Wusstet ihr, dass wir heute mehr über die Rückseite des Mondes wissen, als über den Grund unserer Meere? Denkt man an die Tiefsee, dann kommen einem meist monsterähnliche Fische in den Sinn, eine unendliche Finsternis und ich muss zugeben, also so faszinierend ich das Meer als Lebensraum finde, die Vorstellung, tausend Meter in die Tiefe hinabzutauchen, die finde ich ziemlich gruselig. Zumal es Schätzungen gibt, dass fast 90 Prozent aller Arten, die dort leben, noch unentdeckt sind. Wir haben also wirklich keine Ahnung, was da unten noch so auf uns wartet. Aber gerade das ist natürlich auch ziemlich fantastisch. Die Tiefsee ist vermutlich die größte Schatzkammer noch unbekannten Lebens auf diesem Planeten. Ein guter Grund, heute einmal abzutauchen. Ich bin Jessi Jus, schön, dass ihr dabei seid. Detektor FM, zurück zum Thema. Die Tiefsee wird seit 150 Jahren erforscht. Und trotzdem weiß man ziemlich wenig über dieses gigantische Ökosystem. Das liegt unter anderem auch einfach daran, dass die Bedingungen, diesen Lebensraum zu erforschen, ziemlich extrem sind. So tief unter der Wasseroberfläche ist der Druck enorm hoch. Ihr könnt euch das so vorstellen: Er entspricht dem Gewicht von einem Kleinwagen auf einem Fingernagel. Außerdem ist es da unten eiskalt und auch stockfinster. Eine, die trotzdem schon mehrfach bis zu 3500 Meter tief getaucht ist, das ist Meeresforscherin Antje Boetius. Sie ist eine der weltweit führenden Expertinnen für Meeresbiologie und sie ist die Präsidentin des Monterey Bay Aquarium Research Institute in Kalifornien. Im Gespräch mit Katharina Menne und Carsten Könnecker von Spektrum der Wissenschaft erklärt Antje Boetius, was sie antreibt, sich zu solchen extremen Forschungsexpeditionen aufzumachen und warum dieser Bereich der Erde uns alle auch persönlich betrifft. Hier ein kleiner Zusammenschnitt aus unserem neuen Podcast „Die großen Fragen der Wissenschaft“. Was ist das denn für ein Gefühl, an Orte zu gelangen, die vielleicht noch kein Mensch zuvor gesehen hat? Also, es ist, glaube ich, so ähnlich, wie auch Astronauten beschreiben, dass, wenn man sich auf so eine Reise macht, auf so eine Expedition in unbekanntes Terrain, wo man als Mensch auch gar nicht leben könnte, wo man sofort merkt, man ist hier nur Gast für eine kurze Zeit, dass man dann sehr viel Respekt empfindet vor dieser unfassbaren Naturgewalt, die unsere Erde und das Universum antreibt. Und das macht mit einem was als Forscher und Forscherin. Man ist natürlich auch einfach erst mal nur neugierig. Man hat riesige Aufgabenzettel, was es alles zu erfüllen gibt, hat lange darauf gewartet, dass es so weit ist. Also ist auch sehr beschäftigt, dass alles klappt und nichts schiefgeht. Man muss ständig irgendwas frickeln, Computer aufschreiben, Protokoll führen, fotografieren. Und da muss man sich einerseits voll darauf konzentrieren, auf der anderen Seite will man dann nur sitzen und staunen. Und beide Empfindungen und beide Aufgaben sind halt da. Das Staunen ist schon, wie Alexander von Humboldt gesagt hat, ein sehr wichtiger Moment, sich mit dem Objekt der Forschung in Bezug zu setzen. Und Staunen und Empathie dafür zu empfinden, macht nach der Meinung von Alexander von Humboldt die Forschung besser. Und das finde ich eigentlich auch. Die Frage des Podcasts heißt ja heute: Was lauert in der Tiefsee? Wir könnten auch sagen: Was lauert alles so in der Tiefsee? Können wir vielleicht am Anfang mal sammeln? Also mir fällt ein: ewige Finsternis, Meeresungeheuer und Monster, Konflikte um Rohstoffe, Gefahren für das Erdklima, vielleicht unentdeckte Lebensformen. Haben wir da noch was vergessen, was da noch lauern könnte? Naja, das Fantastischste ist ja eigentlich die unglaubliche Dynamik der Geosphäre. Also, wenn man sich so eine Karte vom Meeresboden mal nimmt und sich die Platten anschaut, die Ozeanplatten, und dann zu den Rücken kommt und feststellt, dass ständig neuer Erdboden geboren wird in der Tiefsee und damit die Platten auseinanderweichen müssen und dann an den Rändern versinken unter den Kontinenten mit unglaublicher tektonischer Aktivität, Verschiebungen, Vulkanismus. Dann ist dieser ewige Kreislauf des Gesteins im Ozean das größte und spektakulärste eigentlich. Welche Auswirkungen hat das denn auf uns Menschen oder überhaupt natürlich dann auf die Erde, auf unser Klima? Wie können wir das merken? Also, man kann das kurzfristig und langfristig beantworten. Langfristig ist die Geschichte der Erde, neben dem Winkel, den Sonne und Erde zueinander annehmen, was dann zu Eiszeiten und Warmzeiten führt, ist eben diese Bewegung, diese tektonische Bewegung, die auch zur Verschiebung der Kontinente führt. Was der Namensgeber unseres Instituts, Alfred Wegener, zuerst beschrieben hat, ist das natürlich auch klimaprägend. Denn wir hatten zum Beispiel, ist der Atlantik ein sehr junges Meer und die Arktis auch. Durch verschiedene Verschiebungen schließen sich Meeresöffnungen und öffnen sich, und das verändert die Ozeanströmung und damit verändert sich auch das Klima auf sehr langen Zeitskalen. Auf kurzen Zeitskalen ist es der Wasserkörper, also 70 Prozent der Erde mit Wasser bedeckt, im Durchschnitt 3, 8 Kilometer tief. Und dieses Wasser nimmt die Wärme auf, die wir in der Atmosphäre erzeugen, durch Treibhausgase zum Beispiel. Und dann wird das Wasser wärmer. Und wenn das Wasser nicht eben 93 Prozent der Wärme aufnehmen würde und umverteilen würde, dann könnte es gar kein Leben auf der Erde geben. Das heißt, der Wasserkörper selbst ist eigentlich der Klima- bevor Macht das Klima der Erde. Und dann sind ja diese ganzen Verschiebungen wahrscheinlich auch dafür zuständig, dass man mal einen unterseeischen Vulkanausbruch zu Gesicht bekommt. Oder vielleicht haben ja auch die schwarzen Raucher, die Sie vielleicht mal ein bisschen erklären könnten, was damit zu tun. Die sind ja ganz besonders spannend. Ja, also es hat eine Weile gedauert, bis wir die Technologien hatten, um abzutauchen zu diesen Rückensystemen. Die sind zwar bei den ersten großen Tiefsee-Expeditionen vor circa 150 Jahren schon ansatzweise vermessen worden, also durch einzelne Lotungen haben die Forscher gemerkt, und die Seeleute, da ist was, da ist ja mehr, sind Gebirge, was ist das wohl? Aber bis man dann abtauchen konnte und Bilder hatte und dann festgestellt hat, es gibt Orte im Meer an diesen Rücken, wo kochend heißes Wasser rauskommt, hat es sehr lange gedauert. Und dann, als die ersten Tauchbilder entstanden sind bei den Galapagos-Inseln, war das erste Mal, dass man wirklich die Bilder davon hatte, wie dieses kochende Wasser da rauskommt aus so Schloten, wie es raucht und qualmt, schwarz, aber manchmal auch weiß und alles über und über besiedelt ist von riesigen Lebewesen, die man auch so nicht kannte. Da ist das Wissen entstanden, es gibt so eine Art zweite von der Photosynthese erstmal scheinbar unabhängige Welt, die in der Tiefsee lebt, wo die Tiere sich mithilfe von Bakterien von chemischer Energie wie Methan oder Schwefelwasserstoff oder Wasserstoff oder auch Eisen ernähren können. Und Sie erzählen das ja jetzt so plastisch. Sie haben das doch schon mal gesehen, oder? Erinnern Sie sich an den Moment, als Sie zum ersten Mal in die Tiefsee abgetaucht sind und all das wirklich leibhaftig zu Gesicht bekommen haben? Also, ich hatte ja Gott sei Dank viele Momente, und das sind alles verschiedene Lebensräume. Die Schlammvulkane, von denen wir anfangs kurz gesprochen haben, oder die schwarzen Raucher oder diese Gebirgsrücken und Seeberge. Die über mein Leben hinweg verteilt habe ich immer mal mehrere Jahre an einer dieser Lebensräume gearbeitet, und ich bin sehr stolz, dass es mir gelungen ist, die erste schwarze Raucherumwelt in der Arktis zu entdecken, die wirklich für Jahrzehnte nur geahnt war, aber nicht bewiesen. Kein Foto gab es davon. Und wir haben es geschafft, die ersten Fotos davon aufzunehmen. Und das war natürlich ein Spektakel, weil diese Region vor Grönland, wo wir die schwarzen Raucher zuerst entdeckt haben, ist immer noch eisbedeckt. Und da kann man nicht mit dem U-Boot abtauchen und auch nicht mit Robotern, weil es zu 100 Prozent mit Eis bedeckt ist. Haben wir uns da ganz spezielle Methoden ausgedacht und waren dann begeistert, dass die richtige Kombinationsgabe dazu geführt hat, dass wir auch dort diese aufregenden heißen schwarzen Raucher entdeckt haben. In welcher Meerestiefe war das dann? Das war sehr tief, also die sind dort bei vier Kilometer Wassertiefe und sind auch ganz besonders. Es wurde schon vermutet, dadurch, dass die Arktis kaum Tiefseezugang hat, also das arktische Zugang über die Framstraße so bei zwei, drei Kilometer Wassertiefe. Und dann hat es noch einen wesentlich flacheren Zugang auf der anderen Seite in den Pazifik, Tschutschki-See und Beerenstraße. Und man hat kaum Austausch mit den anderen Weltmeeren. Und deswegen war die Hypothese, dass wir auch nicht die typischen schwarzen Raucher-Lebewesen dort finden werden. Aber so ist es dann auch gekommen. Das konnte man vorher sagen. Dennoch waren diese schwarzen Raucher spektakulär und das ist jetzt mittlerweile ein ganzes riesiges Feld. Aurora heißt es und es sieht wirklich aus wie Erdschöpfung, also wie die ersten Momente der Erde, weil alles so roh und nackt ist und glüht. Und diese schwarz-rot-gelben Farben, die man sieht von den Ausfällen von Eisen und dem Niederschlag auch vom Schwefel. Und dann diese riesigen schwarzen Rauchwolken, das sieht einfach spektakulär aus. Oder auch, wie manche sagen, der Eingang zur Hölle. So sieht es aus. So könnte der Eingang zur Hölle aussehen. So beschreibt die Meeresforscherin Antje Boetius die schwarzen Raucher in der Arktis, die sie und ihr Team als erstes entdeckt haben. Wenn euch dieser Ausschnitt des Interviews neugierig gemacht hat und ihr mehr über die Forschung von Boetius in bis zu 4 Kilometer Wassertiefe erfahren möchtet, dann empfehle ich euch unseren neuen Podcast „Die großen Fragen der Wissenschaft“. Alle vier Wochen sprechen Katharina Menne und Carsten Könnecker von Spektrum der Wissenschaft mit Forschenden über die größten Rätsel überhaupt. Das Tolle dabei ist, die beiden nehmen sich wirklich so viel Zeit, dass auch Raum für Persönliches bleibt. Zum Beispiel, um zu klären, wie man eigentlich auf einer Tagesexpedition im U-Boot aufs Klo geht. Ich verlinke euch den Podcast und auch die Folge mit Antje Boetius in den Shownotes. Das war’s von mir für heute. Diese Folge hat Benjamin Serdani produziert und wir hören uns in einer Woche wieder. Ich bin Jessi Jus, macht’s gut, ciao. Detektor FM, zurück zum Thema.