinen Lebensträume, die ich so hatte, von dieser Podcasterei leben zu können. Und dieser Traum hat sich erfüllt. Noch dazu, dass es eben journalistisch total sauber ist, dass es einen Riesenspaß macht, dass ich einen tollen Partner gefunden habe. Also diese Hoffnung hat sich erfüllt. Auch die Hoffnung sicherlich, wenn man das so ein bisschen weitet das Bild, dass Podcasts zu einem wirklich anerkannten etablierten Medium geworden sind, das ist auch schön einfach, dass das jetzt nicht einfach nur so ein Spleen war, wo ich dachte, das muss doch irgendwie gehen, sondern dass sich dieser Reiz wirklich auch in der Breite entfaltet hat. Das sind eigentlich die beiden schönen Sachen. #00:04:55.5#
Christian Bollert: Dann bleiben wir mal bei diesem Thema, davon leben können. Das hast du jetzt auch schon zweimal gesagt, dass das damals ein Wunsch war, als du „Die Lage“ gestartet hast. Viele andere, ich sag mal, erfolgreiche Formate, die gehen auf Nummer sicher, wenn die so einen neuen Podcast starten und setzen von Anfang an auf Persönlichkeiten oder Promis. Bei euch ist es schon eher andersrum, ohne euch zu nahe treten zu wollen, aber ihr seid eigentlich erst durch den Podcast zu bekannten Gesichtern geworden, oder? #00:05:16.8#
Philip Banse: Definiere bekannt! Also sicherlich sind wir jetzt vielleicht bekannter, als wir das damals waren. Aber auch heute gibt es, also muss ich dir nicht erzählen, wir sind keine Promis, glaube ich, sondern ja, wer Podcasts hört, der stolpert vielleicht auch mal über „Die Lage“. Aber auch damals, als wir angefangen haben, habe ich, wie gesagt, schon ein paar Jährchen Podcasts gemacht mit dem einen oder anderen Projekt. Das heißt, so in dieser Podcast-Szene kannte mich auch schon der eine oder andere. Ulf wiederum war so in seiner Szene auch kein völlig Unbekannter, in dieser Juristerei-Bürgerrechts-Szene und so. Und ich glaube, das hat schon ein bisschen geholfen, dass da jeder so in seinen Kreis reinposten konnte, hey, wir beide machen jetzt übrigens zusammen einen Podcast. Sicherlich ist die Bekanntheit gewachsen, das ist keine Frage, aber das sollen andere beurteilen. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich jetzt irgendwie irre bekannt wäre oder dass wir jetzt irgendwie, ja, bekannter als damals sicherlich, aber alles gut. #00:06:17.3#
Christian Bollert: Was ich nur daran so spannend finde, ist, wenn man heute so draufguckt und sich anschaut, was sind so die erfolgreichen Formate, wo irgendwie ein, zwei Leute miteinander reden, dann ist es mittlerweile eigentlich so, dass da viele Plattformen vor allen Dingen so wirklich auf ganz Nummer sicher gehen und sagen, 500.000 Insta-Follower mindestens und darunter machen wir es eigentlich nicht mehr. #00:06:35.4#
Philip Banse: Ja, das ist natürlich auch nachvollziehbar. Wir sind ja damals vor fünf Jahren auch in ein anderes Ökosystem reingestartet. Heute, ich habe die aktuelle Zahl jetzt nicht, aber da kommen ja jeden Tag hunderte, wenn nicht tausende Podcasts dazu, wir haben zehntausende Podcasts in Deutschland. Und da ist es natürlich nicht ganz einfach aufzufallen. Und viele Leute hören schon viel, und wenn du jetzt noch einen neuen Podcast hörst, dann heißt das, du musst vielleicht andere aufgeben oder so. Und da Aufmerksamkeit zu erzielen und die Leute dazu zu bringen, zu sagen, ja, das Ding, das neue da, das höre ich mir jetzt mal an, das ist natürlich viel leichter, wenn da ein bekannter Name draufsteht, als wenn da Ulf und Philip draufsteht heute. #00:07:12.6#
Christian Bollert: Aber da, wo Ulf und Philip draufsteht, das ist immer noch einer der erfolgreichsten deutschen Podcasts, das kann man, glaube ich, definitiv so sagen, wenn nicht vielleicht sogar der erfolgreichste Politik-Podcast auf jeden Fall. Die Aufmerksamkeit für Podcasts hat sich in den letzten fünf Jahren aber auch noch mal insgesamt stark verändert oder drastisch erhöht. #00:07:28.1#
Philip Banse: Auf jeden Fall! Ich glaube, zumindest die Menge an Angeboten hat zugenommen. Ich habe jetzt die kumulierten Zahlen, wie viele Leute hören jetzt, also sicherlich da gibt’s diese Erhebung der ARD und ZDF und so, sicherlich wächst das, aber vor allen Dingen, glaube ich, haben sich die Angebote vervielfacht. Es macht ja jetzt wirklich jeder Verlag und jede halbwegs große Institution einen Podcast und die Plattformen machen alle ihre eigenen Formate und, und, und. Also da ist sicherlich, was die Inhalte betrifft, ein enormes Wachstum zu verzeichnen. #00:08:04.9#
Christian Bollert: Ganz spannender Seitenaspekt oder vielleicht gar nicht so Seitenaspekt: Vor der Corona-Pandemie hat euer Podcast auch live sehr, sehr gut funktioniert. Also die Hörerinnen und Hörer der „Lage“ sind offenbar ziemlich gern bei der Aufnahme dabei. Dabei ist ja jetzt auch so eine Podcast-Aufnahme, zumindest aus meiner Sicht, jetzt keine Las Vegas Show, aber wie kannst du dir das erklären, dass die Leute das trotzdem so gut finden? #00:08:24.6#
Philip Banse: Live muss man ja so ein bisschen unterscheiden. Also das eine ist ja, wir sitzen im Studio und streamen live und uns gucken ein paar Leute zu. Das haben wir a) selten gemacht und b) haben da eine Handvoll, also unwesentlich Leute zugeguckt. Wir haben das jetzt zum Fünfjährigen mal gemacht, da haben da irgendwie 20.000, 30.000 Leute zugeguckt, das fand ich dann schon überraschend viel. Aber was eigentlich die Überraschung war für mich, dass halt Leute live zu Veranstaltungen kommen. Wir haben ja dann irgendwann gesagt, naja, da kann man die Leute ja auch mal treffen und ein bisschen quatschen. Dann können wir so eine „Lage“ ja auch mal auf einer Bühne produzieren und dann kommen ein paar Leute. Und dass das sich quasi zu einem Standbein, auch ökonomischen Standbein entwickelt hat, das war sehr überraschend. Also dass da 1000 Leute irgendwie ins Haus der Kulturen der Welt kommen, um sich zugegebenermaßen so eine recht unspektakuläre Unterhaltung zwischen zwei Männern anzuhören, das ist sicherlich eine Überraschung. Aber mein Gott, also das sind halt auch extrem überdurchschnittlich interessierte Leute, auch die normale „Lage“, anderthalb Stunden, ist ja schon auch ein bisschen Graubrot. Wir versuchen das auch ein bisschen unterhaltsam zu machen und so. Aber das sind ja schon auch wirklich komplexe und manchmal auch echt trockene Themen und so. Und die Leute, die sich das anderthalb Stunden anhören, die sind einfach überdurchschnittlich interessiert. Und da wundert‘s dann, finde ich, auch nicht, dass die sich das mal angucken wollen und dass die die Leute mal live sehen wollen. Und wir sind dann ja auch immer hinterher da und quatschen mit den Leuten. Das ist für uns ja auch ein Riesenmehrwert, trinken ein Bier zusammen mit denen, die noch dableiben. Also das verwundert mich schon, dass es so ist, aber irgendwie kann ich es mir auch ein bisschen erklären. #00:10:08.1#
Christian Bollert: Jetzt hast du auch die Länge schon angesprochen und du hast das Graubrot genannt. Ihr habt ja jetzt auch kürzere Formate, also der Trend allgemein im Markt, wenn man jetzt mal so draufschaut, ist ja schon, dass es auch viele kürzere Sachen gibt. Euch gibt’s jetzt auch kompakt. #00:10:20.9#
Philip Banse: Richtig! Uns gibt’s kompakt. Das ist einfach der Versuch darauf zu reagieren, dass manche Leute sagen, ja, ich finde ich super, aber anderthalb Stunden pro Woche, das ist mir zu lang. Und nun wissen wir alle, bei Podcasts, die wie die normale „Lage“ fast nicht bearbeitet werden, also ich schneide da hier und da mal eine Pause raus oder wo wir uns verquatscht haben oder versprochen haben oder irgendwas schiefgegangen ist oder so, aber inhaltlich wird da eigentlich nichts bearbeitet. Wir wissen alle, dass bei diesen Formaten auch ein bisschen Luft drin ist, ein bisschen noch mal eine extra Runde gedreht wird und ein Argument noch mal gemacht wird, obwohl man das gerade schon mal gemacht hat. Da haben wir gedacht, dann können wir doch mal versuchen, das ein bisschen zu straffen und da eine kompaktere Version daraus zu schneiden, in der alles Wesentliche drin ist, aber eben ein bisschen Luft rausgequetscht ist. Und das nennen wir kompakt und das bieten wir halt den Abonnenten und Abonnentinnen an, die im Monat 5 Euro zahlen, um eine werbefreie Version ohnehin schon zu bekommen von der „Lage“ und jetzt eben auch noch, wenn sie wollen, diese kompakte Version. Und das stößt auf Interesse. Das ist jetzt kein Massenprodukt, aber da haben schon einige Leute gesagt, finden wir gut, finden wir interessant. Und so experimentieren wir halt rum, was man so machen kann und wie man das Format flexibel gestalten kann und für möglichst viele Leute attraktiv machen kann. #00:11:39.2#
Christian Bollert: Und damit sind wir eigentlich auch schon mittendrin im, ich sag mal, Thema ökonomische Standbeine. Zwei haben wir jetzt schon diskutiert, einmal diese Live-Veranstaltung, zum anderen die kompakte Version, die werbefreie Version. Aber ihr habt noch ganz verschiedene Einnahmequellen. Also man kann euch auch einfach Geld schenken, ihr verkauft auch Merchandise. Dieses Werbefrei-Abo-Modell hatten wir gerade. Und ihr habt auch Podcast-Werbung vom ARD Radiovermarkter, der AS&S, so heißt der, die übrigens auch diesen Podcast hier vermarkten. Wundern sich Leute heute noch, dass du davon leben kannst? #00:12:06.2#
Philip Banse: Ja. Also definiere Leute! Also es gibt sicherlich Leute, die sich in diesem Markt bewegen und die sich mit Medien auskennen und so, die können sich das schon vielleicht zusammenreimen. Andere vielleicht eher im traditionellen journalistischen Geschäft, im Radiogeschäft, im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, klar, die wundern sich, aber die sind es eben größtenteils auch nicht gewohnt, selbstständig zu arbeiten. Das ist für die halt kein Modell, was sie kennen. Die fragen sich ohnehin, wie freie Journalisten überleben können und Journalistinnen. Also es gibt ganz unterschiedliche Perspektiven. Aber klar, es ist noch nicht so etabliert: Aha! Da macht jemand einen Podcast. Na klar, kann der davon leben. Das ist es definitiv noch nicht. #00:12:54.0#
Christian Bollert: Du hast neulich irgendwo mal gesagt, dass ihr aber natürlich mittlerweile auch ein kleines Medienunternehmen seid. Hättest du das vor fünf Jahren gedacht, dass du daraus mal ein Unternehmen machst? #00:13:02.0#
Philip Banse: Nein. Das ist natürlich schön, aber das musste ich auch erst lernen. Also das zum Beispiel war eine meiner Lernkurven, dass ich es, ja, seit 97 mache ich Journalismus-Radio, also seit 20, 25 Jahren gewohnt bin, alles alleine zu machen. Ich habe alles alleine gemacht, ich habe recherchiert, ich habe telefoniert, ich habe transkribiert, ich habe geschnitten, ich habe die Beiträge produziert, ich habe die Beiträge geschrieben, ich habe einfach alles alleine gemacht. Und da musste ich schon lernen zu sagen, ich muss das nicht alles alleine machen, man kann das delegieren, man kann ein Team aufbauen, wo Leute das auch besser können, bestimmte Sachen, wo ich dann wieder mehr Zeit für andere Sachen habe, die mir mehr liegen und die ich besser kann. Und so ist das peu à peu gewachsen. Jetzt haben wir halt sechs, glaube ich, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, nicht Vollzeit, aber so auf Honorarbasis und zum Teil auch Teilzeitbeschäftigte. Aber ja klar, das ist schön, das macht Spaß. Und das ist auch ein geiles Team. Und ohne die wäre das so auch nicht möglich, was wir da jetzt machen. #00:14:04.1#
Christian Bollert: Das ist ja auch ein Thema des brand eins-Podcasts und überhaupt auch des brand eins Magazins, sich mit Selbstständigkeit und solchen Modellen auch auseinanderzusetzen. Und du hast es schon angesprochen, ihr seid jetzt sechs Leute, die regelmäßig mitarbeiten, so sage ich das jetzt mal. Und ihr habt im Sommer 2019 für den Podcast auch eine eigene GmbH & Co. KG gegründet. Was war denn der Grund für die Entscheidung, tatsächlich zu sagen, mhm (verneinend), alleine geht’s nicht mehr, ich brauche auch irgendwie da ein Gefäß dafür, oder? #00:14:27.7#
Philip Banse: Ja, zu großen Teilen. Also das war auch so ein bisschen so eine Entscheidung, wir hatten das ja damals angefangen in meinem Podcast-Label „Küchenstudio“, was keine wirkliche Form hat, sondern einfach ein Name ist, unter dem ich halt Podcasts publiziere. Aber in dem Maß, wie das dann auch wirtschaftlich größer wurde und Umsätze dazu kamen und so haben wir gesagt: Pass mal auf! Das lässt sich irgendwie alles schwer organisieren. Wir brauchen dafür jetzt eine eigene Schachtel, ein eigenes Behältnis, und was Ulf und ich halt zusammen betreiben. Und dann haben wir das natürlich gemacht, es gibt jetzt eine GmbH & Co. KG. Und das war für mich auch, ich hatte das bisher noch nie, und muss sagen, der psychologische Aspekt einer solchen Firmengründung ist nicht zu unterschätzen. Also da ist auch jeder anders und jede, aber bei mir war das so, dass damit dann so ein Gefühl eintrat so: Okay! Jetzt haben wir da so ein Ding und da kann man auch Leute anstellen. Und das war irgendwie ein bisschen so wie 18 werden. Also man hat das Gefühl, jetzt sind wir volljährig, jetzt haben wir da so ein Ding und das operiert und irgendwie hat das so das Selbstverständnis auch noch mal verändert, dass wir jetzt so ein bisschen erwachsen geworden sind. Ich glaube, diesen psychologischen Aspekt so einer Gründung zu einer juristischen Person, der ist nicht zu unterschätzen. Das habe ich jetzt auch schon von anderen Unternehmern und Unternehmerinnen gehört. #00:15:51.1#
Christian Bollert: Und ist es vergleichbar mit diesem Erwachsenwerden? Weil du das gerade ja so sagtest so mit 18. Also ist das so ein Gefühl? #00:15:56.1#
Philip Banse: Schon, auf jeden Fall. Weil das vorher natürlich sich nicht groß unterschied von, naja, da sitzen halt zwei Leute und treffen sich einmal die Woche und quatschen so ein bisschen und dann kommt da ein bisschen Geld rein und das teilt man sich dann und so. Das ist dann einfach was anderes. Also du musst dann, muss ich dir nicht erklären, eine richtige Buchführung machen, du hast dann irgendwie einen Eintrag und den Notar und so weiter. Und dann musst du halt so richtig so ein Gefäß dafür bauen und dann hat das ein Zuhause. Es ist wie ausziehen und neu einziehen. Das hat ganz viele komische Aspekte. Ich meine, letztlich ist das ja nichts. Es ist einfach nur, ein Notar unterschreibt was auf einem Zettel und schickt den Zettel zu einem Gericht. Und das Gericht sagt: Aha! Der Notar diesen Zettel unterschrieben, deswegen tragen wir jetzt hier mal auf unserem anderen Zettel den Namen ein, Lage der Nation Media GmbH & Co. KG. Und damit gibt’s das Ding. Das ist ja total virtuell, das ist völlig faszinierend, aber es macht einen Unterschied. #00:17:01.3#
Christian Bollert: Ja, ist wirklich spannend. Und vor allen Dingen, man muss sich ja, glaube ich, auch im Vorfeld mit ganz vielen Fragen, jetzt vielleicht wirklich wie Ausziehen beschäftigen, nicht nur, welche Wohnung nehme ich, sondern was stelle ich da rein und so. Ihr hättet ja auch eine AG oder eine GbR oder sonst was gründen können, aber ihr habt eine GmbH & Co. KG gegründet. #00:17:17.6#
Philip Banse: Ja, wir sind halt klassische Handwerker. Wie der gute Schlossermeister, Schlossermeisterin, bauen wir Podcasts. Da braucht man halt auch eine Handwerkerform dafür. #00:17:30.2#
Christian Bollert: Und ist es bei euch Handwerkern so, dass ihr tatsächlich auch das meiste Geld mit Podcast-Werbung verdient? Ist das die wichtigste Einnahmequelle? #00:17:36.7#
Philip Banse: Das schwankt total. Ich werde auch immer gefragt, wie verteilt sich das denn? Und das schwankt total. In normalen Zeiten ohne Corona würde ich denken, war das tatsächlich so Pi mal Daumen Viertel, Viertel, Viertel, Viertel, also Werbung, Live Events, Spenden, Abo. Aber in Corona ist nichts mit Live Events, wir machen seit über einem Jahr keine Live-Geschichten mehr, also auf Bühnen, fällt aus, auch nachvollziehbar und richtig. Gleichzeitig ist das aber mit der Werbung ein bisschen mehr geworden, weil sich da auch der Markt verändert hat und weil die Leute, die Werbung machen, das jetzt auch so ein bisschen mehr auf dem Zettel haben, dass es da Podcasts gibt und dass man dafür auch ein Budget bereitstellen kann und so. Deswegen wird das ein bisschen mehr. Die Abos werden mehr. Also das schwankt immer. Das ist wirklich, wir hatten ja auch mal Monate überhaupt keine Werbung. Also dann waren es natürlich die Abos, die den Großteil ausgemacht haben. Also das schwankt. Das ist wirklich, kann man so schwer sagen. #00:18:38.8#
Christian Bollert: Bleiben wir vielleicht noch kurz beim Thema Werbung. Genau wie wir hier beim Podcast-Radio detektor.fm habt ihr bei der „Lage“ auch auf eurer Seite eine sehr ausführliche Erklärung, wie ihr mit Werbung umgeht. Ich kann mir vorstellen, du hast die Hörer auch schon angesprochen, die da sehr aufmerksam sind, dass die Trennung von Werbung und Redaktion ein ziemlich zentraler Punkt auch für euren Erfolg ist. #00:18:56.2#
Philip Banse: Ja. Du sagst Erfolg, also es ist ein Kompromiss. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Werbung ist immer ein Kompromiss. Wahrscheinlich würden am liebsten alle Medien sagen, wir machen keine Werbung und kommen genauso gut klar. Ich weiß nicht, ob jemand wirklich sich freut, dass er Werbung hat, von ein paar Modemagazinen vielleicht abgesehen oder so. Aber Werbung ist immer ein Kompromiss. Und wir sagen halt, für uns ist wichtig, und das ist für uns das ganz Entscheidende, für uns ist wichtig: Hat die Werbung einen Einfluss auf den Inhalt? Und dafür kann ich meine Hand ins Feuer legen, hat sie nicht. Wir hatten nicht einmal die Situation, wo wir gedacht haben: Können wir das Thema machen, weil da war doch der Werbepartner? Oder die haben jetzt angefragt und überlegen noch. Das ist nicht einmal passiert. Und da weiß ich von Ulf das hundertprozentig, weiß es von mir hundert Prozent, wenn das passiert, dann ändern wir was. Das andere ist halt die Wahrnehmung, wie das bei den Leuten ankommt. Und da ist der Kompromiss natürlich, den wir machen, dass ich oft die Werbung vortrage, sogenannte Host Reads. Und auch das ist ein Kompromiss, das weiß ich und das stößt bei einigen auf, die sagen, hey, könnt ihr da nicht einen Spot machen oder könnt ihr da nicht jemand anders lesen lassen? Ich sag dann aber immer: Ja, es ist ein Kompromiss, aber dieser Kompromiss hat es uns ermöglicht, fünf Jahre lang jede Woche anderthalb Stunden wirklich, und dafür garantiere ich, unabhängigen Journalismus für alle frei und umsonst ins Internet zu stellen. Und diesen Kompromiss würde ich immer wieder machen, wenn das das Ergebnis davon ist. Aber klar, es gibt Diskussionen und wir feilen auch an diesen Werberichtlinien und es gibt immer wieder Leute, die fragen, warum macht ihr dies und warum macht ihr jenes. Völlig legitim. Wird es immer geben. Aber wir justieren da auch nach, aber an dem Grundprinzip, würde ich sagen, ändert sich nichts und dazu stehe ich. #00:20:54.8#
Christian Bollert: Also diese emotionale Debatte, die hast du jetzt auch schon angesprochen, ob der Moderator oder die Moderatorin die Werbung selber vorlesen darf oder nicht, da habt ihr für euch entschieden, das ist okay, weil es keinen Einfluss auf den Inhalt gibt? #00:21:07.2#
Philip Banse: Richtig, genau! Für mich war das ja von Anfang an ein Experiment. Ich wusste, dass das auf uns zukommt. Ich kannte das aus Amerika, jeder, der Podcasts gehört hat, wusste, die einfachste, beliebteste Form ist dieser Host Read, die Moderatoren, Moderatorinnen tragen irgendwie einen Text vor. Ich wusste, das kommt auf mich zu. Und ich habe mir gedacht: Mal sehen, wie sich das anfühlt. Ich wusste es nicht. Aber ich dachte, ich probiere es mal aus. Und ich kann heute sagen, also wie gesagt, für mich ist das Entscheidende, beeinflusst das meine Arbeit? Nein, tut sie nicht. Zero, 0,0, hat sie nie, nicht ein bisschen. Und ich fühle mich auch nicht komisch, wir haben ja auch eine rote Linie, wie wir das gesagt haben. Also es gibt ja Sachen, für die machen wir keine Werbung. Das heißt aber nicht, dass die Sachen, für die wir Werbung machen, dass die voll von uns gestützt und wir finden alles super, sondern sie sind halt nur kein No-Go. Und das ist halt eine Grenze, die viele nicht so, oder manche nicht so richtig nachvollziehen können oder die ihnen nicht scharf genug ist oder so. Aber das war für mich am Anfang das Experiment: Wie fühlt sich das an, wenn ich diesen Kram vortrage? Und ich kann sagen, ist okay. Ich bin genauso frei wie vorher und deswegen mache ich das. #00:22:24.6#
Christian Bollert: Wenn wir jetzt mal alle Einnahmearten so ein bisschen zusammenzählen, du hast es ja schon gesagt, am Anfang war es vielleicht wirklich ein Viertel, ein Viertel, ein Viertel, dann kann man schon sagen, vielleicht für die Leute, die sich nicht so intensiv mit dem Podcast-Markt, mit vielleicht auch den Entwicklungen in den USA und der Werbevermarktung und so auseinandersetzen, ein erfolgreicher Podcast im Jahr 2021 ist ein lohnendes Geschäftsmodell, oder? #00:22:46.6#
Philip Banse: Na, was heißt lohnend? Jetzt weißt du, ich kann davon leben und wir können halt Leute bezahlen und das war halt auch immer unsere Maßgabe, wenn wir Leute beschäftigen, dann wollen wir sie fair bezahlen, wir wollen kein Geschäft aufmachen, was darauf basiert, dass Leute einen Mindestlohn oder weniger als einen Mindestlohn oder so de facto dann kriegen. Gibt’s ja auch. Also wir wollen die Leute, die wir beschäftigen, fair bezahlen für das, was sie tun. Das muss natürlich irgendwie im geschäftlichen Rahmen bleiben. Aber ich denke, wenn wir eine Idee haben und die lässt sich nur umsetzen, wenn wir Leuten ein supergeringes Honorar zahlen, dann lassen wir es halt. Also dafür reicht’s. Ja. Dafür reicht’s. Aber ich kenne halt die Zahlen auch von anderen nicht. Ich kenne nur unsere Zahlen und ich weiß, wir können davon leben und wir haben so ein bisschen was, um Sachen ausprobieren zu können, auch jetzt wie diese Kurzfassung. Das kostet ja auch alles Geld. Und ja, Punkt! #00:23:51.9#
Christian Bollert: Ein Aspekt von Podcasts ist ja auch der Rückkanal, also ganz klassisch natürlich per E-Mail. Aber man kriegt ja auch auf diversen anderen Kanälen auf der Webseite, auf beispielsweise Apple Podcast oder so Kommentare, Bewertungen und so. Im Vorgespräch, als ich mich hier vorbereitet habe auf das Gespräch, hat mir Gabriele Fischer, die Chefredakteurin der brand eins, noch mal verraten, dass sie zum Beispiel ein großer Fan eures Podcasts auch ist. Überraschen dich solche Lobesbekundungen nach fünf Jahren „Lage“ noch oder freut man sich einfach nur leise? #00:24:19.8#
Philip Banse: Ich freue mich. Ich freue mich wirklich. Also was gibt’s Schöneres, weißt du, wenn Leute sagen, ich höre das gerne und ich höre das regelmäßig. Und wenn das dann noch Kollegen und Kolleginnen sind, dann freut einen das vielleicht noch mal ein bisschen extra, weil man weiß, was die so für Maßstäbe auch anlegen. Und natürlich freut mich das, ich meine, dafür machen wir das. Wir machen das, weil wir Spaß dran haben, weil wir uns eigene Gedanken machen, weil wir das für wichtig halten, da unseren Senf dazuzugeben und so Sachen ein bisschen einzuordnen und Leuten auch die Demokratie zu erklären und sie auch zum Mitmachen zu animieren. Und wenn dann Kollegen und Kolleginnen sagen, hey, auch wir finden das interessant und wir hören da mal rein, na klar, das ist wie ein kleiner Geburtstag immer. Natürlich freut mich das. #00:25:13.0#
Christian Bollert: Wir müssen auch noch über ein Thema sprechen, was dich als Podcast seit der ersten Stunde definitiv beschäftigen wird, nämlich die wachsende Macht der Plattformen. Wir haben vorhin so ein bisschen über die Hoffnungen gesprochen, die es vielleicht 2004, 2005 gab für die Podcast-Szene. Mittlerweile gibt’s da einen großen Namen, über den viele diskutieren, Spotify. Einige Leute sagen auch, oh, mit abgeschotteten Inhalten macht dieser große Megakonzern ein ganz eigenes Universum auf, was gar nicht mehr so viel mit Podcasts zu tun hat. Wie stehst du dazu? #00:25:40.5#
Philip Banse: Ich sehe das natürlich wie alle, die sich ein bisschen damit beschäftigen, mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Also lachend oder das heißt, der positive Aspekt ist sicherlich, dass Spotify durch Usability und App und Reichweite viele Leute zu diesem gesprochenen Audio gebracht hat, die vorher vielleicht keine Podcasts gehört haben. Podcast ist ja dann letztlich auch so ein technischer Begriff und viele sagen, was Spotify macht, sind keine Podcasts, weil keine Feeds und so. Das ist sicherlich richtig, aber ich würde dann doch eher vielleicht eine Stufe höher treten und sagen: Gesprochenes Audio, wortlastiges Audio, da hat Spotify sicherlich ein paar Leute in dieses Universum geholt jenseits der Audiobücher, die da vorher vielleicht nicht drin waren. Das sicherlich. Aber natürlich ist das eine Plattform. Natürlich ist das eine Plattform, die sagen „all Audio belongs to us“, also wir wollen die Plattform werden, wenn es um Audio geht. Neben uns soll es nicht so wahnsinnig viel anderes geben. Und das muss natürlich allen anderen so ein bisschen, ja, muss alle anderen so ein bisschen nervös auch machen und aufschrecken und aufhorchen lassen. Ich würde halt denken, dass es bedenklich ist, wenn alles irgendwann da ist, dann wissen wir, kann Spotify die Regeln diktieren, wer ist in den Charts oben, keiner kann es kontrollieren. Bevorzugt Spotify die eigenen Formate, also dieses Markthändler-Prinzip. Also wenn der Marktanbieter und der Veranstalter eines Wochenmarkts auch noch Tomaten verkauft hat, stellt er seinen Tomatenstand natürlich an den Eingang und an die Kreuzung und an die besten Plätze und verkauft eben, weil er den Markt betreibt, auch noch mehr Tomaten als die anderen. Und so ist das da eben auch. Wenn du eine Plattform betreibst, auf der andere unterwegs sind, du selber aber auch noch Podcasts oder Inhalte anbietest, dann ist natürlich ein Anreiz da, die besonders prominent zu platzieren als die, an denen du halt kein eigenes Geld verdienst. Also das ist sicherlich ein Problem. Meine Antwort darauf wäre, ich würde mir wünschen, nicht, dass man Spotify verbietet oder irgendwie so ein Quatsch, sondern dass man es schafft, valide mächtige, große, attraktive Alternativen anzubieten. Und da kann das nur über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gehen. Ich glaube, die wirklich gute und wichtige Aktion wäre, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk, alle Landesanstalten, eine App haben, in der sie ohne Werbung ihren ganzen Kram bündeln und öffnen für andere, für Leute wie uns, für euch, damit die das da auch anbieten können. Das muss eine gute App sein, die muss mindestens auf Augenhöhe sein, aber eben ohne Werbung, ohne Tracking, ohne Personalisierung, aber mit dem ganzen Angebot. Und mein Vorwurf an die Öffentlich-Rechtlichen ist, dass sie diese Macht nicht ausspielen. Die sind der größte Inhalte-Anbieter auf Spotify. Niemand bietet mehr Podcasts an als die Öffentlich-Rechtlichen. Ich rede jetzt von Deutschland. Und dass die da nicht hingehen und sagen, Leute, also passt mal auf, wir machen jetzt hier selber eine App und entweder ihr gebt uns hier das und das und das oder unsere Podcasts gibt es nur noch in unserer App. Natürlich wollen die Reichweite haben, natürlich wollen die auch die Leute haben, die auf Spotify sind, aber ich würde sagen, für eine Übergangsphase könnten sie sagen, wir machen eine eigene App und in ihren Podcasts Werbung machen für die eigene App, und nach zwei Jahren sagen sie dann, jetzt gibt’s unsere Podcasts nur noch auf unserer App. Dann gäbe es zumindest einen Wettbewerb, dann gäbe es eine Alternative. Und das finde ich schade, dass das am Horizont nicht zu erkennen ist. #00:29:20.8#
Christian Bollert: Ja, das deutet sich überhaupt nicht an, ich sag mal, so eine öffentlich-rechtliche Podcast-Plattform. #00:29:25.6#
Philip Banse: Ja. Ich meine, es gibt, wissen wir selber, jede Anstalt hat da ihre mehr oder weniger gut gemachte App. Es gibt immer noch zwei Mediatheken fürs Fernsehen. Jetzt würde ich das schon trennen, Bild und Audio, aber auch für Audio gibt es ja wirklich einen totalen Wildwuchs. Und jeder, der mal in den App Stores nachguckt, wird sehen, was es da für ein Durcheinander gibt. Und die sind auch alle unterschiedlich gut gemacht. Du brauchst eine App, in der alle Audios drin sind, gut präsentiert, mit Kapitelmarken, mit Bildern, mit Shownotes. Wenn ich dann sehe, wie der Corona-Update Podcast vom NDR und Herrn Drosten und Frau Ciesek, der lebt, ich weiß nicht, auf geschätzten fünf Webseiten. Auf der einen ist der Podcast, auf der anderen sind die Shownotes, auf der dritten sind die Transkriptionen. Das ist einfach wirklich nicht mehr zeitgemäß und das muss alles in eine App. Und dann hast du auch eine Alternative. Dann kann man auch sagen, ja, dann macht Spotify Spotify und wir haben aber da eine Alternative, die auf Augenhöhe technisch und mit einem großen Angebot da eine andere Politik machen kann. Und dann, finde ich, würde das auch die Bedrohung von Spotify ein bisschen entschärfen. #00:30:29.5#
Christian Bollert: Hältst du das für realistisch, dass man sich dann auch noch öffnet für Drittanbieter? Also wie zum Beispiel euch oder uns, oder? #00:30:35.2#
Philip Banse: Ja, das würde ich schon verlangen. Denn da ist dann die Frage: Wie stark wird das dann kuratiert? Aber sonst ist es natürlich auch so medium-attraktiv, sonst, das fände ich, würde ich schon erwarten, dass ein Anbieter wie die Öffentlich-Rechtlichen, die ja von allen Haushalten bezahlt werden, dann auch eine Möglichkeit bieten, eben für alle in dieser App statt zu finden. Das muss nicht heißen, dass vielleicht alle da rein können. Und dass es vielleicht irgendwie so eine Art minimale Content Control oder irgendwie sowas gibt, so eine kleine Schwelle, die darf nicht so hoch sein. Aber klar, warum denn nicht? Also ohne das bist du keine Konkurrenz für Spotify. Weil Spotify nimmt sie alle und packt den eigenen Kram auch noch dazu, und die Öffentlich-Rechtlichen. Sondern du brauchst dann schon auch, um Innovationen zu fördern, um neue Formate zu finden und so, muss das alles da sein. Das muss alles da sein, du brauchst eine gute App, in der man gut suchen kann, die gut filtert, die gut das möglichmacht, neue Sachen zu entdecken. Ich würde schon sagen, sie müsste wirklich für alle offen sein. #00:31:46.9#
Christian Bollert: Jetzt gibt’s ja auch noch ein paar Leute, die sagen, ach, das regelt der Markt, da gibt’s auch noch Amazon und Google und Apple. #00:31:53.1#
Philip Banse: Ja, das glaube ich ehrlich gesagt nicht. Ja, es gibt diese Plattformen, aber ich glaube, es gibt eben auch diese Netzwerkeffekte, die wir ja nun alle kennengelernt haben. Und umso mehr wundert es mich doppelt, dass das keiner registriert. Am Anfang, als Twitter und Facebook kamen, da konnte man vielleicht theoretisieren, dass es Netzwerkeffekte gibt. Also ja, es gibt drei Anbieter, aber wenn einer es schafft, eine kritische Masse an Menschen zu versammeln, dann ist der nicht mehr einzuholen, weil alle da sind und alle da sein wollen und alle ihre Bekannten da haben und die anderen Plattformen das eben nicht bieten. Dann gehst du dahin und bist da alleine auf irgendeiner anderen Plattform. Und deswegen funktioniert das nicht. Und hier ist es ähnlich. Man hört zwar nur Podcasts, aber die Leute teilen das ja auch, die Leute kommentieren, es ist ja auch eine Art soziales Netzwerk. Und wenn es das jetzt noch nicht hundertprozentig ist, dann wird es das immer mehr werden. Und das heißt, wenn Spotify einmal groß ist, wenn alle a) Inhalteanbieter da sind, aber eben auch b) alle Leute, die es hören, dann kannst du da mit dem Markt so viel machen, wie du willst, da kannst du die besten Anbieter daneben stellen, es wird kein Wechsel stattfinden. Und deswegen sage ich ja, ist es fast schon zu spät für die Öffentlich-Rechtlichen, mit sowas um die Ecke zu kommen. Also sie müssen sich auf jeden Fall extrem beeilen, damit das noch was wird. Und der einzige Hebel, und deswegen sage ich es, es sind nur sie in der Lage das zu machen, der einzige Hebel sind eben ihre Inhalte. Wenn sie sagen, unsere Inhalte gibt’s nicht mehr bei Spotify, Corona-Podcast, dann nur noch in dieser App, das ist ein Hebel, mit dem sie den Vorsprung von Spotify noch aufholen können. Alle anderen haben da keine Chance. #00:33:32.3#
Christian Bollert: Also ARD Originals? #00:33:34.4#
Philip Banse: Vielleicht, ja, oder öffentlich-rechtliche Podcasts, gibt’s ja eine Menge. Und sie fangen ja auch mehr an, eigenen Kram zu produzieren. Klar, können die anderen, Amazon und Deezer und RTL Now und wie sie nicht alle heißen, ProSiebenSat.1, machen was, aber was ich so sehe, da ist meine Hoffnung überschaubar, dass es da wirklich ein buntes Ökosystem gibt, was auch noch wirklich plattformfreie Inhalte und wirklich eine unabhängige Szene noch ermöglicht. Sondern die sind dann alle abhängig von diesen Konzernen. Und das ist keine gute Sache, glaube ich. #00:34:17.3#
Christian Bollert: Kleiner Hinweis an der Stelle schon mal. Nächste Woche sprechen wir mit Saruul Krause-Jentsch von Spotify Deutschland, die dort verantwortlich ist für die Spotify Originals. Philip Banse sagt das, er produziert zusammen mit Ulf Buermeyer „Die Lage der Nation“, einen der erfolgreichsten Podcasts in Deutschland, und hat hier erklärt, wie sich das Podcast-Geschäft in den vergangenen Jahren verändert hat und wie sich vielleicht vor allen Dingen die öffentlich-rechtlichen Sender verändern sollten aus seiner Perspektive, damit es in Zukunft auch eine freie Perspektive und Optionen gibt, um Podcasts zu hören. Ich sage vielen Dank für das Gespräch und für die Gedanken! #00:34:46.6#
Philip Banse: Ich bedanke mich für die Fragen und die Aufmerksamkeit und das Interesse. #00:34:50.8#
Christian Bollert: Kommende Woche wird dann, wie schon angekündigt, die Chefin der deutschen Spotify Studios, Saruul Krause-Jentsch, hier zu Gast sein. Wir werden dann über die Podcast-Ambitionen des Streaming-Konzerns sprechen. Und wer die anderen beiden Folgen unserer kleinen Mini-Serie zum Thema Podcasts anlässlich unseres Geburtstages gehört hat, der weiß, dass wir auch am Ende natürlich noch mal kurz darauf hinweisen: Wegen des fünften Geburtstages des brand eins-Podcasts gibt’s exklusiv für euch da draußen für 5 Euro das Digital-Abo der brand eins. Und diese Abo-Aktion gilt nur im April 2021. Alles, was ihr wissen müsst, findet ihr unter b1.de/5. Ihr wisst, in den Shownotes steht’s auch noch mal zum Nachlesen und Klicken. Und bevor ich mich jetzt verabschiede, noch ein kleiner Hörtipp von uns. Denn seit diesem Monat gibt’s mit „Abenteuer Australien“ einen passenden Podcast für alle Australien-Liebhaber und Australien-Liebhaberinnen. Denn darin nimmt uns die deutsche Journalistin Sabrina Frangos mit akustisch auf den fünften Kontinent. Und wir können ja eh alle gerade nicht so richtig dahinfliegen. „Abenteuer Australien“ gibt’s überall da, wo es Podcasts gibt. Und diese vielleicht auch ein bisschen wohlige Australien-Sehnsucht, die gibt’s kostenlos obendrauf. Den Podcast von uns hier, den brand eins-Podcast, den gibt’s natürlich auch überall. Solltet ihr uns noch nicht abonniert haben, dann macht das doch gern, denn das ist wirklich die einfachste und kostengünstigste Möglichkeit, uns und unsere Arbeit hier zu unterstützen. Schließlich sind Podcast-Abos auf offenen Plattformen immer kostenfrei. Hört also gern eure Podcasts auf offenen Plattformen und nutzt Podcast Apps wie Overcast, Podcast Addict oder auch Castro. Natürlich findet ihr uns aber auch auf den großen Streamingdiensten wie Amazon Music, Deezer oder Spotify. Außerdem gibt’s diesen Podcast auch bei Audio Now, Flipboard, FYEO, Google Podcasts oder auch Podimo. Ich freue mich, wenn wir uns dann kommenden Freitag zum Gespräch mit der Spotify Studio Chefin hier in diesem Podcast wieder hören können. Ich würde mich freuen, wenn ihr da wieder dabei seid. Sage, bis dahin! Macht‘s gut! Auf Wiedersehen und tschüss! #00:36:46.7#
Der brand eins-Podcast – Wirtschaft anders denken. Jede Woche bei detektor.fm
Der brand eins-Podcast wird produziert vom Podcast-Radio detektor.fm. Redaktion und Produktion Stephan Ziegert und Javan Wenz. In Zusammenarbeit mit Frank Dahlmann vom brand eins Magazin. Moderation Christian Bollert.