Erzählungen – das Stiefkind des Literaturmarktes
Bookaholics kommen auf der Frankfurter Buchmesse auf ihre Kosten: Bücher soweit das Auge reicht. Doch Freunde der kurzen Formen müssen genauer hinschauen: Denn zwischen unzähligen Romanen stehen nur vereinzelt Erzählungsbände. Nur wer sich auskennt, findet auch den Weg zu den wenigen Verlagen, die regelmäßig Erzählungen veröffentlichen. Warum führt die Kurzprosa so ein Schattendasein in Deutschland?
Lukas Bärfuss ist seit 1997 offiziell als Schriftsteller tätig. Er schreibt zunächst vor allem für das Theater und arbeitet von 2009 bis 2013 als Dramaturg am Zürcher Schauspielhaus. 2005 gewinnt Bärfuss den Mühlheimer Dramatikerpreis für sein Stück „Bus“, das am Thalia Theater Hamburg uraufgeführt wird. Er veröffentlicht regelmäßig essayistische Texte in diversen Tageszeitungen. 2002 erscheint mit der Novelle „Die toten Männer“ sein Prosadebüt im Suhrkampverlag. Es folgen die Romane „Hundert Tage“, „Koala“ und „Hagard“, für die er zahlreiche Preise wie zum Beispiel den Schweizer Buchpreis gewinnt. 2019 wird er mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet. Pünktlich zu diesem Anlass hat er in „Malinois“ seine bisherigen Erzählungen versammelt.
Für mich waren Erzählungen auch immer die Möglichkeit, Dinge auszuprobieren, bevor ich sie in die große Form brachte. Deswegen ist es auch so ein Experimentiergelände, ein bisschen wie ein Laboratorium. Ich finde auch, dass es eine gute Form ist, weil viele Romane, die ich lese, könnte man um ein Viertel oder Drittel kürzen. – Lukas Bärfuss
Die unsichtbaren Räume der Erzählungen
Auf unsere Ausgangsfrage kann es allerdings keine klare Antwort geben. Die Erklärung aus der Sicht des Marktes ist, dass die Leser eigentlich kein Interesse an Erzählungen haben. Der Roman biete einfach mehr, meint der Kritiker Hubert Winkels, mehr Welterklärung und mehr Weltflucht. Auf der anderen Seite meint Kathrin Jira, Chefredakteurin der Literaturzeitschrift Edit, dass die Erzählung besser beim Publikum ankommen würde, wenn sie mehr Platz auf dem Literaturmarkt hätte.
Doch möglicherweise täuscht der Eindruck. Auf der Messe ist die Kurzprosa vielleicht kaum präsent, doch es entstehen zahlreiche Erzählungen. Angehende Schriftsteller*innen experimentieren erst mal mit kurzen Formen. Inzwischen gibt es auch neben dem Erzählungsband und den Literaturzeitschriften noch weitere Foren für Erzählungen. So bietet das Internet viel Raum: Stefanie Sargnagel, 2016 zu den Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt eingeladen, macht mit literarischen Facebook-Posts auf sich aufmerksam. Der Verlag Voland und Quist hat die App „A Story A Day“ gestartet, die allerdings wieder eingestellt wurde. Analog profitiert die Kurzprosa von der Eventisierung der Literatur und findet sich bei Lesebühnen und Poetry Slams.
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