Hier in Deutschland hatten wir es in den letzten Jahrzehnten ziemlich gut. Kriege kennen wir nur noch aus dem Geschichtsunterricht und aus dem Fernsehen. Gab ja lange keinen Grund, sich auszumalen, was los wäre, wenn Deutschland in einen militärischen Konflikt geraten würde. Aber die Zeiten, in denen man sich darüber keine Gedanken machen musste, sind leider vorbei. Und das betrifft nicht nur die Ukraine. Russland nimmt offenbar auch die NATO-Verbündeten in Europa ins Visier. Immer häufiger gibt es Meldungen über Drohnensichtungen, Luftraumverletzungen und Sabotageakte, deren Spur nach Russland führt. Es hat den Anschein, dass Wladimir Putin die NATO testen will. Wie gut ist das Militärbündnis aufgestellt? Und halten die Verbündeten wirklich zusammen, wenn es hart auf hart kommt? Genau mit dem Szenario beschäftigen wir uns in dieser Ausgabe vom Forschungsquartett mit den Plänen für den Ernstfall. Was genau würde passieren, wenn Deutschland jetzt in einen Krieg verwickelt würde? Schön, dass ihr dabei seid, wenn wir uns das mal genauer anschauen. Mein Name ist Caroline Breitschädel. Hi! Das Forschungsquartett – Wissenschaft bei detektor.fm. Ein Krieg mit Russland, das kann und will man sich gar nicht vorstellen. Doch für den Fall der Fälle braucht es natürlich Pläne. Das gilt für die Bundeswehr, aber genauso für den Zivilschutz. Deshalb arbeiten staatliche Stellen daran, Vorbereitungen für den Worst Case zu treffen. Das klingt alles reichlich abstrakt. Aber was bedeutet das konkret? Das haben sich Johannes Steger und Ferdinand Geringer im Detail angeschaut. Steger ist Journalist und Geringer Experte für Sicherheitspolitik bei der Konrad Adenauer Stiftung. Und zusammen haben sie das Buch geschrieben: „Deutschland im Ernstfall – Was passiert, wenn wir angegriffen werden?“ Mein Kollege Johannes Schmitt hat bei Ferdinand Geringer nachgefragt: Wie gut ist Deutschland für den Ernstfall gewappnet? Was müssen wir uns unter so einem Ernstfall eigentlich vorstellen? Wie können wir BürgerInnen uns vorbereiten? Und wie sind er und sein Co-Autor das Thema überhaupt angegangen? Wir beide haben uns nicht nur ein Szenario vor Augen geführt, sondern haben in unserem Buch „Deutschland im Ernstfall“ verschiedene Szenarien, die aufeinander aufbauen, gewählt. Jedes Kapitel beginnt mit einem Szenario. Wir fangen an mit weiteren Spannungen an der NATO-Ostflanke. Das sind auch viele Erscheinungen, die wir jetzt in den letzten Tagen und Wochen schon erlebt haben: Zusammenstöße auf der Ostsee mit russischen Streitkräften, Luftraumverletzungen, Drohnenüberflüge. Das Ganze spitzt sich zu und hat Auswirkungen innerhalb der NATO, weil der Artikel 4 NATO- Konsultationsmechanismus bemüht wird von einigen Staaten. Dann sagt man auch in Deutschland: Die Lage ist angespannt, wir müssen den Spannungsfall ausrufen. Das ist quasi unser Ausgangsszenario. Und mit diesem Spannungsfall wollen wir dann zeigen, wie sich so Szenarien auch fortentwickeln können. In jedem Kapitel gibt es dann wieder eine Zuspitzung, eine Steigerung. Und damit wollen wir dann auch aufzeigen, was möglich sein kann. Also noch nicht unbedingt ein Krieg, aber vielleicht sowas wie eine drohende Kriegsgefahr oder eine drohende militärische Konfrontation. Kann man das so sagen? Das kann man so sagen. Uns ist vor allen Dingen wichtig zu zeigen, dass der Ernstfall nicht von heute auf morgen eintritt, dass wir eines Tages aufwachen und merken: Oh, jetzt ist der Ernstfall da, sondern dass es wahrscheinlich eher so ein schleichender Prozess ist. Dass sich die Situation immer angespannter zeigt, dass dadurch die Rolle Deutschlands immer wichtiger in der NATO wird, dass Truppenbewegungen erhöht werden und dass das dann in der Summe zu einem Konflikt führen kann, der dann am Ende auch militärisch sein kann. Also unser letztes Kapitel ist dann tatsächlich auch eine militärische Eskalation, aber im Vorfeld passiert schon ganz viel. Und Sie haben sich dann nicht nur angeguckt, wie quasi die Vorbereitungen, die Planspiele aussehen, sondern auch die Auswirkungen auf die Demokratie. Was würde so ein Ernstfallszenario denn für unsere Demokratie bedeuten? Wir wollen aufzeigen, mit dem Buch, was theoretisch in unserem Alltag möglich ist, also welche Einschränkungen wir erleben, wenn beispielsweise Deutschland als logistische Drehscheibe innerhalb der NATO viel mehr militärisches Gerät auch alliierter und verbündeter transportieren muss. Was heißt es denn für unseren Straßenverkehr? Was heißt es für den Flugverkehr? Was heißt es für den Schienenverkehr? Muss ich noch arbeiten? Was bedeutet das für die Wirtschaft? Das waren für uns ganz zentrale Fragen. Wer trifft auch die Entscheidungen? Wie läuft denn so eine Koordination ab? Kann die Bundesregierung auch im Zweifel vielleicht das Internet abschalten, wenn es irgendwie zu heikel wird? Uns war wichtig, dass wir mit dem Bürger in Kontakt treten und zeigen, was denn so militärische Spannungen für unseren Alltag bedeuten und wie unsere Demokratie dadurch erschüttert werden kann. Okay, damit ist das Szenario jetzt ein bisschen klarer. Mit wem haben Sie denn gesprochen in der Recherche? Was haben Sie sich für Ihr Buch angeschaut? Wir haben mit sehr, sehr vielen beeindruckenden Expertinnen und Experten gesprochen, aus den Ministerien, aus Sicherheitsbehörden, aus nachgeordneten Behörden. Wir haben mit Thinktanks gesprochen, wir haben mit Verbänden gesprochen. Also wir haben uns ganz viele verschiedene Bereiche auch angeschaut und wollten da tiefer einsteigen, um zum einen zu schauen, wie gehen die jeweiligen Bereiche denn auch mit den Szenarien um, die wir aufwerfen? Welche Probleme gibt es da vielleicht auch noch und wie wirkt sich das Ganze für uns aus, wenn beispielsweise die Gesundheitsversorgung extrem belastet wird? Damit sind wir ja schon mitten in den konkreten Beispielen drin. Schauen wir es uns vielleicht mal von zwei Seiten an. Sie machen die grundsätzliche Unterscheidung zwischen der militärischen und der zivilen Seite und wie die beiden Seiten jeweils aufgestellt sind. Fangen wir vielleicht einfach mal mit der Bundeswehr an. Was würde denn passieren, wenn jetzt zum Beispiel ein NATO-Land angegriffen wird, Baltikum oder Polen? Welche Pläne greifen dann bei der Bundeswehr? Was passiert dann? Also es sieht so aus, dass wir vor allen Dingen das Konzept der Gesamtverteidigung näher vorstellen wollen. Das umfasst die militärische Verteidigung. Da gehen wir jetzt gleich darauf ein, auf die Bundeswehr, aber auch die zivile Verteidigung. Bei der Bundeswehr wäre es so, dass, wenn natürlich die Spannungen weiter zunehmen – und da glaube ich, dass es nicht erst dann passiert, wenn wirklich ein unmittelbarer militärischer Angriff auf den NATO-Staat passiert, sondern im Vorfeld schon viel, viel mehr passieren würde. Aber wenn wir mal davon ausgehen, dass es zu unmittelbaren Kampfhandlungen kommen würde, dann wäre natürlich die Bundeswehr unmittelbar involviert. Es würde aber im Rahmen der NATO ein Artikel 5-Bündnisfall ausgerufen werden, der dann dazu führt, dass man im Rahmen der NATO entscheidet, welche Maßnahmen ergreifen wir denn. Wenn diese Entscheidung getroffen wird, dann hat jeder NATO- Staat die Möglichkeit zu überlegen, welchen Beitrag leisten wir denn im Rahmen des Artikel 5 im Rahmen des Bündnisses. In Deutschland ist es so, dass wir sagen: Jeder Angriff auf einen NATO-Partner ist auch ein Angriff auf unser Land. Dementsprechend greifen dann diese Mechanismen der Landesverteidigung auch und die Bundeswehr beziehungsweise würde sich dann im Rahmen der Bundesregierung Gedanken machen, wie in welcher Form die Bundeswehr Unterstützung leistet. Also wird die deutsche Brigade in Litauen beispielsweise weiter verstärkt oder brauchen wir andere Unterstützungsmaßnahmen? Das kommt ganz auf das Szenario an. Aber wir werden auf jeden Fall unmittelbar betroffen. Was haben Sie denn für einen Eindruck gewonnen? Ist die NATO, ist die Bundeswehr da gut aufgestellt an der Stelle? Also gibt es viele Pläne, viele ausgereifte Pläne in den Schubladen für solche Szenarien? Oder haben Sie bei der Recherche eher den Eindruck gewonnen, dass da noch viel Nachholbedarf gibt? Ich glaube, wir sind, was das Militärische angeht, auf einem Weg, der zwar nicht ideal ist, weil wir in vielen Dingen, was die Beschaffung angeht, noch viel zu träge sind. Auch die Problematik des Personals ist noch nicht so geklärt, auch nicht mit dem Wehrdienstmodernisierungsgesetz. Ich glaube, da brauchen wir noch Zeit, aber die richtigen Stellschrauben werden größtenteils schon angegangen. Man sieht im Rahmen der militärischen Verteidigung bei der Bundeswehr, dass über den Operationsplan Deutschland schon ein wichtiges Dokument vorliegt, was mit der Umsetzung dieser gesamten NATO-Planungen jetzt schon beschäftigt ist. Also die Bundeswehr ist permanent unterwegs. Vor allen Dingen das operative Führungskommando der Bundeswehr versucht in Gesprächen mit der Deutschen Bahn, mit der Lufthansa, mit anderen Industrieunternehmen zu schauen, wie sie denn Unterstützungsleistungen bekommen, dass wenn dieser Fall eintreten sollte, dass wir vorbereitet sind. Und dieser Strang funktioniert dahingehend, dass ganz viele Beteiligte schon zusammengezogen werden. Das läuft vor allem auf regionaler Ebene über die Landeskommandos der Bundeswehr, die dann im Austausch sind, im regionalen Bereich diese Planungen vorzunehmen. Natürlich braucht das Ganze noch viel, viel mehr Zeit und es sind auch Riesenbereiche, die man da abdecken muss, aber es tut sich auf jeden Fall was. Na gut, das klingt ja schon mal nicht so schlecht. Das Gegenstück zum Militärischen ist das Zivile. Hier lautet das Zauberwort Zivilschutz. Was fällt denn alles unter Zivilschutz? Was ist damit gemeint? Es ist so, dass wenn wir bei der Gesamtverteidigung von militärischer Verteidigung und von ziviler Verteidigung sprechen, dass unter die zivile Verteidigung zum einen der Zivilschutz gehört, zum anderen aber auch die Unterstützung der Streitkräfte. Das ist auch ein ganz, ganz wesentliches Element, weil wenn wir ganz, ganz viele Truppen in Deutschland beispielsweise haben, dann müssen die unterstützt werden. Die brauchen Essen, Unterkünfte, Versorgung, Wartung, alles drum und dran. Es gehört weiterhin dazu, dass die Grundversorgung der Bevölkerung aufrechterhalten wird und als viertes Element, dass der Staat seine Regierungsfunktionen, sein Regierungs- und Staatshandeln aufrechterhalten kann. Also das sind so die vier Säulen der zivilen Verteidigung. Wenn wir uns den Zivilschutz anschauen, dann geht es da vor allen Dingen darum, dass die Zivilbevölkerung vor Angriffen, vor Einwirkungen geschützt werden muss. Da gehört aber auch dazu, dass kritische Infrastrukturbetriebe beispielsweise weiterhin ihre Dienstleistungen erfüllen können, dass die Grundversorgung aufrechterhalten wird. Und da besteht aus unserer Sicht eine gewisse Gefahr, dass wir in Deutschland aufgrund unserer Drehscheibenfunktion, falls sich die Situation zuspitzt, ein immer beliebteres Ziel für Sabotageakte, für Spionageakte beispielsweise aus Russland werden, die dann eben unsere Infrastruktur vor allen Dingen in den Blick nehmen würden. Und das hat natürlich dann Auswirkungen auf unseren Alltag, weil beispielsweise Stromkraftwerke, Wasserwerke eventuell gestört werden. Ja, da höre ich schon raus, dass Sie beim Zivilschutz beziehungsweise der Zivilverteidigung nicht so überzeugt sind wie mit Blick auf die Bundeswehr. Wo sehen Sie denn die größten Nachholbedarfe in Deutschland? Also wenn wir jetzt Prioritäten stecken müssten, wo müssen wir wirklich draufsatteln in den nächsten Jahren? Ich würde das Ganze vor allen Dingen im Rahmen des Zivilschutzes sehen. Es geht darum, dass die personelle Ausstattung noch nicht ideal ist. Wir verlassen uns noch viel zu sehr auf unser hervorragendes Ehrenamt in Deutschland. Das reicht aber nicht aus. Ja, wir brauchen also noch deutlich mehr Personal. Auch die Ausstattung muss sich verbessern. Nicht zuletzt hat deswegen auch der Bundesinnenminister angekündigt, dass man jetzt einen Pakt für den Zivilschutz schnüren möchte. Also die Ausstattung von THW, von Feuerwehr und von den Rettungsdiensten, die müsste man auf jeden Fall noch verbessern. Und was ganz, ganz elementar ist in diesem Zusammenhang, ist die Koordination. Also wir haben schon sehr, sehr viele Dinge, die im Zivilschutz gut laufen. Aber wenn wir uns so ein Szenario anschauen, wo es darum geht, dass wir von der zivilen Seite auch die militärische Seite unterstützen müssen und von der zivilen Seite dafür sorgen müssen, dass die Bevölkerung weiterhin versorgt wird, dann fehlt es noch so ein bisschen an dem koordinierenden Element. Also wie priorisieren wir denn Aufgaben? Wer ist denn im Lead? Wen brauchen wir denn für welche Aufgaben auch? Und das ist ein ganz, ganz elementarer Bestandteil, der da noch extrem ausbaufähig ist. Und ein weiterer Punkt ist, dass wir nicht wissen, wie viele Leute wir denn überhaupt haben, die der Bundesrepublik helfen können. Also wir haben nirgendwo erfasst, wer denn überhaupt in den ganzen Katastrophenschutzbehörden, in den Zivilschutzeinrichtungen engagiert ist. Jetzt ist ja in den letzten Monaten auch vor allem in den letzten Wochen viel diskutiert worden über eine wachsende Kriegsgefahr. Es ging um Drohnensichtungen, Luftraumverletzungen, Sabotageakte. Also ist einiges zusammengekommen. Die Menschen, die Experten und Expertinnen, mit denen Sie gesprochen haben, gehen die tatsächlich davon aus, dass es in den nächsten Jahren zu einer militärischen Konfrontation mit Russland kommen könnte? Oder reden wir hier einfach nur, ich sag mal, vorbeugend prophylaktisch über diese Szenarien? Also für wie realistisch wird das gehalten? Ich glaube, da gibt es immer wieder unterschiedliche Meinungen und so Fragen nach der Wahrscheinlichkeit sind immer schwer zu beantworten. Was klar ist, und da sind wir uns, glaube ich, alle größtenteils einig, dass wir all diese Vorkehrungen treffen, um nicht in einen Krieg verwickelt zu werden. Sondern die Grundüberlegung ist: Nicht, wir bereiten uns auf einen Krieg vor, sondern wir müssen uns so darauf vorbereiten, dass wir Russland zeigen: Es lohnt sich gar nicht, gegen uns Krieg zu führen, weil wir gut vorbereitet sind. Weil es nicht so einfach wird. Und schaut mal, ihr habt auch in der Ukraine eure Probleme. Mit uns wird es noch viel, viel schwerer. Das ist der Grundgedanke, der dahinter steht. Und die Wahrscheinlichkeit, dass es natürlich militärisch weiter eskaliert, die ist gegeben. Wir sehen das mit den vielen hybriden Angriffen. Wir sehen das in unserem Zustand. Wir sind nicht mehr im Frieden, wir sind aber auch nicht im Krieg. Und das ist so ein ganz gefährliches Gemisch aus: Wir wissen nicht genau, was sein wird. Wir wissen aber, wir müssen uns auf was vorbereiten, was hoffentlich auch nie eintreten wird. Und das ist natürlich auch ein schwieriger Zustand, um dann gewisse Vorbereitungsmaßnahmen auch zu treffen. Es kursieren ja auch verschiedene Jahreszahlen, 2029 immer wieder im Raum. Solche Jahreszahlen würde ich immer mit Vorsicht genießen. Was aber klar ist: Wir sollten uns vorbereiten, damit es nicht eintritt. Ja, das klingt plausibel. Die Vorbereitung auf einen Kriegsfall hat ja auch viel mit der Stimmung in der Bevölkerung zu tun. Also ich sag mal, ob die Menschen, ob die Wähler und Wählerinnen eine Politik unterstützen, die den Ernstfall auch wirklich ernst nimmt, sag ich mal. Was haben Sie denn für einen Eindruck? Wächst in Deutschland die Bereitschaft, sich mit so bedrückenden, beängstigenden Szenarien wie Krieg auseinanderzusetzen? Oder leben wir dann immer noch unter einer Art Käseglocke? Ich glaube, dass die Bereitschaft, sich mit diesen Fragestellungen, auch mit den sicherheitspolitischen Situationen, in denen wir ausgesetzt sind, dass diese Bereitschaft wächst. Ich glaube, dass es aber immer noch einen großen Anteil von Verunsicherung und Angst gibt. Und da war auch uns ein Anliegen zu sagen: Wir müssen uns viel intensiver mit dieser sicherheitspolitischen Lage beschäftigen, damit wir weniger Angst, weniger Verunsicherung spüren. Deswegen zeigen wir auch auf, was schon gut läuft. Deswegen zeigen wir auch, wie stark unser Ehrenamt ist, wie stark die Solidarität ist, wie viele einzelne Experten und Expertinnen in Ministerien, in Thinktanks hart daran arbeiten, dass wir eben nicht solche Zustände erleben müssen in Deutschland, dass wir uns besser vorbereiten. Das soll eher quasi Hoffnung machen, aber auch das Bewusstsein stärken, dass jeder merkt: Oh, ich kann das Thema gar nicht von mir wegdrücken, weil wenn es wirklich eintreten sollte, habe ich eine ganz bestimmte Aufgabe, habe ich eine Rolle, die ich zu erfüllen habe. Dann vielleicht als letzte Frage, Herr Geringer, die obligatorische Frage danach, was der Einzelne, die Einzelne da tun kann. Also wenn ich dieses Szenarien ernst nehmen möchte und möchte vielleicht auch ein paar, wie soll ich sagen, Vorbereitungen, Vorkehrungen treffen, zum Beispiel für den mehrtägigen Stromausfall, nehme ich jetzt mal als Beispiel. Was mache ich denn da, wenn ich jetzt nicht direkt tief ins Prepper-Game einsteigen und mir noch einen Bunker im Garten graben will? Was würden Sie sagen, ist realistisch und angemessen? Absolut berechtigte Frage. Wir wollen nicht, dass wir eine Prepper-Nation werden in dem Sinne. Uns ist wichtig, dass man merkt, wenn man sich mit den verschiedenen Zuspitzungen im sicherheitspolitischen Bereich beschäftigt, was übrigens auch der erste Schritt wäre, wenn man sich damit auseinandersetzt und das Ganze nicht wegdrückt. Das Thema, glaube ich, dann verliert man schon mal ein bisschen auch Angst und Unsicherheit. Dann merkt man schnell, dass es eben diese Situationen sind, die Sie auch gerade angesprochen haben. Also was passiert, wenn das Wasser nicht mehr da ist oder der Strom vielleicht ausfällt? Und für diese Fälle lohnt es sich, einen Wasservorrat beispielsweise zu Hause zu haben, der so zehn Tage reicht. Zwei Liter pro Person pro Tag, sagt man da immer. Wenn es nicht ganz zehn Tage sind, ist auch nicht so schlimm. Aber ein bisschen Bargeld, ein Radio, weil es ganz, ganz wichtig ist, Informationen zu bekommen. Wenn der Strom beispielsweise ausfällt und ich dann irgendwie auch kein Internet mehr habe, weil die Mobilfunkmasten vielleicht nicht mehr funktionieren und der Router ausfällt, dann brauche ich Informationen. Und dann ist Radio eine sehr gesicherte Informationsquelle. Ich kann aber auch ein bisschen vorsorgen, indem ich eine Powerbank zu Hause habe, die immer geladen ist. Dann mache ich mir das Leben auch ein bisschen einfacher, was vielleicht dann doch, wenn das Handy funktioniert, das Handy angeht. Natürlich so ein bisschen auch medizinische Vorsorge, dass ich immer so einen kleinen Notvorrat an wichtigen Medikamenten habe, einen Gaskocher vielleicht noch, wenn es wirklich eine gewisse Vorbereitung sein soll, weil wir einfach davon ausgehen müssen. Und da würde jeder Einzelne von uns eine Riesenunterstützung sein für unsere Katastrophen- und Zivilschutzbehörden. Wenn wir selber ein bisschen vorbereitet sind, dann entlasten wir die Behörden mit quasi unseren Sorgen. Also dann haben die viel weniger damit zu tun, dass sie uns versorgen müssen, wenn wir sagen: Kümmert euch mal um die wichtigen Dinge. Ich habe meinen Vorrat vielleicht für die 72 Stunden, vielleicht auch idealerweise für 10 Tage zu Hause. Und wir versuchen, euch sogar noch weitergehend zu unterstützen. Oder wir unterstützen unsere Nachbarn oder sowas. Also das wäre so eine Grundüberlegung dahinter. Und noch ein weiterer Gedanke, der auch nicht ganz unwesentlich ist, ist vielleicht auch im Rahmen der Familie zu überlegen, wie gehen wir denn mit einer Krise um. Und es ist auch ganz, ganz wichtig, dass wir jetzt nicht nur mit einer Sicherheits- oder geopolitischen Krise konfrontiert sein können, sondern auch mit Naturkatastrophen, die vielleicht noch weiter zunehmen. Und da ist es wichtig, dass man in der Familie Absprachen trifft: Wo treffen wir uns denn, wenn irgendwas passiert? Wo treffen wir uns denn, wenn das Handy ausfällt? Wer holt denn die Kinder ab? Wie kommunizieren wir denn, wenn wir kein Handy haben? Gibt es vielleicht eine andere Möglichkeit? Wer kümmert sich um Haustiere? Also dass man auch Verantwortlichkeiten festlegt. Also das sind interessante Fragen, die vielleicht auch ein bisschen unangenehm innerhalb der Familie sind. Aber wenn man sowas mal besprochen hat und der Fall dann eintreten sollte, dann ist man ein bisschen besser vorbereitet und kann sich auf andere Dinge dann konzentrieren und ist nicht mit kleineren Fragen schon ein bisschen überfordert. Kriege, Krisen, Katastrophen – keine leichten Themen, die Ferdinand Geringer und Co-Autor Johannes Steger in ihrem Buch „Deutschland im Ernstfall“ behandeln, das im September bei Hoffmann und Campe erschienen ist. Aber, und das ist die gute Nachricht, wir müssen jetzt nicht in Panik ausbrechen, denn wir haben es selbst in der Hand, uns zu wappnen. Als Gesellschaft, die solche Themen nicht wegschiebt, und im privaten Rahmen. Einige Flaschen Wasser und eine geladene Powerbank auf Vorrat sind ja eigentlich immer eine gute Sache. Und damit war es das für diese Woche vom Forschungsquartett. Vielen Dank, dass ihr zugehört habt. Vielen Dank meinem Kollegen Johannes Schmitt, der das Interview und Skript übernommen hat und mit mir die Redaktion für diese Folge hatte. Und danke an Ferdinand Geringer für die sachliche Aufklärung. Mir hat es jetzt nicht direkt die Furcht vor einem Ernstfall genommen, aber es ist zumindest ein kleiner Weckruf für mich, solche Themen nicht einfach auszublenden, weil die sich nicht so gut anfühlen. Ja, und eine ernsthafte Auseinandersetzung damit, was in den nächsten Jahren auf uns zukommen könnte, das ist ja zumindest ein wichtiger erster Schritt. Nächste Woche hören wir uns wieder mit einem neuen Thema aus der Wissenschaft. Da wird es um ein interdisziplinäres Forschungsprojekt gehen, bei dem WissenschaftlerInnen aus Deutschland und aus Südafrika gemeinsam grünes Flüssiggas herstellen. Welches Problem sie damit lösen, das hört ihr nächsten Donnerstag. Mein Name ist Caroline Breitschädel. Ich würde mich freuen, wenn ihr wieder einschaltet. Und bis dahin macht’s gut! Das Forschungsquartett – Wissenschaft bei detektor.fm. Untertitel der Amara.org Community.