Die USA sind gemeinhin als Autofahrernation berühmt, es gibt unzählige Bücher und Songs über Highways, Motels und Autos. Dass man in Nordamerika aber auch heute noch wunderbar mit dem Zug fahren kann, ist weniger bekannt. Und diese Züge tragen sehr klangvolle Namen wie Orange Blossom Special, California Zephyr oder Empire Builder. So hat Laura Gibson auch ihr neues Album genannt, denn mit dem Empire Builder hat sie die erste Hälfte der Strecke zurückgelegt, als sie im Spätsommer 2014 von Portland nach New York City gezogen ist. Umziehen mit dem Zug, ist das nicht ein bisschen umständlich?
Ich bin die Strecke mehrmals gefahren und hatte immer einen Koffer dabei. Ich wollte das schon lange mal machen und auch die Entfernung richtig verstehen und erleben. Es gibt lange Abschnitte, wo man keinen Handyempfang hat und manchmal hatte ich Schwierigkeiten zu schlafen. Dann bin ich aufgewacht und wir waren gerade im Nirgendwo, draußen konnte man nur endlose Ölfelder erkennen. Dann wird man sich seines Alleinseins sehr bewusst. Aber ich habe mich natürlich auch mit Leuten unterhalten. Viele Leute nehmen den Zug, weil sie Angst vorm Fliegen haben, es gab also viele Gespräche über Flugangst.
Die Reise mit dem Empire Builder schlägt sich auch musikalisch auf dem Album nieder. Im Titeltrack zum Beispiel erinnert ein meditativer Percussionbeat an das Geräusch eines fahrenden Zuges.
Umbrüche und Veränderungen
Die ersten Monate in New York waren für Laura Gibson nicht gerade einfach, erst brach sie sich den Fuß und wenig später wurde ihr Apartment durch eine Gasexplosion zerstört. Ihre Freunde überzeugten sie, danach so schnell wie möglich mit der Musik weiterzumachen und das tat sie.
Die Notizbücher, in die ich alle meine Texte schreibe, sind in dem Feuer verbrannt. Ich konnte mich aber an vieles erinnern, weil ich immer sehr intensiv an den Texten arbeite. Ich hab dann eines Morgens alles aufgeschrieben, woran ich mich erinnerte. Einiges musste ich neu schreiben. Aber ich denke, dass die besten Stellen geblieben sind und das, was ich neu schreiben musste, jetzt auch besser ist als vorher.
Die Platte fertigzustellen war für Gibson ein wichtiger Schritt auf dem Weg, ihr Leben wieder zusammenzusetzen. Die Musik ist rau und fokussiert und zeigt Gibson in einer Zeit der Umbrüche und Veränderungen. Den Umzug, die Explosion und auch das Auseinanderbrechen einer langjährigen Beziehung, das alles verarbeitet sie in ihren Songs.
Die Songs sind sehr persönlich. Ich wollte etwas Wahrhaftiges schreiben, das war schwierig, denn lange wusste ich nicht, was dieses Wahrhaftige sein könnte. Wenn ich Songs wie „Empire Builder“ oder „Damn Sure“ spiele, dann fühle ich mich sehr verwundbar. Darin geht es um das Ende einer langjährigen Beziehung. Vor allem wenn ich sie in Portland spiele, vor Leuten die mich gut kennen, muss ich mit den Tränen kämpfen. Sie werden für mich wohl immer so emotional aufgeladen bleiben, auch nachdem ich sie hundertmal gespielt habe.
Pizza gegen Kaffee getauscht
Aufgenommen hat Laura Gibson die Stücke in ihrer Heimat Oregon. Dabei haben sie viele Musikerkollegen tatkräftig unterstützt, unter anderem Dave Depper von Death Cab For Cutie und Peter Broderick.
Ich hatte wirklich Glück und konnte das Album mit guten Freunden aufnehmen. Peter Broderick zum Beispiel, er spielt alle Streichinstrumente und hat die Arrangements geschrieben. Ich kenne Peter schon ewig. Als ich nach Portland gezogen bin, hab ich einige Zeit in einem Café gearbeitet und er gegenüber in einer Pizzeria. Wir haben immer getauscht: kostenloser Kaffee gegen Pizza. Als ich mein erstes Album aufgenommen habe, hat der Produzent gesagt, er kenne jemanden, der Geige spielt. Und dann steht da plötzlich Peter, dem ich monatelang Kaffee geschenkt hatte. Was für ein Zufall!
Die Herausforderungen der letzten Jahre haben Laura Gibson nicht nur als Menschen, sondern auch als Musikerin wachsen lassen. Ihre Songs klingen mutiger und selbstbewusster. Besonders gut funktioniert Empire Builder übrigens wenn man Städte, Bäume und Felder durch ein Zugfenster an sich vorbeirasen sieht. Zur Not geht aber auch ein Autofenster.