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Fenne Lily // Foto: Nicole Loucaides
Fenne Lily // Foto: Nicole Loucaides

Keine Angst vor Hits

Slow-Cooking und Afro-Horror

Giant Rooks debütieren mit „Rookery“ auf Albumlänge, Fenny Lily geht fast in Tomatensuppe unter und Clipping rufen mit düsteren Bässen den Candyman herbei. Diese und andere Neuerscheinungen hört ihr in dieser Woche in „Keine Angst vor Hits“.

Neue Alben

Giant Rooks – Rookery

Dass Giant Rooks gerade erst ihr Debut-Album veröffentlicht haben, dürfte für viele überraschend sein: Die preisgekrönte Indie-Band aus Hamm ist seit einigen Jahren nicht nur Indie-Fans ein Begriff, dank eingängigen und radiotauglichen Songs. Giant Rooks bezeichnen sich selbst als Perfektionisten – und das hört man ihren Sogs an. Die geraten zwar manchmal etwas zu glatt geschliffen, treffen aber oft genug ins musikalische Schwarze, wie zum Beispiel „Very Soon You’ll See“ von ihrem neuen Album.

Angel Olsen – Whole New Mess

Imperfektion war hingegen das erklärte Ziel der US-amerikanischen Poprock-/Indiesängerin Angel Olsen: „Whole New Mess“ ist eine Neuinterpretation ihres letzten Albums  mit bescheidenen Mitteln. „All Mirrors“ (2019) war aufwendig produziert, unbestritten großes Kino – „Whole New Mess“ ist gewissermaßen die Arthouse-Variante dazu. Am deutlichsten wird das wohl in „We are all Mirrors“, der Neuinterpretation des alten Titeltracks.

Kelly Lee Owens – Inner Song

Kelly Lee Owens produziert elektronische Musik mit Singer-Songwriter-Attitüde. Drei Jahre nach ihrem Debütalbum hat sie nun den Nachfolger „Inner Song“ veröffentlicht, eine sanfte und intime Traumreise in ihr Innerstes, gebettet auf elektronischen Klängen. Ihre Produktionsweise ist wie Slow-Cooking, nur eben mit elektronischer Musik: Von Gesang bis Synthie bekommt jede Zutat reichlich Zeit, ihr Aroma in geduldigen Arrangements zu entfalten. Das zeigt sich am besten an dem Song „Wake Up“, dem sanften Finale des Albums.

Neu auf der Playlist

Clipping – Say the Name

Clipping sind ein experimentelles Hip-Hop-Trio aus Los Angeles. Rapper Daveed Diggs und die beiden Produzenten William Hutson und Jonathan Snipes haben vor etwa 10 Jahren als Remix-Projekt angefangen. Das ist eigentlich erst zur Selbstbespaßung in College-Zeiten gedacht, wächst aber schnell zum ambitionierten Projekt. Ihr Musik hat oft den Charakter einer Erzählung. Schon das Album aus 2017 “Splendor & Misery” war für den prestigeträchtigen Science-Fiction-Preis Hugo Award nominiert – als erster musikalischer Beitrag seit über 40 Jahren. Nach der afrofuturistischen Weltraumgeschichte in Albumform verarbeiten Clipping nun mit “Say the Name” den Horrorfilm Candyman. In dem erweckt eine Studentin den Rachegeist eines schwarzen Sklaven, der wegen eines Verhältnisses zu einer weißen jungen Frau gelyncht wurde. Und das ist – trotz reinem Lyrics-Video – fucking düster und atmosphärisch wahnsinnig dicht.

Fenne Lily – Solipsism

Ein alter Philosophen-Witz lautet: Treffen sich zwei Solipsisten. Ein*e Solipsist*in geht davon aus, dass das er oder sie das einzig existierende Ich auf der Welt ist. Philosophisch begründet: Weil man in der eigenen Wahrnehmung über andere Individuen keine begründeten Aussagen treffen kann. Und küchenpsychologisch begründet: Weil man sich ohnehin wie der einzige Mensch auf Erden fühlt. Sogar unter Leuten im Supermarkt. Wenn man aber wirklich allein ist auf der Welt, kann man auch Bananen mit offenem Mund zerkauen. Wie die junge britische Songwriterin Fenne Lily in ihrem halb schwermütigen, halb slackigen “Solipsism”. Der Track ist auf ihrem bald erscheinenden Album zu finden, das am 18. September unter dem Titel “Beach” veröffentlicht wird.

Noga Erez – You So Done

Noga Erez war in den letzten Monaten öfter in Keine Angst vor Hits zu hören. Kein Wunder, die israelische Produzentin und Musikerin trifft absolut den Zeitgeist mit ihrem eingängigen und gleichzeitig intelligenten Pop, den sie mit ihrer leicht herben Stimme vorträgt. Während ihr Debütalbum “Off The Radar” 2017 noch recht politisch war, ist sie in ihren aktuellen Veröffentlichungen deutlich persönlicher geworden. Sie setzt sich zum Beispiel mit der Wirkung der Medien auseinander. Oder verarbeitet in “You So Done” ihren früheren Hang zu missbräuchlichen Beziehungen. Der Song ist laut Noga Erez ihr persönlichster und intimster bislang. Und er hat diese Woche beim digitalen Pop-Kultur Festival 2020 mit einem sehr sehenswerten und imposanten Musikvideo Premiere gefeiert. Im Pop-Kultur Podcast haben wir hier länger mit ihr über Persönliches und Politisches gesprochen.

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