Felix Lill über die Protestkultur in Südkorea
Am 3. Dezember 2024 erlebt Südkorea einen entscheidenden Moment in seiner Geschichte: Präsident Yoon Suk-yeol verhängt das Kriegsrecht. Er gibt eine Fernsehansprache und beschuldigt die Opposition der Sympathisierung mit Nordkorea, er wirft ihr staatsfeindliche Aktivitäten vor. Die Bevölkerung bittet er um Vertrauen und stellt gleichzeitig Unannehmlichkeiten in Aussicht. Doch was wie der Auftakt zu einer autoritären Phase und einer sehr ungewissen Zukunft klingt, wirkt auf die vergleichsweise junge Demokratie in Südkorea belebend. Denn Yoon Suk-yeol kommt nicht durch mit seinem Ansinnen. Oppositionspolitikerinnen und -politiker strömen teils unter Einsatz ihres Lebens ins Parlament, um dort das Kriegsrecht per Mehrheitsentscheidung auszusetzen. Die Zivilgesellschaft ist auf der Straße und bringt in Demonstrationen ihren Unmut zum Ausdruck. Yoon Suk-yeol wird sich nicht durchsetzen können, er verliert später sein Amt und kommt in Untersuchungshaft. Er wird wegen Aufruhrs und Amtsmissbrauchs angeklagt.
Demokratie hält man nicht für gegeben, sondern für etwas, das man verteidigen muss, wenn man es denn haben will. Felix Lill
Foto: privat
Für Felix Lill, Journalist und Autor mit dem Schwerpunkt Asien, kommt in den sofortigen Protesten und Gegenmaßnahmen in Südkorea ein bestimmtes Bewusstsein für die Demokratie zum Ausdruck. Das bezieht das persönliche Engagement in brenzligen Situationen mit ein, durchaus auch um den Preis von Einschränkungen und Unannehmlichkeiten. Felix hat übrigens zusammen mit seinem Kollegen Fabian Kretschmer den Podcast „Asien-Copy-Paste“ gestartet.
Junge und inklusive Demokratie
Das ist bemerkenswert, herrschte doch bis 1987 noch eine Militärdiktatur in Südkorea. Vielleicht lässt sich das demokratische Bewusstsein aber auch gerade durch das relativ geringe Alter der Demokratie erklären: Man schützt, was schützenswert ist. Charakteristisch für die südkoreanischen Proteste ist nach Lills Schilderung außerdem ihre Inklusivität. So würden verschiedene Altersgruppen und Teile der Gesellschaft gemeinsam auf die Straße gehen und immer auch darauf achten, dass Proteste in Südkorea Spaß machen.
Es gibt alte Schlager, es gibt K-Pop, es gibt Hip-Hop, sodass sich sehr viele Leute angesprochen fühlen. Das ist wirklich beachtlich. Ich glaube, auf der Ebene können sich viele Leute was abschauen von Südkorea. Felix Lill
Über die knapp verhinderte Staatskrise und die vitale Demokratie in Südkorea spricht Felix Lill in dieser neuen Folge des „brand eins Podcasts“ mit detektor.fm-Moderator Christian Bollert.