Gerade findet bis zum 21. November in Brasilien die Weltklimakonferenz statt. Staatschefinnen, Klimaexpertinnen, Aktivistinnen und zivile Gruppen aus mehr als 190 Staaten treffen sich mit einem großen Ziel: den Klimaschutz zu stärken und dem Klimawandel entgegenzuwirken. In den vergangenen Jahren sind die Ergebnisse der Klimakonferenzen oft ziemlich ernüchternd gewesen. Wir werfen deshalb in „Zurück zum Thema“ heute einen genaueren Blick auf die diesjährigen Ziele der Konferenz und fragen uns: Wie realistisch ist ein positiver Ausgang? Ich bin Jessi Jus, schön, dass ihr zuhört. Die Weltklimakonferenz, auch COP genannt, also Conference of Parties, feiert in einem Jahr gleich zwei Jubiläen. Vor 30 Jahren wurde in Brasilien die UN Klimarahmenkonvention unterschrieben, der Grundstein also für alle späteren Klimakonferenzen. Und vor zehn Jahren wurde während der COP21 dann ein Meilenstein erreicht: Fast alle teilnehmenden Staaten haben sich auf das Pariser Klimaabkommen geeinigt. Das Ziel: die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad zu begrenzen, idealerweise auf 1,5 Grad. Mittlerweile sind sich Forschende ziemlich einig: Dieses Ziel zu erreichen, ist eigentlich kaum mehr möglich. Die Staaten müssten sich jetzt erst recht zu viel mehr Klimaschutz verpflichten. Was also ist in diesem Jahr von der Weltklimakonferenz zu erwarten, die ziemlich unter Druck steht? Darüber sprechen meine Kolleginnen Ina Lebedjev und Alina Metz im Klimapodcast „Mission Energiewende“. Befragt haben sie dazu eine, die gerade bei der COP30 vor Ort ist: Carla Reemsma, Klimaschutzaktivistin und Sprecherin von Fridays for Future. Mit welchen Erwartungen ist sie denn nach Brasilien gereist? Sie hofft auf klare Bekenntnisse und darauf, den Klimaschutz wieder auf der Prioritätenliste der Länder nach oben zu stellen. Bei der Konferenz steht ja besonders das Pariser Klimaabkommen im Fokus, das vor zehn Jahren verabschiedet wurde. Carla Reemsma hofft dementsprechend, dass daran wirklich angeschlossen wird und vor allem der Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas vorangetrieben und beschlossen wird. Außerdem muss den Ländern geholfen werden, die jetzt schon am meisten unter den Folgen des Klimawandels leiden. Wie sehen denn die großen Ziele der Konferenz aus? Für die Aktivistin hat die COP30 drei klare Aufgaben. Als erstes, wie eben schon erwähnt, zusammenzukommen und das Pariser Klimaabkommen zu bekräftigen. Das sei besonders aktuell so wichtig, wo rechte Kräfte international auf dem Vormarsch sind und sich bedeutsame und finanzstarke Länder wie die USA aus den Vereinbarungen zurückziehen. An zweiter Stelle sind die Industriestaaten mehr gefragt und müssen Handlungsfähigkeit beweisen, sagt Carla Reemsma. Das heißt, sie müssen jetzt in den Waldschutzfonds investieren und den Staaten des globalen Südens tatsächlich auch zeigen, dass sie bereit sind, ernsthafte Schritte zu gehen, um diese Staaten zu unterstützen – mit Geld, das nicht gebunden ist an irgendwelche Kredite, sondern direkt auch an indigene Communities geht. Und als drittes natürlich das klare Bekenntnis zum Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas. Denn am Ende ist Klimaschutzpolitik nur so viel wert, wie wir es schaffen, Emissionen aufzureduzieren, die jetzt schon dafür sorgen, dass die Temperaturen immer heißer steigen und dass es immer mehr Klimakatastrophen, Überschwemmungen und Waldbrände gibt. Gerade die Finanzierung ist ja seit Jahren ein strittiges Thema, beziehungsweise ein echt heißes Eisen bei den Weltklimakonferenzen. Im vergangenen Jahr sollten in Baku, Aserbaidschan, große Finanzpläne aufgestellt werden. Darüber haben wir ebenfalls hier bei „Mission Energiewende“ gesprochen. Den Link zu der Folge findet ihr in den Shownotes, falls ihr da nochmal nachhören wollt. Das Ergebnis der COP29 ist damals jedoch mehr als nur ernüchternd gewesen. Wie realistisch ist es, dass das in Brasilien nicht wieder passiert? Die COP dauert ja meistens immer so zwei Wochen. Erfahrungsgemäß geht sie oft noch ein paar Tage länger als geplant, bis sich die Teilnehmenden über das Ergebnis der Verhandlungen einig sind, beziehungsweise sie zumindest den kleinsten gemeinsamen Nenner gefunden haben. Da müssen wir für den Klimapodcast ja immer entscheiden, ob wir am Anfang, in der Mitte oder am Ende der Konferenz berichten. Und in diesem Jahr haben wir uns entschieden, zum Auftakt zu berichten. Diese Episode erscheint also kurz nach dem Start der Weltklimakonferenz in Belém. Und wie erfolgreich die COP30 insgesamt werden wird, das ist natürlich jetzt zu Beginn recht schwer einzuschätzen. Die Finanzierung steht erneut ganz oben auf der Agenda. So wurde sogar vor der Konferenz die Baku-to-Belem-Roadmap vorgestellt. Um das einzuordnen: In Baku hatte man sich jährlich auf 300 Milliarden US-Dollar für Klimaschutz und Anpassung geeinigt. Gefordert waren aber 1,3 Billionen US-Dollar. In diesem Jahr soll diese Lücke geschlossen werden. Der Fahrplan, also die sogenannte Roadmap, sieht vor, jährlich 1,3 Billionen US-Dollar für den globalen Süden zu mobilisieren. Es ist ganz klar: Die Industriestaaten müssen die Länder des globalen Südens unterstützen. Sie haben sich ihren Reichtum auf Klimazerstörung oft aufgebaut und erleben jetzt gleichzeitig viel weniger von den Folgen. Und das ist natürlich extrem ungerecht. Eine wichtige Rolle spielen dabei für Carla Reemsma Großmächte wie China. Es ist klar: Auch China wird da mit am Tisch sitzen müssen. Sie sind lange schon kein Land des globalen Südens mehr, sondern machen jetzt auch große technologische und industrielle Fortschritte und stoßen sehr viele Emissionen aus. Da geht es jetzt darum, wirklich viele Länder zusammenzubekommen und klarzumachen: Wir unterstützen die Staaten, die jetzt schon am meisten die Folgen der Klimakrise tragen. Denn natürlich hat das Verhalten auf den vergangenen Klimakonferenzen auch viel Vertrauen zerstört. Stichwort „das zerstörte Vertrauen“. Kannst du noch mal ganz kurz erklären, worauf das zurückzuführen ist? Ja, was Carla Reemsma hier anspricht, ist in der Fachwelt unter dem Begriff „Loss and Damage“ bekannt. Da geht es um Geld, das gezahlt werden soll, wenn zum Beispiel Überschwemmungen, Dürren oder Stürme in ländlichen Regionen des globalen Südens Ernten zerstören, wenn sie Menschen zwingen zu fliehen und für diese Menschen kein Geld da ist, um anderswo oder am selben Ort nochmal von vorne anzufangen. Ja, Frauen sind davon übrigens deutlich häufiger und härter getroffen als Männer. Über das Thema haben wir hier im Podcast auch schon mal berichtet. Genau, und die Problematik mit Blick auf das fehlende Vertrauen besteht also eben darin, dass auf den Weltklimakonferenzen der vergangenen Jahre große Geldtöpfe versprochen worden sind, aber immer wieder nur Teile ausgezahlt wurden oder das Geld eben schlecht zugänglich war, hinter großen bürokratischen Hürden. Bitte widmet eure Aufmerksamkeit doch kurz unserem Werbepartner. Ihr wollt 100 Prozent Ökostrom? Dann wechselt jetzt zu Lichtblick, Deutschlands größtem reinen Ökostromanbieter. Hier bekommt ihr Ökostrom aus Sonne und Wind, intelligente E-Mobilität und Solaranlagen für günstigen Strom vom eigenen Dach. Was braucht es denn, um diese Finanzierungsfragen zu klären und die Ziele der COP30 umzusetzen? Es braucht viele motivierte PolitikerInnen, die zusammenkommen. So hat beispielsweise der britische Premierminister den Klimaschutz zuletzt stärker priorisiert. Das ist auch super wichtig, aber es braucht dann andere Staaten, die da mitgehen und vor allem auch nicht blockieren. Auch auf EU-Ebene muss, Carla Reemsma zufolge, deutlich mehr passieren. Auf der anderen Seite können in diesem Jahr indigene Gruppen und die Zivilgesellschaft allgemein einen größeren Einfluss haben. Der Regenwald ist da, die Menschen werden sehen, was heißt eigentlich dieses Zusammenleben auch mit der Natur, mit unseren Lebensgrundlagen. Ich glaube, das sind auch mal gute Voraussetzungen, weil eben auch viel mehr Zivilgesellschaft wieder vor Ort sein wird, Protest organisieren wird. Die Nähe zum Regenwald ist für die AktivistInnen also ein großer Pluspunkt. Regenwälder sind eine der großen Senken, die es braucht, um CO2-Emissionen zu speichern. Brasilien hat im Zusammenhang mit der COP auch Pläne vorgelegt, wie Regenwälder auf internationaler Ebene besser geschützt werden können. Mit dem Regenwaldfonds „Tropical Forest Forever Facility“ sollen Länder unterstützt werden, die ihre tropischen Wälder erhalten und da Arbeit reinstecken. Mehr als 5 Milliarden US-Dollar wurden bereits von Norwegen, Brasilien und Indonesien zugesagt. Insgesamt soll der Fonds allerdings rund 125 Milliarden US-Dollar umfassen: 25 Milliarden US-Dollar aus Vertragsstaaten, der Rest des Geldes dann von privaten Investoren. Jetzt hast du eben die indigenen Völker angesprochen. Schon vor der COP hieß es, die spielen in diesem Jahr eine größere Rolle. Inwiefern denn? Indigene Gruppen schützen vor allem die Wälder, indem sie dort seit Jahren Klimaschutz aktiv betreiben. Dementsprechend sollten sie bei Verhandlungen besonders ernst genommen werden. Dafür ist die COP wahrscheinlich das beste Format, was wir haben, weil sie eben mit am Tisch sitzen und verhandeln. Viele Regierungen, in denen es große indigene Gruppen gibt, sagen auch: Wir holen die aktiv mit rein. Auf der anderen Seite müssen am Ende die Ergebnisse der Konferenz das Gesprochene und Versprochene widerspiegeln, so Carla Reemsma. Es ist nicht nur: Man schreibt da so einen netten Satz in irgendeine Entscheidung am Ende rein, sondern beispielsweise, wenn es Gelder gibt, die für den Schutz von Wäldern aufgewendet werden, dann muss das auch direkt diese Communities mit einbezogen werden und nicht nur irgendwie in irgendwelche Firmen gegeben werden, die dann vermeintlich sagen: Wir schützen hier die Wälder. Denn wir wissen: Die Regenwälder, die von indigenen Communities geschützt werden, die dort im Einklang mit der Natur leben, das sind die, die ganz zentral sind, wenn wir die Klimakrise tatsächlich eindämmen wollen. Wenn wir auch sagen wollen: Wir schützen die Wälder, wir halten ökologische Lebensgrundlagen eben zusammen. Das war Carla Reemsma, Klimaschutzaktivistin und Sprecherin von Fridays for Future. Sie ist gerade auf der Weltklimakonferenz in Belém in Brasilien unterwegs und ist dazu in unserem Klimapodcast zu hören. Wenn ihr wissen wollt, warum ausgerechnet der Standort der diesjährigen Klimaschutzkonferenz bei vielen Klimaschützenden Unbehagen ausgelöst hat, dann hört am besten auch den zweiten Teil dieser Folge unseres Klimapodcasts „Mission Energiewende“ mit meinen Kolleginnen Ina Lebedjev und Alina Metz. Ich verlinke sie euch in den Shownotes. Bleibt mir an dieser Stelle noch, Danke zu sagen für die Produktion dieser Folge. Die hat Stanley Baldauf übernommen. Und ich bin Jessi Jus, sage tschüss bis zum nächsten Mal. Detektor FM – zurück zum Thema.