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Bild: Nazarii_Neshcherenskyi | Shutterstock.com

Geschichten aus der Mathematik | Henri Poincaré

Die Geburt der Chaostheorie

Henri Poincaré gewinnt 1889 einen Preis für seine Arbeit zum Dreikörperproblem. Doch dann stellt sich heraus: Sein Beitrag enthält Fehler. Der angesehene Mathematiker muss handeln, um seinen Ruf zu retten.

Henri Poincaré zwischen Ruhm und Furore

Am 21. Januar 1889 erhält der französische Mathematiker Henri Poincaré die vielleicht größte Ehre seines 34-jährigen Lebens: Seine Arbeit zum sogenannten Dreikörperproblem — ein jahrhundertealtes Mathematik-Problem, das die Himmelsmechanik betrifft — hat ihm gerade einen angesehenen Preis eingebracht, den der schwedische König anlässlich seines 60. Geburtstags ausgeschrieben hatte. Poincaré winken 2.500 Kronen Preisgeld, eine Goldmedaille und die Veröffentlichung seines Beitrags in der renommierten Fachzeitschrift Acta Mathematica.

Doch als ein Mitarbeiter der Acta Mathematica den Beitrag noch einmal Korrektur liest, entdeckt er Ungereimtheiten. Poincaré wird darum gebeten, seine Berechnungen selbst noch einmal zu prüfen — und stößt tatsächlich auf einen Fehler in seiner Beweisführung. So darf die Arbeit auf gar keinen Fall erscheinen! Doch wie Poincaré von Magnus Gösta Mittag-Leffler erfährt, einem befreundeten Mathematiker und Chefredakteur der Acta Mathematica, ist die Ausgabe bereits im Druck. Poincarés einzige Möglichkeit, einer Blamage zu entgehen: eine korrigierte Neuauflage der Fachzeitschrift aus eigener Tasche zu bezahlen. Er willigt ein. Und während er immer noch fieberhaft versucht, seine fehlerhaften Schlussfolgerungen zu berichtigen, macht er eine überraschende Entdeckung.

Es stellt sich heraus, dass eine klassische Lösung des Dreikörperproblems gar nicht existiert. Aber: Poincaré findet bei seinen erneuten Berechnungen etwas anderes, etwas komplett Neues heraus und fügt es seinem Paper hinzu.

Demian Nahuel Goos, Mathematiker

Demian Nahuel Goos, Mathematiker

Anstatt eine allgeimeingültige Lösung für das Dreikörperproblem zu finden, legt Poincaré den Grundstein für ein ganz neues Forschungsfeld: die Chaostheorie.

Vom Dreikörperproblem zur Chaostheorie

Wäre es möglich, das Dreikörperproblem allgemein zu lösen, könnte man den Bahnverlauf von drei Himmelskörpern exakt vorhersagen, die sich wegen der Gravitation gegenseitig anziehen. Doch auch Poincaré findet keine allgemeingültige Formel, um die Bewegungen der Körper zu berechnen. Allerdings kann er zeigen, dass selbst kleinste Veränderungen — etwa in der Position oder Geschwindigkeit der Körper — das gesamte System unvorhersehbar machen können. Und das, obwohl es Regeln wie den Naturgesetzen folgt.

Das Dreikörperproblem ist zwar chaotisch, aber die drei Massen unterliegen natürlich immer noch der Schwerkraft und folgen einer festgelegten Bahnkurve, die sich aus der gegenseitigen Anziehung ergibt.

Manon Bischoff, Mathe-Redakteurin bei Spektrum der Wissenschaft

Manon Bischoff, Mathe-Redakteurin bei Spektrum der Wissenschaft

Zwar folgen chaotische Systeme wie das des Dreikörperproblems festen Regeln, aber in der Praxis lässt sich ihr Verhalten langfristig nicht genau vorhersagen. Dieses physikalische Phänomen beeindruckte auch den chinesischen Schriftsteller Cixin Liu und er nahm es als Ausgangspunkt für seinen Science-Fiction-Roman „Die drei Sonnen“, der 2016 erstmals auf Deutsch erschien. Mit den beiden Fortsetzungen, auf Deutsch „Der dunkle Wald“ und „Jenseits der Zeit“, ist die Geschichte als „Trisolaris-Trilogie“ bekannt, die auch als Serie adaptiert wurde — 2024 erschien die erste Staffel von „3 Body Problem“.

Lernt man in der Serie und der Romanvorlage auch wirklich etwas über Mathematik? Wie genau hängen das Gravitationsgesetz von Newton, das Dreikörperproblem und die Chaosforschung zusammen? Und wieso hat sich Henri Poincaré eigentlich so verzettelt mit seinem Paper? Darüber sprechen detektor.fm-Moderatorin Karolin Breitschädel, Spektrum der Wissenschaft-Redakteurin Manon Bischoff und Mathematiker Demian Nahuel Goos in dieser Folge von „Geschichten aus der Mathematik“.

„Geschichten aus der Mathematik“ ist ein detektor.fm-Podcast in Kooperation mit Spektrum der Wissenschaft. Die Idee für diesen Podcast hat Demian Nahuel Goos am MIP.labor entwickelt, der Ideenwerkstatt für Wissenschaftsjournalismus zu Mathematik, Informatik und Physik an der Freien Universität Berlin, ermöglicht durch die Klaus Tschira Stiftung.

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