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Andrew Davie und Kevin Jones von Bear’s Den könnten ohne Musik nicht leben. Foto: Caroline
Andrew Davie und Kevin Jones von Bear’s Den könnten ohne Musik nicht leben. Foto: Caroline

Album der Woche: Bear’s Den – Red Earth & Pouring Rain

Gefühlsbetont und bunt

Für die Londoner Band Bear’s Den ist Musikmachen eine regelrechte Obsession. Das glaubt man auch sofort, wenn man ihr neues Album hört. „Red Earth & Pouring Rain“ ist eine leidenschaftliche, große Platte: eine echte Herzensangelegenheit für Bear’s Den.

Das Leben in einer Band hat seinen eigenen Rhythmus: Erst kommt die Platte, dann die Tour, dann die nächste Platte. Je dichter dieser Kreis gezogen ist, desto stressiger kann es sich anfühlen. Auch der Terminkalender von Andrew Davie und Kevin Jones, der Doppelspitze von Bear’s Den, war in den letzten drei Jahren dicht gepackt mit Konzertterminen und wenig Freiraum, sich Gedanken über neue Songs zu machen. Vom Gefühl her sei Album Nummer zwei, „Red Earth & Pouring Rain“, also durchaus eine Tour-Platte. Das jedenfalls hört man gleich als erstes von „Davie“ und „Kev“, wie sich die beiden gegenseitig nennen.

Auf Tour zu sein hat was Romantisches, zumindest theoretisch und manchmal sogar praktisch. Die Kombination aus Musik und der vorbeiziehenden Landschaft, das passt gut zusammen. Dieses nostalgische Gefühl wollten wir ausloten – den Eindruck, sich vorwärtszubewegen, und gleichzeitig sehr genau im Blick zu behalten, wovon man sich eigentlich wegbewegt.

Einer weniger, aber derselbe Ansatz

Das Unterwegssein und die ständige Veränderung dessen, was sich draußen abspielt, ist für Bear’s Den ein passender Spiegel für das, was zeitgleich im persönlichen Leben, aber auch innerhalb der Band, passiert. Die Marathon-Tour nach ihrem Debüt „Islands“ war für Gitarrist und Gründungsmitglied Joey Haynes irgendwann zu viel und er stieg aus. Für Davie und Kev hieß das buchstäblich, sich neu aufzustellen – mental und im Proberaum – und das nächste Album erstmal zu zweit anzugehen.

Im Studio gab es tatkräftige Unterstützung von den Live-Musikern, mit denen Bear‘s Den auch schon die Tour bestritten hatten. Insofern hat der personelle Umbau am Sound gar nicht so viel verändert. „Red Earth & Pouring Rain“ bringt ein bisschen mehr Synthesizer mit, mehr E-Gitarre – aber auch immer noch alles, was den folkigen Kern von Bear’s Den ausmacht. Wer die Band wegen ihres Hangs zum Banjo-Zupfen mag und auch alle Freunde der akustischen Gitarre kommen nach wie vor auf ihre Kosten, versichert Bear’s Den-Sänger Davie.

Es ist anders, aber letztlich kommen alle Songs aus der selben Richtung. Wir haben die wichtigsten Elemente behalten und erweitert. Das Ganze klingt also vielleicht ein bisschen farbenfroher diesmal.

Auld Wives (Official Video) – Bear’s Den

Farbenfroher und fetter Sound

Ein bisschen bunter also, und definitiv ein bisschen fetter, klingt der neue Bear’s Den-Sound. Es sind dann immer noch die Melodien, die alles zusammenhalten – und die Texte, die auch auf „Red Earth & Pouring Rain“ einen voyeuristischen Blick in Andrew Davies Gefühlsleben erlauben. Diese fast schmerzhafte Offenheit in den Songs ist ein Punkt, der Davie durchaus auch mal in Zweifel stürzt an dem, was er tut.

Ich versuche immer etwas zu schreiben, das mich selbst berührt. Dabei ist Zweifel ganz gesund, wenn man etwas Kreatives schaffen will. Du fragst dich immer, ist das überhaupt gut, fühlt es sich echt an und wahr? Egal wie klischeehaft sich da anhört, es ist gut, sich diese Fragen zu stellen. Einfach um sicher zu gehen, dass jeder Song wirklich authentisch ist.

Oldschool statt Pastell-Pop

Die Texte sind nicht immer leichter Stoff. Wenn man richtig hinhört, kann das auch schon mal weh tun. Aber die beiden Bear’s Den-Köpfe gehören zu den Menschen, die wissen, dass sich aus unschönen Erfahrungen immer noch etwas Gutes machen lässt – und genau das tun sie. Das Album wirkt trotzdem keine Sekunde lang deprimierend. Schließlich ist die Übersetzung von Schmerz in Songs gefiltert und codiert. Vermutlich funktioniert das Ganze genau deswegen so gut als Playlist-Therapie für die Band und die, die zuhören.

Bei Bear’s Den gibt’s jedenfalls keinen gefälligen Pastell-Pop, sondern Substanz für Kopf und Herz. Nicht nur der Sound ist old school, auch das Selbstverständnis als Musiker und Songschreiber, sagt Schlagzeuger Kev.

Mittlerweile ist Musik fast zum Wegwerfprodukt geworden, man kann sie so schnell konsumieren. Insofern sind wir old school, weil wir etwas schaffen wollen, in das man eintauchen kann und auch noch eine ganze Weile drin herumschwimmen. Etwas, wo man zuhört und darüber nachdenkt. Aber andererseits hoffe ich schon, dass wir bei den Kids was reißen können…

Musik als notwendiger Reflex

Mit der Rolle als Trendsetter bei den Kids wird das vielleicht nichts mehr, aber wenn es um ehrliches und emotional gereiftes Songschreiben geht, räumen Bear’s Den alle erreichbaren Punkte mit Leichtigkeit ab. Und dass die beiden nichts lieber machen würden, als dieses Band-Ding, nimmt man ihnen sofort ab. „Für uns ist Musikmachen wie atmen“, sagt Davie. „Wir haben da gar keine Wahl.“

Wir lieben Musik – es gibt einfach nichts Schöneres. Die Frage, warum wir Musik machen stellt sich uns gar nicht, das ist wie Atmen. Da hast du auch keine Wahl. Es ist das, was wir machen und wir sind gut darin. Musik berührt uns ja auch selbst, es ist so eine wundervolle Sache. Sich vorzustellen, dass wir etwas schreiben, was andere Menschen genauso berührt – das ist einfach irrsinnig cool.

„Red Earth & Pouring Rain“ ist auf jeden Fall eins dieser Alben, die etwas absurd Großartiges schaffen: Eine Platte, die Wunden aufreißt, aber das Pflaster für die Seele gleich mitliefert. Was Besseres gibt’s tatsächlich nicht. Danke, Bear’s Den.

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