Zuerst war da dieses Video. Wie durch ein Nachtsichtgerät irrt die Kamera durch einen Wald, bis sie auf eine geheimnisvolle Gestalt trifft, die einen intensiven wie berührenden Song anstimmt.
Die Gestalt ist Eva Milner, eine Hälfte des Hamburger Duos Hundreds; der Song heißt „I Love My Harbour“ – was seinen guten Grund hat, wie Eva berichtet.
Mir ist der Hafen ein großer treuer Freund. Ich fahr‘ da ganz oft hin, wenn ich Platz zum Denken brauche.
Was aus Jux mit Auftritten bei Familienfeiern begann, hat nun Form angenommen. Mit ihrem 6 Jahre älteren Bruder Philipp hat Eva eine Band gegründet. Damals hatte sie das Glück, von ihrem großen Bruder musikalisch erzogen zu werden. Während die Anderen auf dem Schulhof noch Roxette hörten, konnte Eva schon ganz andere Kaliber auffahren.
Philipp hat mir Björk gebracht, da war ich 13 und damit hätte ich auf dem Pausenhof auf jeden Fall keinen Blumentopf gewonnen.
Zu den CDs von Björk gesellen sich später die von Radiohead und The Notwist – eine beneidenswerte musikalische Sozialisation. Neben seinem Gespür für gute Musik hatte Philipp auch mit seinem musikalischen Können eine Art Vorbild-Funktion für die kleine Schwester. Mittlerweile ist er diplomierter Jazz-Pianist und für Synthesizer hat er eine Sammlerleidenschaft, wie sie andere nur für Autos haben.
„Philipp könnte Orchester-Partituren schreiben“, sagt Eva. So richtig zu Hause fühlt er sich jedoch erst jetzt, bei Hundreds. Zusammen mit seiner Schwester tüftelt er an Song-Ideen, die zunächst ganz organisch mit Klavier und Stimme entstehen. Später rollt Phillip mit seinem Synthie-Fuhrpark über das Grundgerüst, dazu kommen mal pluckernde, mal stampfende Beats. Bis so ein Hundreds-Song richtig fertig ist, schlagen sich die beiden schon mal am Laptop die Nächte um die Ohren.
Es darf sich nicht total nach Kunst anhören. Es muss schweben, atmen und etwas erzählen. Das so zu produzieren war ein harter Kampf.
Und dieser Kampf hat sich gelohnt. Ihr Debütalbum vereinnahmt vom ersten Song an, in dem Eva den mutigen ersten Schritt macht und den Hörer mit in ihre Welt nimmt: This is where I sleep / I wanna show you around. Bei Hundreds trifft die große Geste auf verspielte Soundtüfteleien. Kleinteilige Stimm-Loops und luftige Klicks und Klacks verdichten sich zu einer warmen Sounddecke, die sich wie im Fiebertraum über einen legt und ganz einhüllt. Was bei anderen Bands Jahre dauert, wurde Hundreds gewissermaßen in die Wiege gelegt: Eine funktionierende Bandchemie, also das Kommunizieren ohne Worte, gab es bei Eva und Philipp dank Familien-Bonus von Beginn an.
Die Chance sich so zu prügeln wie wir es früher gemacht haben, haben die wenigsten Bands.
Hat man Hundreds einmal live gesehen, weiß man wovon da die Rede ist. Im Konzert entfaltet sich das Magische der Bruder-Schwester-Harmonie vollkommen und zieht das Publikum in seinen Bann. Und dann verschwimmt auf der Bühne wieder alles zu dieser nächtlichen Wald-Szenerie und jener Gestalt, die mit ihrer Art Seefahrer-Romantik vom Hafen, von Leuchttürmen und dem Meer singt.
Das komplette Interview mit Eva Milner von Hundreds gibt es hier noch mal zum Nachhören: