Folkpop und das Singer-Songwriter-Genre haben in den letzten Jahren eine wahre Renaissance erlebt. Bands wie Mumford & Sons, Noah and the Whale und Musiker wie Bon Iver und William Fitzsimmons müssen schon lange kein Nischendasein mehr fristen. Einer, der aus dieser Vielzahl von aufstrebenden Singer-Songwritern heraussticht, ist Ben Howard. Ein 23-jähriger Surfer aus Südengland, der kurz vor Abschluss seines Journalismus-Studiums alles hingeschmissen hat, um fortan als Vollzeitmusiker unterwegs zu sein. Dass er damit alles richtig gemacht hat, beweisen eine ausverkaufte UK-Tour, die noch anstehende Europa- und US-Tour sowie ein Plattenvertrag mit einem Major-Label.
Auf Island Records ist Ben Howard in guter Gesellschaft: Songwriter-Größen wie Nick Drake und John Martyn waren dort unter Vertrag. Neben Bob Dylan und Van Morrison waren sie der Soundtrack seiner Kindheit und erklären so Howards Leidenschaft für die Gitarre. Ben Howard liebt seine Gitarre und zögert nicht, sie auch mal als Percussion-Instrument einzusetzen. Scheinbar mühelos beherrscht er alle Techniken, die es auf einer Gitarre so gibt. Und wenn er mit neuen Techniken rumexperimentiert, wirkt er wie ein kleiner Junge vor seinem neuen Chemiebaukasten.
Ein weiterer Grund dafür, warum Ben Howard nicht als „noch-so-ein-Singer-Songwriter-Typ“ durchgeht, sind seine Mitmusiker India Bourne und Chris Bond. Beide sind ebenso leidenschaftliche Musiker wie Howard selbst und geben mit ihrem musikalischen Zutun Every Kingdom etwas Erfrischendes, was ein reines Gitarrenalbum beim besten Willen nicht hätte bieten können. Chris Bond bleibt mit Bass und Schlagzeug angenehm im Hintergrund. India Bourne sorgt mit eingestreuten Celloeinlagen für das Gewisse Extra und bildet mit ihrem hellen Gesang in Songs wie Old Pine und Everything die perfekte Ergänzung zu Howards teilweise rauhen Stimme.
Ben Howard beschäftigt sich auf seinem Debütalbum mit den Themen, denen sich Singer-Songwriter eben so widmen: dem Ende einer Liebe oder das Ringen mit den Widrigkeiten des Lebens. Das Schöne an Ben Howard ist aber, dass er zwar von Schmerz, Trauer und Angst singt, dabei aber nie weinerlich oder dramatisch klingt. Es gibt keine zerstörerische Traurigkeit, wie man sie von Elliott Smith kennt. Die Musik von Ben Howard ist deswegen aber nicht weniger intensiv. So verliert er in The Wolves den Glauben an die Macht der Liebe, um dann in Everything nüchtern festzustellen, dass jede Liebe endet und jeder König weiß, dass auch sein Königreich irgendwann enden muss.
Auf Every Kingdom ist nichts übertrieben, kein Ton zu viel und nach ausufernden Liebeskummerhymnen wird man auf Ben Howards Debütalbum vergeblich suchen. Er beherrscht das Understatement, wie wahrscheinlich nur Briten es können und begeistert deshalb umso mehr mit seinem genialen Können an der Gitarre und einer Stimme, die auch nach mehrmaligem Hören nichts von ihrer Intensität verliert. Und wer mit 23 schon so viel Klarheit in seine Musik und Texte bringt, von dem darf man auch in Zukunft noch sehr viel erwarten.