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José González sieht freundlich aus, will mit seinen Texten aber den Finger in die Wunde legen. Foto: Malin Johansson
José González sieht freundlich aus, will mit seinen Texten aber den Finger in die Wunde legen. Foto: Malin Johansson

Album der Woche: José González – Vestiges & Claws

Der Vernünftige

José González macht leisen Singer/Songwriter-Folk, der zwar harmlos klingt, es aber faustdick hinter den Ohren hat. Jetzt erscheint sein drittes Album „Vestiges & Claws“. Wir haben mit José González über angenehme Musik und unangenehme Texte gesprochen.

The Extraordinary Ordinary Life of José González, also das außergewöhnlich gewöhnliche Leben des José González heißt ein Dokumentarfilm aus dem Jahr 2011. Er zeigt in langen, ruhigen Einstellungen den Musiker José González beim Frühstücken, Songs schreiben oder wie ihm im Flugzeug beim Einschlafen immer wieder der Kopf zur Seite fällt. Das ist so unspektakulär wie es klingt und trotzdem spannend. Gleiches gilt auch für die Musik von González. Sparsame Melodien, eine gekonnt gezupfte Gitarre und eine sanfte Stimme – mehr ist es meistens nicht. Aber Gonzalez kreiert aus diesen wenigen Zutaten wunderschöne schimmernde Songperlen.

Abschluss einer Trilogie

José González ist ein freundlicher, unaufgeregter Mensch. Er wuchs als Sohn argentinischer Einwanderer im schwedischen Göteborg auf. Bei einem Privatlehrer lernte er klassische Gitarre und spielt bis heute ausschließlich mit seinen Fingern, ohne Plektrum. 2003 erschien sein erstes Album als Solokünstler. Vestiges & Claws ist sein drittes und damit wird eine Art Trilogie abgeschlossen, sagt er.

Das ist das dritte Album mit Akustikgitarre, Percussion und Gesang. Es hätte auch elektronische Musik sein können, aber ich habe mich entschieden, im selben Genre zu bleiben. Wenn man die Alben gemeinsam betrachtet, findet man ähnliche Themen und Sounds. Sie gehören deshalb schon zusammen, aber es ist jetzt nicht wie die Starwars Trilogie.

Erst Wissenschaftler, dann Musiker

Ursprünglich wollte José González in der Forschung Karriere machen und studierte Biochemie. Als aber das Interesse an seiner Musik immer mehr wuchs, brach er das Studium ab. Sein wissenschaftlicher Hintergrund ist in seiner Musik immer noch allgegenwärtig. Das fängt schon beim Albumtitel Vestiges & Claws an.

Es ist ein ziemlicher Zungenbrecher, aber ich wollte einen Titel, der eine Bedeutung hat. Bei meinem ersten Album „Veneer“ hat das gut geklappt, da hat der Titel den Kern der Songs ausgedrückt. Bei „Vestiges & Claws“ ist das ähnlich. Ein „vestige“ ist ein Überbleibsel. Etwas das über lange Zeit gleich geblieben ist, aber seine Funktion verloren hat. Wie zum Beispiel Teile unseres Skeletts oder in der Kultur bestimmte Rituale.

Kritik an Religion und Aberglauben

González kritisiert in seinen Songs Religion und Aberglauben. Er ruft dazu auf, den eigenen Verstand zu benutzen und sich von Vernunft leiten zu lassen. Man könnte meinen, er hat einen pädagogischen Auftrag. Aber eigentlich ist er nur frustriert darüber, dass viele Menschen so irrational sind, erzählt er.

Es gibt schon diesen Ansatz, aber das kommt eher aus einer Frustration meinerseits. Die meisten Leute haben ihre Erfahrungen und da kann man schlecht sagen, das ist aber falsch. Es gibt vielleicht Gründe, und man könnte Erklärungen finden, aber die Erfahrung an sich ist ja nicht falsch. Wenn ich also Wörter wie „Wahrheit“, „Vernunft“ oder so benutze, bin ich mir bewusst, dass das problematisch ist. Aber für mich ist das eine Art von Punksein, weil meine Musik und die Art wie ich singe, ja sehr harmlos klingen. Dafür lege ich mit den Texten den Finger in die Wunde. Ich mag diesen Aspekt meiner Musik.

Kein gehobener Zeigefinger

Dank der luftig-leichten Melodien und seinem immer etwas schläfrig wirkenden Gesang klingt das ganze zum Glück nie nach erhobenem Zeigefinger. Und José Gonzaléz ist auch nicht nur der skeptische Grübler, er lässt auch Gefühle in seinen Songs zu.

Ich mag auch Texte, die Emotionen hervorrufen, aber ich komme mir seltsam vor, wenn ich über sehr persönliche Dinge singe. Ich hab ja immer gesagt, dass ich nicht möchte, dass meine Musik eine Therapie für mich ist. Aber wenn sie für jemanden anderen eine Therapie ist, finde ich das gut. Ich mag alte Soulsongs mit ihrem dramatischen Gesang, der direkt aus dem Herzen kommt. Das kann ich aber nicht. Das fühlt sich für mich an wie übertriebenes Theater. Ich bin einfach nicht der Typ dafür.

Das Besondere im Gewöhnlichen

Ein melodramatischer Typ ist José González wirklich nicht. Seine Songs berühren trotzdem oder vielleicht gerade deshalb. Seine unaufgeregte Musik passt einfach sehr gut zum Leben der meisten Menschen. Wer erlebt schon in seinem Alltag ständig Drama und Extreme. Oftmals reihen sich da eher unspektakuläre Momente aneinander wie Frühstücken, Arbeiten und Schlafen. Aber gerade das Gewöhnliche kann auch spannend sein, wie José González mit seiner Musik beweist.

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