Die deutsch-britische Wahlberlinerin Christin Nichols ist nicht nur Musikerin, sondern auch Schauspielerin. Als Absolventin der Ernst-Busch-Schauspielschule steht sie nicht nur regelmäßig auf Theaterbühnen, sondern auch vor der Kamera. Zu sehen war sie z.B. in der queeren ARD Fernsehserie „All You Need“. Als Teil des Elektro-Punk-Duos Prada Meinhoff macht sie seit 2015 Musik und sorgt als Solomusikerin und mit dem Debütalbum „I’m Fine“ seit Beginn des Jahres für Furore.
Eine von vielen
Mit ihrem Song „Today I Choose Violence“ hielt sie unserer sexistischen Gesellschaft einen Spiegel vor. Auch in ihrem neuen Song „Citalopram“ widmet sie sich einem Thema, über das nach wie vor ungern gesprochen wird. Wenn ihr schon beim Lesen des Songtitels mitfühlend mit dem Kopf genickt habt, dann gehört ihr vielleicht auch zu den 5,3 Millionen erwachsenen Deutschen, die jedes Jahr an einer depressiven Störung erkranken und das besagte Antidepressiva verschrieben bekommen. Genauso wie Christin Nichols.
Es ist, als ob Steine auf dir drauf liegen. Auch in deinem Kopf. Es geht nichts. Da ist nur noch Leere. Normalerweise kann ich mich schon für Sachen motivieren, auch wenn ich keinen Bock habe. Aber es geht einfach physisch nicht. Diese Ohnmacht zu akzeptieren, das ist schon krass.
Enttabuisieren ohne ins Klischee zu tappen
Viele Prominente haben in den letzten Jahren ihre Depressionen öffentlich gemacht, etwa Nora Tschirner oder der Komiker Kurt Krömer. Die Enttabuisierung psychischer Probleme hat auch Nichols dazu ermutigt, ihren Song zu veröffentlichen. Trotz aller positiven Entwicklungen zählt die Depression zu den am meisten unterschätzten Krankheiten. In die musikalische Klischee-Falle tappen wollte sie aber nicht. Der Song besticht durch kompakte Powerchords, glitzernde Synthesizer und einen wavigen 80er-Jahre Sound à la Gary Newman, der den Song vorantreibt.
Mir war total wichtig, dass der Song nicht so etwas trauriges, schweres, Radiohead-mäßiges kriegt, sondern, dass das Gegenteil der Fall ist, weil mich die Diskrepanz daran interessiert hat. Wie weit man gehen kann mit einem ernsten Inhalt. Es sollte aber klingen wie Blumenwiese.
We’re all in this together
Verharmlosend klingt der Songtext dabei trotzdem nicht. Spitz kritisiert Nichols darin u.a. das deutsche Gesundheitssystem und fehlende Therapieplätze. Die empowernde Message steht aber im Vordergrund:
Wenn du ein gebrochenes Bein hast, gehst du auch zum Arzt. Ich finde, dass man mentale Gesundheit genauso gleichsetzen sollte. Das muss einfach noch selbstverständlicher werden.
In dieser Folge von Tracks & Traces hört ihr, wie Christin Nichols und Stefan Ernst den Song gemeinsam geschrieben und produziert haben, was Depressionen mit GIFs zu tun haben können und welche Rolle Kurt Cobains Gitarre spielt.