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Bild: Everett Collection | Shutterstock.com

Geschichten aus der Mathematik | Survivorship Bias

Die Illusion des Erfolgs

Das US-amerikanische Militär hat im Zweiten Weltkrieg ein Problem: Viele Flieger ihrer Luftwaffe kehren gar nicht oder stark beschädigt zurück. Die US Air Force bittet den Mathematiker Abraham Wald um Hilfe: Er soll mit statistischen Methoden herausfinden, wie das Militär seine Flugzeuge sicherer machen kann.

Abraham Walds Blick aufs Unsichtbare

Dass Militärs mit Mathematikern zusammenarbeiten, kommt in der Geschichte öfter vor — so auch in den 1940er-Jahren: Weil das US-Militär sehr viele Verluste bei seiner Luftwaffe verzeichnet, wendet sich die US Air Force an Wissenschaftler, darunter auch an den rumänisch-US-amerikanischen Statistiker Abraham Wald. Es geht um die Frage: Wie soll die US-Luftwaffe ihre Flieger am besten verstärken, damit diese widerstandsfähiger werden?

Nun könnte man meinen, die Air Force müsse einfach analysieren, wo die zurückgekehrten Flugzeuge am häufigsten getroffen wurden — und genau an den Stellen die Maschinen verstärken. Doch das ist ein Irrglaube, ein Denkfehler infolge des sogenannten Survivorship Bias.

Entscheidend sind nämlich nicht die Einschusslöcher in den zurückgekehrten Flugzeugen. Viel ausschlaggebender sind die Maschinen, die abgeschossen wurden und nicht mehr zurückfliegen konnten.

Demian Nahuel Goos, Mathematiker

Demian Nahuel Goos, MathematikerFoto: Chris Coe

Der Survivorship Bias und die Statistik

Der Survivorship Bias beschreibt, dass wir wegen einer kognitiven Verzerrung dazu neigen, den Überlebenden und Erfolgreichen in unseren Analysen zu viel Aufmerksamkeit zu schenken. Dabei ist es wichtig, auch auf die zu schauen, die gescheitert sind, denn nur so bekommen wir ein realistisches Bild. Das weiß Abraham Wald. Doch es gibt eine Datenlücke: Zu einem besonders wichtigen Teil der Daten, nämlich dem der verschollenen abgeschossenen Flugzeuge, hat er keinen Zugang.

Er muss also mit den Daten der zurückgekehrten Flugzeuge arbeiten und entwickelt zunächst ein vereinfachtes mathematisches Modell. Mit diesem kann er die Wahrscheinlichkeit dafür berechnen, dass ein Flugzeug grundsätzlich einen Einschuss übersteht. Danach verfeinert er sein Modell, um die gefährlichsten Trefferzonen zu bestimmen.

Wald unterteilt die Maschinen in vier Zonen: Motor, Rumpf, Kraftstoffsystem und den Rest. Und jetzt will er wissen: Mit welcher Wahrscheinlichkeit übersteht ein Flugzeug einen Schuss, wenn ein bestimmter Bereich getroffen wird?

Manon Bischoff, Mathe-Redakteurin bei Spektrum der Wissenschaft

Manon Bischoff, Mathe-Redakteurin bei Spektrum der WissenschaftFoto: privat

Es gelingt Abraham Wald, die Schwachstellen der Kriegsflugzeuge statistisch zu ermitteln und seine Ergebnisse beeinflussen das Design von Kriegsflugzeugen langfristig. Er hat also nicht nur dazu beigetragen, dass Militärflugzeuge sicherer werden, er hat auch gezeigt, wie Mathematik dabei helfen kann, blinde Flecken in Analysen zu erkennen.

Wie schafft Abraham Wald es, trotz fehlender Daten die empfindlichsten Bereiche der Flugzeuge auszumachen — und welcher Mythos rankt sich um die ganze Geschichte? Warum fällt es uns so schwer, kognitive Verzerrungen zu bemerken? Und welche Gefahren birgt der Survivorship Bias? Darüber sprechen detektor.fm-Moderatorin Karolin Breitschädel, Spektrum der Wissenschaft-Redakteurin Manon Bischoff und Mathematiker Demian Nahuel Goos in dieser Folge von „Geschichten aus der Mathematik“.

„Geschichten aus der Mathematik“ ist ein detektor.fm-Podcast in Kooperation mit Spektrum der Wissenschaft. Die Idee für diesen Podcast hat Demian Nahuel Goos am MIP.labor entwickelt, der Ideenwerkstatt für Wissenschaftsjournalismus zu Mathematik, Informatik und Physik an der Freien Universität Berlin, ermöglicht durch die Klaus Tschira Stiftung.

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