Es ist der 13. April 1945. Gerade erst haben die Amerikaner Weimar besetzt, da kommt ein Mann mit einer Handvoll Zeichnungen in die Stadt. Zeichnungen einer Maschine, die aussieht wie eine kleine Pfeffermühle. Aber es ist keine Pfeffermühle. Das, was der Mann hier mit sich herumträgt, das sind die Pläne für den ersten echten Taschenrechner, den die Welt je gesehen hat. Eine Rechenmaschine, so handlich und klein, dass sie wirklich in eine Tasche passt. Und der Mann, der diese Maschine jetzt endlich in Weimar bauen will, der hatte vor zwei Tagen noch Angst um sein Leben. Denn fertiggestellt hat er seine Taschenrechnerpläne in Gefangenschaft als Häftling im KZ Buchenwald. Das ist die Geschichte von Kurt Herzstark. Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Geschichte aus der Mathematik. Ich bin Carolin Breitschädel und zusammen mit Manon Bischoff, Mathe-Redakteurin bei Spektrum der Wissenschaft, und Mathematiker Demian Nauel Gosz mache ich diesen Podcast. Und vielleicht erinnert ihr euch, wir haben hier schon mal eine Taschenrechner-Geschichte erzählt, nämlich die Geschichte, wie Gottfried Wilhelm Leibniz im 17. Jahrhundert einen Taschenrechner erfunden hat. Der war allerdings ungefähr so schwer wie ein Kasten Bier und auch ungefähr so groß. Der Taschenrechner, um den es heute geht, der passt halt wirklich in eine Hosentasche. Eigentlich kann man also sagen, es ist der einzige echte mechanische Taschenrechner, den es überhaupt je gegeben hat. Und es gibt natürlich einen Grund, warum die vorher immer so groß waren, diese Taschenrechner. Weil das nämlich mathematisch-technisch unglaublich kompliziert ist, eine so kleine Maschine zu bauen, die aber wirklich rechnen kann. Gott sei Dank ist heute wieder unsere Spezialistin für komplizierte mathematisch-technische Erfindungen da, und zwar Manon. Hi Manon, schön, dass du da bist! Ja, ich freue mich auch. Hi Caro! Manon, du hast dir diesen Taschenrechner für uns ja genauer angeschaut. Ja, ich habe mir den angeschaut, beziehungsweise ich habe mir Videos davon angeschaut. Denn diese Taschenrechner, auch wenn die damals nach dem Zweiten Weltkrieg super oft verkauft wurden, das sind heute schon ziemliche Sammlerstücke. Also ich wollte dann doch nicht 1000 Euro oder mehr für einen Taschenrechner ausgeben. Ja, das verstehe ich gut. Du hast mir das ja vorhin auch schon mal gezeigt, diese Maschine. Ich würde mal so sagen, 10 Zentimeter groß ist die und ja, die sieht wirklich aus wie so eine Pfeffermühle aus Metall. Und dann aber an der Seite hat die überall so kleine Metallschieber. Ja, ich finde, Pfeffermühle trifft es tatsächlich ganz gut, weil da eben auf dem Deckel auch noch so eine Kurbel dran ist. Und ich will jetzt hier noch nicht zu viel verraten, wie das genau funktioniert, aber sehr grob gesagt, was du da gesagt hast, an der Seite, diese Metallschieber, da kann man quasi die Zahlen einstellen. Und wenn man dann oben die Kurbel dreht, kommt dann ein Ergebnis raus. Fast ein bisschen wie bei Räuber Hotzenplotz, da fängt die Kaffeemühle immer an, Musik zu spielen, wenn man an der Kurbel dreht. Ja, nur dass die Mühle hier halt wirklich sehr komplizierte Dinge ausrechnen kann. Also man kann mit diesem Taschenrechner nicht nur die Basics ausrechnen, also irgendwie 15 plus 9 oder was weiß ich, 4 mal 712, sondern man kann sogar sowas machen wie eine Wurzel ziehen. Und das ist schon ziemlich krass, so ein kleines Ding, das so viel kann, vollkommen ohne Elektronik. Ja, das ist ganz schön beeindruckend. Wir schauen uns das natürlich gleich noch genauer mit dir an. Vorher wollen wir aber noch darüber sprechen, wie und unter welchen Umständen dieser Taschenrechner erfunden wurde, denn das ist ja schon erstaunlich. Der Erfinder Kurt Herzstark, der hat diese Maschine nicht etwa an der Uni oder zumindest gemütlich irgendwo in Ruhe an einem Schreibtisch entwickelt, sondern als Häftling in einem Konzentrationslager. Genauer gesagt im KZ Buchenwald, nur ein paar Kilometer nördlich von Weimar. Demian hat sich mit dieser Geschichte hinter dem Taschenrechner beschäftigt, über die wir nun sprechen wollen. Hallo Demian, schön, auch dich wie immer hier im Podcast begrüßen zu dürfen. Hallo, schönen Tag, Caro! Demian, diese Geschichte dass Herzstark den Taschenrechner im KZ entwickelt, das klingt ja erstmal sehr heftig. Ja, das ist es wirklich. Kurt Herzstark ist damals als sogenannter Halbjude im KZ. Sein Vater war halt Jude. Als ich die Folge vorbereitet habe, da habe ich auch ein Interview mit ihm angehört. Fast vier Stunden, in denen er seine ganze Lebensgeschichte erzählt. Und das ist natürlich sehr beeindruckend, weil er natürlich auch vom KZ erzählt. Wenn wir jetzt mal historisch zurückschauen: Herzstark war im KZ Buchenwald ein Straflager und ein Zwangsarbeitslager. Kein Vernichtungslager wie Auschwitz, aber natürlich werden auch in Buchenwald sehr, sehr viele Häftlinge gequält und auch getötet. Ja, das sind schreckliche Zustände, auch in Buchenwald. Wobei man auch sagen muss, es ist für alle schrecklich, aber die anderen Häftlinge haben damals oft noch schlimmere Bedingungen. Und dass Herzstark diesen Taschenrechner erfindet, das rettet ihm vielleicht sogar das Leben. Genau, die Nationalsozialisten wollen den Taschenrechner und zwar als Geschenk für Hitler. Das ist wirklich die Idee: Kurt Herzstark soll im KZ einen Taschenrechner entwickeln und die SS will Hitler den Taschenrechner schenken zum sogenannten Endsieg. Also wirklich perfide. Wir wissen ja, dass es zum Glück anders kommt. Herzstark überlebt und sein Taschenrechner wird am Ende auch kein Geschenk für Hitler. Bevor wir uns das gleich noch genauer anschauen, unter welchen menschenfeindlichen Umständen Herzstark diese Erfindung planen muss, vielleicht magst du erstmal noch erzählen, wie Herzstark überhaupt auf den Taschenrechner gekommen ist. Es haben ja seit Leibniz immer wieder Leute versucht, so einen wirklich kleinen Taschenrechner zu entwickeln. Also im Prinzip seit 300, fast 400 Jahren. Und nie hat jemand etwas halbwegs Funktionsfähiges hingekriegt. Ja, genau, man muss sagen, für Herzstark ist das wirklich ein Herzblutprojekt. Eigentlich beschäftigt er sich mit Taschenrechnern seit er denken kann. Schon als kleines Kind. Das liegt auch an seiner Familie. Herzstark kommt aus Wien und sein Vater hat dort 1905 eine Fabrik für Rechenmaschinen gegründet: das Rechenmaschinenwerk Austria Herzstark Company. Die Familie ist damals oft auf Messen unterwegs, um ihre Geräte vorzustellen. Also so wirklich Büromaschinenmessen. Und der kleine Kurt wird dort schon damals auf diesen Messen halt immer wieder als Wunderkind präsentiert. Ich finde es ja sehr schön, dass es offensichtlich nicht nur Komponisten Wunderkinder und Malerei-Wunderkinder und naja, hier auch in unserem Podcast klassischerweise oft Mathe-Wunderkinder gibt, sondern offensichtlich auch Wunderkinder für Büromaschinenmessen. Ja, also Kurt ist damals acht Jahre alt und er ist angeblich halt ein Genie im Kopfrechnen. In Wirklichkeit sind das natürlich alles die Rechenmaschinen, mit denen er das ganz schnell ausrechnet. Ah, was ja vielleicht auch eine ganz gute Werbung gewesen wäre eigentlich. Ja, also ehrlich gesagt verstehe ich das auch nicht. Also warum die Herzstarks da nicht gesagt haben: Schaut mal her, das sind unsere wunderbaren Rechenmaschinen, die können so super toll rechnen. Aber gut, der kleine Kurt ist damals eben angeblich ein Rechengenie. Und irgendwann lernt er dann tatsächlich wahrscheinlich auch echt ganz gut rechnen oder zumindest lernt er wie Rechenmaschinen funktionieren. Er macht dann später auch eine Ausbildung im Familienbetrieb und dann auch noch eine Ausbildung zum Ingenieur in Deutschland. Also in den 1930er Jahren, da weiß Herzstark eigentlich schon ziemlich gut, wie man so eine Rechenmaschine baut. Und er weiß ja durch den Familienbetrieb auch schon ziemlich genau, wie man sie dann verkauft. Aber vor allem weiß er, was seine Kunden eigentlich alle wollen, nämlich eine wirklich kleine Rechenmaschine, die so klein ist, dass man sie halt überall hin mitnehmen kann. Und immer wieder, wo man noch hinkam, kamen die Leute: „Wunderbar, die Maschinen, die werden alles teurer und elektrischer, aber etwas fehlt am Weltmarkt. Ich möchte gerne eine Maschine haben, die ich wohl in der Tasche habe und rechnen kann. Alle, also wirklich alle, wollen endlich einen Taschenrechner. Sag ich ja, warum? Ich bin Baumeister, ich bin Architekt, ich bin Zollbeamter, ich muss wohl was aufnehmen, ich kann keine 10 Kilometer schreiten. Vor allem Kaufleute, die im Außendienst arbeiten, dann Architekten, aber auch zum Beispiel WissenschaftlerInnen und sogar MathematikerInnen, auch wenn das ja so ein Gerücht ist, dass die alle eigentlich ganz gut rechnen können. Das stimmt überhaupt nicht. Aber gut, alle wollen eigentlich einen Taschenrechner. Jahrzehntelang hat die ganze Welt, das ist Tatsache, nach einer kleinen Maschine geschrien und nichts war da. Und Herzstark denkt sich: Ich kann den bauen. Ganz genau! Ich habe mir gedacht, ich stelle mir vor, ich habe schon alles erfunden, aber wie muss nun so eine Maschine wirklich ausschauen, dass man sie benutzen kann? Und wie gesagt, eigentlich sieht es ganz gut aus in den 30er Jahren. Herzstark ist da schon auf dem richtigen Weg. Er sagt nämlich, die anderen wollen immer die Rechenmaschine nehmen, die es schon gibt und die irgendwie kleiner bauen. Aber das wird halt nicht funktionieren. Wir müssen was ganz anderes machen. Alle haben probiert, eine Kleinmaschine zu bauen, aber keiner hat den Mut gehabt, auf ein neues System, sondern sie versuchten, das Bestehende zu verkleinern. Und das ist ein Unsinn. 1935 hat er die Idee, wie der Taschenrechner aussehen muss: Die Pfeffermühle. Es muss auf jeden Fall ein Zylinder sein und es gibt schon eine Idee, wie die Maschine addieren und multiplizieren soll. Das Problem ist da aber noch subtrahieren. Wie kann die Maschine es schaffen, Minus zu rechnen? Den Geistesblitz hat er erst drei Jahre später. 1938, am 10. März 1938 besetzen die Nationalsozialisten Österreich. Der Vater von Kurt Herzstark, der war ja jüdisch, der ist aber da schon tot. Der Familienbetrieb wird deshalb nicht enteignet, aber er produziert jetzt die nächsten Jahre für die Wehrmacht verschiedene Messinstrumente, die zum Beispiel für Panzer verwendet werden. Wenn ich das richtig verstanden habe, dann kommt Herzstark später aber nicht wegen seines jüdischen Vaters ins KZ, sondern aus politischen Gründen, zumindest offiziell. Genau. Offiziell geht es dabei um einen Vorfall, der 1943 passiert. Da werden zwei Mitarbeiter aus dem Herzstark-Familienunternehmen von der Gestapo verhaftet. Angeblich sollen die englisches Radio hören und die Nachrichten dann weiter verbreiten. Und Kurt Herzstark, der bürgt bei der Gestapo für seine Mitarbeiter. Ich versuchte bei der Gestapo zu intervenieren für die zwei. Ich habe dann mich hinausgeschmissen, gesagt, dass es eine Frechheit ist, dass ein Halbjude sich da traut, für die Leute zu reden. Und er wird dann verhaftet. Ja, wie gesagt, offiziell ist das einer der Gründe, dass er nach Buchenwald kommt. Und zwar wegen Unterstützung von Juden, staatsversetzten Personen und ärgerungserregenden Beziehungen zu arischen Frauen. Also das waren meine drei Verbrechen, die ich in Wirklichkeit war. Es überhaupt nichts. Das war nur konstruiert. Inoffiziell ist sich Herzstark eigentlich ziemlich sicher. Ich habe dann später bei einem Dutzend von Fachleuten, die in Buchenwald festgestellt waren, Franzosen, die unter ähnlichen Umständen verhaftet worden sind, nur zu dem Zweck, den Fachmann zu bekommen und da drinnen als Arbeitsklave zu rennen. Also wir haben ja schon gesagt, natürlich sind das in Buchenwald unmenschliche Bedingungen für die Häftlinge. Sehr, sehr viele müssen Zwangsarbeit leisten. Die Versorgung ist schlecht. Die hygienischen Umstände sind eine Katastrophe. Und auch in Buchenwald gibt es gezielte Tötungen. Du hast vorhin schon gesagt, diese Erfindung, die Pläne für den Taschenrechner, das rettet Herzstark vielleicht das Leben. Ja, genau, weil die Nationalsozialisten eben wollen, dass er daran weiterarbeitet. Und man muss schon sagen, natürlich sind das auch für Herzstark vollkommen schreckliche Bedingungen, gerade am Anfang. Da denkt er eigentlich nicht, dass er das KZ überleben wird. Aber er hat am Ende diese Erfindung und er soll eben auch an dieser Erfindung weiterarbeiten. Und muss wahrscheinlich auch. Ja, total. Das heißt, er muss irgendwann nicht mehr, wie anfangs, in der Gärtnerei arbeiten, was unglaublich schwere und auch lebensbedrohliche Arbeit ist. Er kann dann in der Fabrik arbeiten unter etwas besseren Bedingungen. Er kann dort auch anderen Häftlingen helfen, wenn er sagt, die werden hier in der Fabrik gebraucht. Und er soll weiter am Taschenrechner arbeiten. Wie du ja vorhin gesagt hast, in Anführungsstrichen als Geschenk für den Führer. Ja, und tatsächlich sagen die Nationalsozialisten das auch zu Herzstark: Wenn du das schaffst, wenn wir das Hitler schenken können, dann wirst du bestimmt offiziell zum Ari erklärt. Dann bist du offiziell kein Jude mehr. Dann kannst du in Freiheit leben. Sie, Herzstark, sie haben ja doch an einer neuen Sache gearbeitet, an einer kleinen Rechenmaschine. Wissen Sie, da könnte ich Ihnen einen Tipp geben. Wir erlauben Ihnen, dass Sie das machen, zeichnen alles. Wenn das wirklich was wert ist, dann werden wir nach einem siegreichen Krieg das dem Führer als Geschenk machen. Dann werden Sie sicher arisiert werden. Für Herzstark ist das also ganz klar ein Weg, um zu überleben. Für mich war das natürlich in erster Linie, haben wir gedacht: Mein Gott, wenn du das machst, kannst du dein Leben strecken. Was kommt, weißt du nicht. Er sagt selbst später: Das war mein Rettungsanker. Für mich war das natürlich ein Rettungsanker, weil ich mir sagte, wenn ich an dieser Maschine arbeiten kann, dann muss ich ja doch auch weiterleben können im Lager. Und weil du das eben nochmal angesprochen hast mit dem Geschenk an Hitler, so nennt Herzstark tatsächlich später auch seine Autobiografie: Kein Geschenk für den Führer. Das KZ Buchenwald wird im April 1945 von den Amerikanern befreit, so wie überhaupt in der Region da in Ostthüringen. Erst mal die Amerikaner sind und das ja dann erst später zur sowjetischen Besatzungszone wird. Das heißt, Herzstark ist jetzt wieder ein freier Mann und er geht mit seinen jetzt fertigen Plänen in der Tasche nach Weimar. Und das Ganze zu Fuß, acht Kilometer von Buchenwald bis Weimar. Und er hat nur eine einzige Sache dabei: die Pläne für seinen Taschenrechner. Der erste echte Kurt Herzstark Taschenrechner, den gibt es dann ja aber erst 1947. Ja, genau, das ist dann nochmal viel hin und her. Also erst mal soll der Taschenrechner in der Nähe von Weimar produziert werden. Dann als die Sowjets kommen, geht Herzstark doch erst mal wieder in die Heimat, also nach Österreich. Und plötzlich meldet sich der Fürst von Lichtenstein und sagt: Hey, wir wollen das gerne bauen. Also wird der Taschenrechner dann in Lichtenstein produziert. Genau, in Lichtenstein bei der Firma Cortina. Und als es darum geht, wie soll der neue Taschenrechner denn jetzt heißen, da kommen erst mal viele verschiedene und wilde Namen, bis jemand auf die Idee kommt: „Meine Herren, ich verstehe eigentlich nicht den Streit mit solchen verrückten Namen. Der Erfinder heißt Kurt, das ist doch seine Tochter. Wollen wir die nicht Kurta nennen? Wir nennen sie nach ihrem Erfinder. Kurta. Kurt Herzstark erfindet den ersten mobilen Taschenrechner. Eine kleine Maschine, auf die die Menschen gewartet haben. Von den schrecklichen Umständen, unter denen Herzstark seinen Taschenrechner zu Ende entwickelt hat, davon haben wir eben gehört. Nun interessiert uns aber natürlich auch, wie funktioniert dieser Taschenrechner? Wie kann das gehen? Manon, heutzutage haben wir ja wie selbstverständlich alle einen Taschenrechner im Smartphone integriert. Und der Taschenrechner, an den ich mich aus meiner Schulzeit erinnere, der hatte so ein kleines Solarfeld auf der Vorderseite. Der Akku hat sich also mit Sonnenlicht immer wieder aufgeladen. Aber der Taschenrechner, den Herzstark sich ausdenkt, der funktioniert ja völlig ohne Energiezufuhr. Ja, Kurt Herzstark entwickelt einen Taschenrechner, der komplett ohne Elektronik, Display und Akku auskommt. Die Kurta funktioniert nämlich rein mechanisch. Wobei man ja sagen muss, mechanische Taschenrechner gibt es damals ja schon lange, nur halt nicht in so klein. Ja, das ist einer der großen Vorteile der Kurta gegenüber anderen mechanischen Taschenrechnern, die es zu der Zeit ja auch schon gibt. Die sind nämlich meist gar nicht so taschentauglich. Kennst du zum Beispiel noch den Abakus? Also damit gerechnet habe ich natürlich nicht. Ich weiß gar nicht, wie das geht, aber vielleicht kommen wir dazu gleich. Aber ich erinnere mich, dass bei meinem Kinderarzt früher so ein Abakus, also so ein Rechenschieber, sagt man glaube ich auch, im Wartezimmer stand. Also gesehen habe ich schon mal einen. Das sind diese, ja wie so ein Webrahmen eigentlich mit Stäben, auf denen man dann so bunte Perlen hin und her schieben kann. Ja, also ich kenne den Abakus auch nur aus Erzählungen. Im Klassenzimmer gab es immer mal einen, der so als Erinnerung an die gute alte Zeit dienen sollte. Aber ich habe ehrlich gesagt auch nie gewusst, wie die funktionieren. Also ich habe mir jetzt für diesen Podcast extra zum ersten Mal ein Video dazu angesehen. Und macht es Spaß? Verzichtest du jetzt ab sofort auf den Handyrechner und führst einen Abakus mit dir herum? Ja, klar! Ne, also so ein Ding ist erstmal ziemlich groß und es ist irgendwie dann doch ziemlich umständlich, damit zu rechnen. Okay, dann erklär doch mal. Lass uns mal ganz umständlich mit Abakus rechnen. Also jeder Abakus hat mehrere Reihen, wie du ja auch schon erklärt hast. Und jede Reihe hat genau zehn Perlen. Ganz unten sind die Einserperlen. Jede Perle zählt also eins. Und da drüber sind dann die Zehnerperlen. Jede Perle zählt also zehn. Okay, und dann noch eins drüber sind nämlich an die Hunderterperlen. Und jede Perle zählt hundert. I guess. Sehr gut! Okay, dann lass uns vielleicht mal was ganz Einfaches rechnen. Also sieben plus acht. Okay, also erstmal machst du die sieben. Dann nimmst du also dieses riesige Ding und schiebst ganz unten sieben einzelner Perlen nach rechts. Sieben nach rechts, okay. Und wie mache ich dann plus acht? Jetzt willst du halt unten nochmal acht Einserperlen nach rechts schieben. Aber da gibt es ja jetzt nur noch drei. Die schiebst du also jetzt schon mal rüber. Okay, also alle zehn Einserperlen sind jetzt rechts. Genau. Deshalb kannst du jetzt eine Reihe nach oben gehen und stattdessen einfach eine Zehnerperle rüberschieben. Und die Reihe unten kann man dann dafür wieder löschen, quasi. Die kommt dann wieder zurück nach links. Genau. Das heißt, ich habe jetzt wieder genug Einserperlen, um den Rest auch noch rüber zu schieben. Wir wollten plus acht rechnen. Drei Perlen hatten wir jetzt schon, fehlen also noch fünf. Die kann ich jetzt einfach rüberschieben. So, fertig! Rechts sind jetzt eine Zehnerperle und fünf Einerperlen. Fünfzehn! Yes, fünfzehn! Okay, also das ist das Prinzip eins im Sinne aus der Grundschule. Eigentlich halt schriftliche Addition. Ja, wir machen jetzt wirklich noch hohe Mathematik hier in diesem Podcast. Okay, aber das ist ja schon eher aufwendig für so eine einfache Rechnung. Der Abakus lohnt sich auch eher, wenn man etwas Komplizierteres berechnen möchte. Also zum Beispiel sieben mal acht. Dann kannst du einfach sagen: Okay, einmal acht Perlen nach rechts, nochmal acht Perlen nach rechts, nochmal acht Perlen nach rechts. Naja, und das Ganze halt sieben Mal. Also acht plus acht plus acht plus acht, sieben Mal. Das ist ja eigentlich logisch. Und natürlich gilt auch da immer: Wenn die eine Reihe voll ist, nimmst du eine Zehnerperle, schiebst sie wieder rüber. So, wie wir das halt eben gemacht haben. Und wenn du alles richtig gemacht hast, kommt am Ende 56 raus. Aber das scheint mir ehrlich gesagt ja noch viel aufwendiger, das Multiplizieren. Zumindest müsste ich dafür ja echt viele Perlen andauernd hin und her schieben. Ja, total. Aber es gibt Videos von Leuten, die das perfektioniert haben und einfach super schnell die Kugeln hin und her schieben und blitzschnell auf ein Ergebnis kommen. Aber dafür ist, glaube ich, jede Menge Übung nötig. Die Kurta von Herzstark ist da schon deutlich angenehmer. Okay, und wie funktioniert denn die? Also vom Grundprinzip her ist das schon so ein bisschen wie beim Abakus, nur halt viel cleverer, würde ich sagen. Du hast ja vorhin schon gesagt, die Kurta ist eigentlich so eine Art Pfeffermühle mit so Schlitzen an der Seite. Elf Schlitze sind das. Die Schlitze sind quasi unsere Abakusreihen: Einer, Zehner, Hunderter und so weiter. Also da kannst du schon mal die Zahlen einfach viel entspannter einstellen. Und es gibt auch eine Anzeige wie so ein kleines Fenster bei jedem Schlitz. Da siehst du genau: Ah, hier bei den Hundertern, da habe ich jetzt sieben eingestellt. Also wie bei einem Fahrradschloss, zum Beispiel, wo man am Rädchen dreht, bis die richtige Ziffer da steht. Nur dass das halt jetzt kein Rädchen ist, sondern ein Regler. Aber ja, genau. Also im Prinzip ist genau dasselbe Prinzip. Okay, also ich mache jetzt einfach hier so Fahrradschlossmäßig 1, 9, 5. Also 195 sind das dann. So, und jetzt kommt das Coole: Wenn du jetzt die 195 mit irgendeiner Zahl multiplizieren willst, musst du nicht wie beim Abakus nochmal diese Zahl dazuzählen und nochmal und nochmal und dabei die ganze Zeit irgendwelche Zehnerperlen hin und her schieben, sondern du kannst einfach kurbeln. Ah, ja, das ist natürlich recht cool und einfach. Also mal sieben heißt dann jetzt ganz einfach: siebenmal kurbeln. Und dann steht obendrauf auf der Kurta das Endergebnis. Siebenmal kurbeln ist ja auch deutlich chilliger als siebenmal sehr, sehr viele Perlen hin und her schieben. Und das erscheint mir auch deutlich weniger fehleranfällig. Auf jeden Fall. Aber was ist denn, wenn ich jetzt mal 300 rechnen möchte? Muss ich dann 300 mal kurbeln? Nee, glücklicherweise nicht. Tatsächlich gibt es noch eine Stelle an der Kurta, wo man noch was einstellen kann. Und da kannst du quasi auch beim Faktor auf Zehner, Hunderter, Tausender und so weiter gehen. Also mal 300, dann gehst du erst auf Hunderter und dann kannst du wieder einfach dreimal kurbeln. Okay, das klingt super easy. Und dann kannst du mit der Kurta auch Zahlen addieren, subtrahieren, dividieren. Und es gibt sogar noch Anleitungen, um damit Bruchzahlen auszurechnen. Aber das ist ein bisschen komplizierter. Aber wie funktioniert das denn? Also die Kurta ist ja nicht elektronisch. Wie hat es Herzstark also geschafft, dass die Kurta quasi für einen die Perlen hin und her schiebt? Herzstark benutzt dafür eine doppelte Staffelwalze. Ähm, was? Ja, okay, das kannte ich vor dem Podcast auch nicht. Also ich muss zugeben, mit Mechanik habe ich es nicht so. Ich finde es auch immer super schwer, mir solche Bauteile vor Augen zu 00:24:15.000 führen. Aber ich hoffe, das ist bei dir nicht so, weil ich werde es jetzt einfach mal versuchen zu beschreiben. Okay, also stell dir mal so einen Zylinder vor. Also die Form und nicht den Hut. Okay, das schaffe ich gerade noch. Wie ein Nudelholz quasi. So und außen auf dem Nudelholz sind jetzt zehn Stäbe angeklebt. Oder sagen wir zehn längliche Macaroni, um im Bild zu bleiben. Und die sind unterschiedlich lang. Das sind also so Riffel auf dem Nudelholz. Genau. Und jetzt stell dir vor, das Nudelholz dreht sich. Also in der Kurta drin. Ja, genau, in der Kurta. Und außen am Fahrradschloss hast du quasi ein Zahnrad eingestellt. Und das Zahnrad passt perfekt zu den Macaroni. Okay. Du forderst mein Vorstellungsvermögen heute ziemlich heraus. Aber du hast es ja angekündigt. Aber immerhin müsste ich dieses Mal keine seltsamen mathematischen Zusammenhänge versuchen zu verstehen. Das ist ja auch schon mal was. Also ich finde das hier ehrlich gesagt viel, viel schwerer. Aber gut, jeder hat seine Vorlieben. Okay, also du hast es noch vor Augen, oder? Wir haben ein drehendes Nudelholz mit Macaroni außen dran und ein Zahnrad, das von außen über die Macaroni drüber läuft. Check. Und jetzt kommt es halt darauf an: Immer wenn da eine Macaroni kommt, dann dreht sich das Zahnrad. Ja, okay, das kann ich mir vorstellen. Und weil die Macaroni alle unterschiedlich lang sind, hängt es halt davon ab, wo, also auf welcher Höhe läuft das Zahnrad, wie viele Macaronis sind dein Weg, wenn einmal das Nudelholz rumfährt. Ah, weil zum Beispiel ganz unten nimmt es nur die längste Macaroni mit. Richtig! Ja. Von Gottfried Wilhelm Leibniz, über den wir im Podcast auch schon gesprochen haben. Alter Bekannter, ich erinnere mich. Da ging es um diesen Plagiatsstreit mit Newton. Aber zurück zur Staffelwalze. Du hast ja eben gesagt, doppelte Staffelwalze. Wieso denn das? Ja, das ist sozusagen die Innovation von Herdstark. Also die erste Staffelung ist quasi, wie viele Macaroni liegen auf dem Weg. Das ist die Zahl, die addiert wird. Und die zweite Staffelung sorgt dafür, dass das auch bei mehrstelligen Zahlen alles funktioniert. Also man könnte sagen, die Kurta kann selbst die Zehnerperle nehmen und andere Perlen wieder zurückschieben. Das macht alles die Maschine. Deswegen musst du nur kurbeln. Also super cool! Das ist ja schon fast wie so ein kleiner Computer, den man mit sich führt. Naja, nicht ganz. Also mit der Kurta kannst du schon super viel machen und ausrechnen. Aber die Kurta ist keine richtige Rechenmaschine, also kein richtiger Computer. Aber rechnen kann sie doch? Ja, die vier Grundrechenarten, also Plus, Minus, Mal und Geteilt, deckt die Kurta schon ab. Aber ein Computer, also eine Rechenmaschine, wie es früher hieß, der kann halt viel mehr. Rechenmaschinen zeichnen sich nämlich dadurch aus, dass sie Algorithmen ausführen können. Das sind Rechenvorschriften, die es ermöglichen, jede beliebige Berechnung vorzunehmen. Also von einfachen Summen bis hin zu komplizierten Integralen von Funktionen zum Beispiel. Okay, und das kann die Kurta nicht? Nein. Also ich habe ja am Anfang erwähnt, dass es möglich ist, mit der Kurta auch die Wurzel von einer Zahl zu ziehen. Dafür muss man auch einen Algorithmus ausführen, aber händisch. Also du musst immer wieder Zahlen voneinander abziehen, addieren, multiplizieren in ganz vielen Schritten nacheinander. Das kann die Kurta nicht von alleine. Es ist immer halt ein Mensch nötig, der nacheinander diese Schritte durchführt. Eine Rechenmaschine soll aber genau das ohne menschliches Eingreifen schaffen. Sie muss quasi von selbst die benötigten Schritte ergreifen. Die Kurta braucht also immer noch den Menschen, um wirklich komplizierte Rechnungen zu machen. Ja, aber sie braucht deutlich weniger menschliches Handeln als zum Beispiel ein Abakus. Die Kurta ist halt ein einfacher Taschenrechner, der aber rein mechanisch funktioniert und keinen Strom oder so braucht. Das kann ich echt nicht oft genug betonen. Das ist eigentlich super, super cool! Also ich muss ja sagen, ich bin trotzdem sehr froh, dass ich meinen Solartaschenrechner früher in der Schule schon hatte. Ich konnte nämlich noch nie super Kopfrechnen und ich glaube, auch die Kurta hätte mir da nur bedingt geholfen, muss ich gestehen. Also ich bin ja auch super schlecht im Kopfrechnen. Oft denken die Leute hier bei Spektrum in der Redaktion, weil ich gut in Mathe bin, dass ich dann auch automatisch gut rechnen kann. Aber ich versage da echt auf voller Linie und brauche immer wieder einen Taschenrechner. Und wer meine Kolumne regelmäßig liest, wird bestimmt auch schon den einen oder anderen peinlichen Rechenfehler bemerkt haben, der mir und meinen Gegenlesern aus der Redaktion gelegentlich durchschlüpft. Also Mathe ist halt eben nicht automatisch Rechnen. Das kann ich immer wieder nur betonen. Und ja, zum Glück für mich. Also ich kann dazu eine Geschichte erzählen aus der Grundschulzeit. Im Matheunterricht gab es ein Spiel, das wir ständig gespielt haben. Es haben sich zwei Schülerschlangen gebildet und jeweils die beiden ersten der Schlangen traten zu einem Kopfrechnen-Duell an. Die Lehrerin hat eine Rechnung angegeben und der, der schneller das korrekte Ergebnis fand, hat den Verlierer mit zur eigenen Schlange genommen. Oh Gott, da kriege ich schon bei der Vorstellung Schweißausbrüche! Am Ende des Tages hat halt immer die längere Schlange gewonnen. Und ich muss sagen, in meiner gesamten Schulzeit habe ich nur zweimal in so einem Duell verloren. Warum? Wundert mich das jetzt irgendwie nicht. Du hast auf jeden Fall gerade so eine lang verschollene Erinnerung an meinen Grundschulmatheunterricht wieder hochgeholt. Da haben wir immer Eckenrechnen gespielt. Das ist so ein ähnliches Prinzip. Die Kinder verteilen sich auf die vier Ecken des Raumes. Die Lehrerin oder der Lehrer stellt eine Rechenaufgabe und wer als erstes laut das richtige Ergebnis sagt, darf dann eine Ecke weitergehen. Und wer dann zuerst einmal rum ist, hat gewonnen und die anderen dürfen oder müssen weiterspielen. Das klingt eigentlich ganz cool. Das ist ja so wie eine Kombo aus Kopfrechnen und Baseball, oder? Ja, stimmt. Kann man damit vergleichen. Aber ich weiß nicht, ich glaube, ich verrate nicht zu viel. In Baseball war ich jetzt auch nicht gut. Die Kombination hat nicht geholfen. Ich finde das Fiese, wenn man jetzt Bock auf Kopfrechnen hat und gut ist, dann ist man ja auch super schnell fertig und womöglich traurig, dass man nicht noch mehr rechnen kann. Aber andersherum, diejenigen, die am schlechtesten im Kopfrechnen sind, die müssen am längsten im Raum rumstehen. Also da wäre mir euer Schlangenrechnen sogar lieber gewesen. Da ist man als Kopfrechenloser wenigstens nicht so lange im Fokus. Kurt Herzstark hat den ersten Taschenrechner erfunden. Eine echte Innovation, die unter den grausamsten Umständen zustande gekommen ist. Und an der man sieht, wie schnelllebig die technische Entwicklung auch damals schon war. Denn schon seit den 70er Jahren ist die Kurta eigentlich eher ein Vintage Gadget, wenn auch ein ziemlich cooles. Manu und Demian haben mir jedenfalls beide verraten, dass sie sich sehr über eine geschenkte Kurta zum Geburtstag freuen würden. Aber ja, das kann ich mir glaube ich nicht leisten. In der nächsten Folge geht es hier um ein Gebiet der Mathematik, bei der ein Taschenrechner nicht weiterhilft. So wie ja eigentlich meistens bei uns hier im Podcast. Es wird um algebraische Geometrie gehen und um eine Frau, die sich im Gefängnis endgültig für eine Karriere in der Mathematik entschieden hat. Außerdem streifen wir in zwei Wochen eine Frage, die euch wahrscheinlich auch schon umtreibt, wenn ihr diesen Podcast gerne hört: Was ist eigentlich die perfekte Math Life Balance? Die Antwort gibt’s dann hier in zwei Wochen. Bis dahin macht’s gut, abonniert Geschichten aus der Mathematik und genießt den Sommer. Geschichten aus der Mathematik ist eine Kooperation vom Podcast Radio detektor.fm und Spektrum der Wissenschaft. Die Idee für den Podcast und die Story kommen von Demian Naul Goos. Die Mathematik erklärt hat Manon Bischoff. Die Redaktion übernommen hat Charlotte Thielmann. Und mitgeholfen haben Demian Naul Goos und Manon Bischoff. Die Musik kommt von Tim Schmutzler. Die Folge produziert hat Stanley Baldauf und die Moderation kommt von mir, Caroline Breitschädel. Alle Folgen findet ihr auf detektor.fm und spektrum.de. Untertitel im Auftrag des ZDF 2021.