Das Album der Woche wird präsentiert von Dockin. Promo-Code: detektor10
Eine große Popmusikerin wollte die Sängerin Tirzah noch nie werden. Die Londonerin trifft sich lieber mit ihrer Freundin Mica Levi und macht mit ihr Musik ganz nebenbei. Denn mit großer medialer Aufmerksamkeit kann sie so wie so nichts anfangen. Selbst dann nicht, als 2013 nach ihrer ersten EP „I’m not dancing“ die Londoner Dance-Pop-Szene begeistert ist. Stattdessen geht sie alles etwas langsamer an. Ganze fünf Jahre später erst erscheint mit „Devotion“ der erste Longplayer von Tirzah.
Wir haben uns getroffen und einfach Musik gemacht. Manchmal hat Mica dann auch ihre Sachen gemacht und ich meine. Da war erst die Arbeit, dann kam die Musik. – Tirzah
Gegen die Erwartung
Mit der damals noch poppigen EP hat das Album fünf Jahre später recht wenig zu tun. Dabei sind die Spuren des Grimes, mit dem Tirzah aufwächst, nicht zu überhören: Ein Loop hier, ein Beat da, Elektro-Einflüsse überall. Doch anders als noch vor fünf Jahren klingt Tirzahs Musik auf einmal nicht mehr so poppig. Im Gegenteil: auf „Devotion“ wird es ruhig und intim. Damit könnte sie die Erwartungen im ersten Moment enttäuschen, nur um sie im Zweiten zu übertreffen.
VHS-Ästhetik
Tirzah singt über Liebe, Leidenschaft und Hingabe. Dabei verzichtet sie auf für den Pop so übliche und überspielte Klischees und Phrasen. Stattdessen blickt sie wie im Musikvideo für ihre erste Single „Gladly“ durch einen alten VHS-Camcorder auf ihre intimsten Momente. Diese Ästhetik breitet sich wie ein körniger Instagram-Filter auf dem ganzen Album aus. Das liegt auch an Produzenten Mica Levi. Sie verleiht dem Album mal durch flächige Synthies, mal durch verwaschene Sounds ein authentisches Retro-Gefühl mit Tiefe.
Als ob niemand zuhört
Dazu passt Tirzahs Storytelling. Bei ihr ist jeder Song wie eine Momentaufnahme, in der jemand den alten Camcorder einfach drauf hält. Aus dem T-Shirt-Spruch „Dancing like nobody’s watching“ wird dabei ein „Singing like nobody’s listening“. So entstehen Balladen, wie der fast schon geflüsterte Song „Affection“ oder der Titeltrack „Devotion“. In „Holding on“ gibt es dafür einen fast schon Dancefloor-tauglichen Moment, in dem sich Tirzah vor ihren Selbstzweifeln flüchtet, während auf „Guilty“ eine Overdrive-Gitarre dröhnt. So reihen sich die Songs vielfältig aneinander wie die Aufnahmen auf einer Videokassette. Am Ende kann man nur dankbar sein, dass die Kamera all die Jahre mitgelaufen ist.