Marcel Fratzscher über Demokratie und Teilhabe
Demokratie und Marktwirtschaft haben sich lange Zeit Hand in Hand positiv entwickelt. Mit wirtschaftlicher Prosperität und steigendem Wohlstand ging die Weiterentwicklung der Demokratie einher. Bürgerrechte und Teilhabe haben sich für viele Menschen ebenso positiv entwickelt wie das individuelle Wohlstandsniveau. Doch diese Erzählung und Entwicklung sind ins Stocken geraten. In vielen Staaten sind mehr oder weniger starke Tendenzen zu Populismus und Protektionismus zu beobachten. Die Regierung um Trump bringt in den USA einige Glaubenssätze ins Wanken und auch in Europa sind Rechtspopulisten auf dem Vormarsch. In Deutschland hat die AfD bei der vergangenen Bundestagswahl ihr bestes Wahlergebnis erzielt — mit dem Versprechen, mehr oder weniger in den gesellschaftlichen Rückwärtsgang zu schalten.
Die Unwucht, die wir in unserer Marktwirtschaft haben ist, dass der Lebensweg jedes Einzelnen schon sehr früh vorgezeichnet ist. Also es mangelt an wirklicher Chancengleichheit. Marcel Fratzscher
Foto: DIW
Für Marcel Fratzscher, den Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), hat diese Entwicklung ihre Ursachen unter anderem in deutlich mangelnder Chancengleichheit. Lebenswege sind in Deutschland schon sehr früh vorgezeichnet, Bildungs- und Wohlstandsniveau des Elternhauses bestimmen maßgeblich über den eigenen Lebenserfolg. Das Teilhabeversprechen wird für viele Menschen nicht mehr eingelöst, was zur Aushöhlung von Demokratie führt. Die Beispiele und zugrundeliegende Probleme sind zahlreich, sie sind neben der Teilhabe an Bildung unter anderem in der sehr unausgewogenen Besteuerung von Vermögen und Arbeit zu finden.
Ausgehöhlte Demokratie
Dadurch schwindet das Vertrauen in die demokratischen Prozesse und Institutionen auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene. Die Skepsis gegenüber Politik wächst, die Sicht zum Beispiel auf die Europäische Union ist zunehmend kritisch. Die Antwort vieler Parteien in vielen Staaten ist Protektionismus, was die Probleme laut Fratzscher nur weiter verstärken wird. Sowohl in Hinblick auf die Demokratie, als auch die Marktwirtschaft. Die Vernachlässigung breiter Bevölkerungsschichten ist verhängnisvoll.
Ohne Menschen haben Sie keine erfolgreiche Wirtschaft, können Sie nicht innovativ sein, können Unternehmen nicht funktionieren und ohne verantwortungsvolle Menschen haben Sie auch keine funktionierende Demokratie. Marcel Fratzscher
Über Teilhabe und Bildung, Demokratie und Wirtschaft, mögliche Antworten der Politik und hoffnungsvolle Perspektiven spricht Marcel Fratzscher in dieser neuen Folge des „brand eins Podcasts“ mit detektor.fm-Moderator Christian Bollert.
Wie bereits in den vergangenen Wochen gibt es auch am Ende dieser Episode eine Geschichte über die persönliche Veränderung eines „brand eins“-Hörers. Habt auch ihr Lust, eure Geschichte über Veränderungen in eurem Berufsleben zu erzählen? Dann freuen wir uns, wenn ihr uns einfach eine Sprachnachricht an digital@brandeins.de schickt.