Heute tauchen wir ein in eine Welt, die wir jeden Tag hören, und doch kaum verstehen: die Wissenschaft der Stimme. Was verrät uns unsere Stimme wirklich? Kann man zum Beispiel hören, wie jemand aussieht, woher eine Person kommt oder ob sie lügt? Darum geht es heute bei uns im Spektrum-Podcast. Mein Name ist Max Zimmer. Schön, dass ihr dabei seid. Spektrum der Wissenschaft – der Podcast von detektor.fm. Wenn ihr viele Podcasts hört, dann wisst ihr: Jede Stimme ist unterschiedlich. Jeder Mensch hat eine ganz eigene Art zu sprechen. Manche Leute reden sehr schnell, andere reden eher langsam. Bei manchen hört man so ein bisschen vielleicht einen Dialekt raus, bei anderen hört man den sehr stark, bei wieder anderen überhaupt nicht. Es gibt Leute, die lispeln, es gibt Leute, die immer wieder so Wortendungen verschlucken. Es gibt tiefe Stimmen, hohe Stimmen, melodische und monotone. Und natürlich ist all das am Ende nichts anderes als Physik. Unsere Stimme basiert nämlich auf Schwingungen, Luftdruck und Schallwellen. Und genau deshalb gibt es auch Menschen, die ganz genau analysieren, wie wir Menschen sprechen, zum Beispiel, um Verbrechen aufzuklären. Forensische Phonetik nennt sich dieses Fachgebiet. Vielleicht kennt ihr die Thriller-Reihe Auris. Die ist von Vincent Klich und basiert auf den Ideen des berühmten Bestsellerautors Sebastian Fitzek. Da klingelt bestimmt was bei euch. Und in dieser Auris-Reihe geht es um einen forensischen Phonetiker namens Matthias Hegel, der mit seinem wirklich außergewöhnlich gut geschulten Gehör Lügen aufklären und Bösewichte überführen kann. Aber geht sowas wirklich? Wie sieht die Wissenschaft der Phonetik tatsächlich aus und wo stoßen der Thriller und die reale Praxis an ihre Grenzen? Das hat sich Laura Lehmann von Spektrum der Wissenschaft angeschaut. Total spannendes Thema, und deshalb freue ich mich, dass Laura heute mein Gast hier im Podcast ist. Hallo Laura! Hallo Max! Ich freue mich, hier zu sein. Ja, schön, dass du da bist. Und jetzt habt ihr schon mal einen Eindruck von Lauras Stimme bekommen. Laura, was ist denn eigentlich unsere Stimme, wenn man es mal so physikalisch betrachtet? Nun ja, also du hast ja schon gesagt, dass Töne, Geräusche und auch unsere Stimme physikalisch betrachtet eigentlich nichts anderes als Schwingungen sind. Also eben minimale Luftdruckschwankungen, die sich irgendwie in der Luft ausbreiten und im Gehirn als akustische Signale dann ankommen. Und dann setzt sich das Klangbild, das uns so umgibt, zu einem total großen Chor zusammen. Also einem Chor aus Störgeräuschen, Hintergrundlärm und eben so einem Stimmengewirr. Und ich würde gleich am Anfang gern den Protagonisten Matthias Hegel einmal zitieren. Er sagt nämlich: „Hat man erst einmal verstanden, dass Töne physikalische Fakten sind, dann eröffnet sich einem eine Welt, die den weitaus meisten Menschen verborgen bleibt.“ Und ich finde, da hat er total recht. Also in dem, was wir hören können, steckt nämlich unglaublich viel drin und eigentlich viel mehr, als uns bewusst ist. Ja, Matthias Hegel ist dieser Protagonist aus der erwähnten Buchreihe Auris. Hast du die selber gelesen eigentlich oder wie kamst du auf das Thema? Ja, ja, die habe ich alle gelesen, wenn nicht sogar verschlungen. Also es sind sechs Bände jetzt. Es kam dieses Jahr der sechste raus und genau total spannend, total empfehlenswert. Alles klar. Und also der Protagonist ist eben forensischer Phonetiker. Was machen die denn? Naja, also an sich die forensischen Phonetiker und Phonetikerinnen, die wollen zwischen die Zeilen hören. Also die wollen versuchen, diese ganzen feinen Nuancen und Eigenheiten, die in der Stimme versteckt sind, herauszufiltern und eben so bei Kriminalfällen helfen. Und in ihrem Arbeitsalltag unterscheidet man sich zwischen Stimmenanalyse und Stimmenvergleich. Und die Stimmenanalyse kommt so zum Einsatz, wenn zum Beispiel eine tatrelevante anonyme Aufzeichnung vorliegt, aber eben noch keine verdächtige Person. Also dann geht es darum, aus der Stimme erst mal ganz viel Informationen rauszuhören. Also zum Beispiel biologische, soziale oder regionale Merkmale und natürlich auch so individuelle sprachliche Besonderheiten. Und wie du vorhin schon gesagt hast, dafür braucht man ein besonders geschultes und trainiertes Gehör. Also man sollte nicht darauf hören, was gesagt wird, sondern wie etwas gesagt wird. Und das Problem bei uns Normalos, sage ich jetzt mal so, dass wir evolutionär sehr darauf getrimmt sind, nur ausgewählte Frequenzen besonders gut wahrzunehmen und andere eben auszublenden. Also wir sind gut darauf trainiert, vorherzusagen, in welchem Frequenzbereich die nächste Information liegt, die für uns relevant ist, und hören dann halt speziell dorthin. Und eben so geschulte Ohren versuchen eben, das ganze Spektrum ein bisschen mehr im Blick zu behalten oder in den Ohren zu behalten. Und genau der Stimmenvergleich dann also, wenn eine verdächtige Person irgendwie identifiziert wurde, dann muss man prüfen: Passt jetzt diese Person, die gefunden wurde, tatsächlich auch zu der anonymen Aufnahme? Und da kommen dann auch akustische Messungen zum Einsatz, also Analysen der Grundfrequenz oder andere stimmliche Parameter. Du hast ja gerade schon erklärt, dass unsere Stimme eigentlich auch nur Physik ist oder das, was wir hören, nur Physik ist. Was beeinflusst denn, wie wir sprechen? Ja, das ist eine super schwierige Frage, weil es super komplex ist. Also da stecken unglaublich viele Faktoren drin. Deswegen ist auch so das Berufsfeld der Phonetiker und Phonetikerinnen sehr aufgestaffelt, würde ich mal sagen. Also es reicht von der Akustik über die Physiologie bis zur Psychologie. Und eben ein Teil davon, was die Stimme beeinflusst, ist rein anatomisch. Also unsere Stimmlippen oder auch Stimmbänder genannt, bestimmen zum Beispiel, wie unsere Stimme klingt. Also je nachdem, wie sie schwingen, klingen wir rau, gepresst oder weich. Und auch die Länge der Stimmlippen bestimmt die Grundfrequenz unserer Stimme, also wie hoch oder tief wir grundsätzlich klingen. Und dann gibt es noch den sogenannten Vokaltrakt, also der Resonanzraum zwischen Stimmlippen und Mundöffnung. Und dazu gehört zum Beispiel auch die Nasenhöhle. Und das kennt, denke ich, jeder: Wenn wir erkältet sind und irgendwie die Luftzufuhr da blockiert ist, dann klingen wir total nasal. Und das ist einfach, weil der Resonanzraum sich verändert hat. Und genau in diesem Vokaltrakt formen wir quasi unseren Klang. Also bestimmte Obertöne werden verstärkt von dem Frequenzspektrum. Und diese Resonanz nennen wir dann Formanten. Und die formen dann das charakteristische Muster. Also so unterscheiden sich dann die Formanten von verschiedenen Vokalen zum Beispiel. Also man kann sehr, sehr viel an der Stimme untersuchen. Hört man da schon raus? Und deswegen wollen wir mal ein bisschen gucken auf die Arbeit dieser forensischen Phonetiker. Wir kennen ja zum Beispiel alle aus Krimis den genetischen Fingerabdruck durch DNA und so. Das hat sich so ein bisschen etabliert und spielt eigentlich in jedem Krimi eine Rolle. Laura, inwiefern gibt es denn so etwas wie einen phonetischen Fingerabdruck? Ja, leider gibt es das nicht wirklich. Also eben, wie du meinst, man hat so ein Bild im Kopf von Ermittlungsserien. Man hat zwei Frequenzspektren und legt die übereinander. Dann sehen die exakt gleich aus. Und ja, schon hat man die Person eindeutig identifiziert. Das funktioniert leider nicht, weil kein Mensch sich anhand der gemessenen Frequenzen zweifelsfrei identifizieren lässt. Also dafür variiert unsere Stimme einfach viel zu stark, ob bewusst oder unbewusst. Und trotzdem gibt es natürlich ein paar sprecherunterscheidende Merkmale, die analysiert werden können. Also das sind dann Einflüsse wie Floskeln, das Sprechtempo, individuelle Sprechgewohnheiten, eben anatomische oder auch regionale Faktoren. Die Analyse der Regionalsprache, also wo unsere Sprache erlernt wurde, gehört zum Beispiel zum Standard der forensischen Phonetik. Und Dialekt und Akzent zeigt sich eben nicht nur in der Wortwahl oder in bestimmten Ausdrücken, sondern auch in der Artikulation. Zum Beispiel: Wie weit öffnen wir unseren Mund oder wo ist die Zunge positioniert? Und so klingt eine Person mit bayerischer Sprachprägung meist irgendwie tiefer und voluminöser als jemand, der irgendwie aus Hamburg kommt. In der Buchreihe, die du so verschlungen hast, also dieser Auris- Reihe, da wird sogar ein akustisches Phantombild erstellt. Also Phantombilder kennen wir ja alle. Da wird irgendwie auf, quasi basierend auf Zeugenaussagen, so ein Gesicht gemalt, das dann so halbwegs vielleicht übereinkommt. Das kann man dann irgendwo aushängen, um den Täter oder die Täterin zu finden. Und im Roman sagt dieser Phonetiker wirklich quasi körperliche Merkmale, also das Aussehen der Leute, anhand der Stimme voraus. Inwiefern geht denn sowas wirklich? Ja, genau. Also er sagt da wirklich wörtlich: „Der Täter ist 1,70 Meter groß, maximal 1,75 oder so.“ Er sagt: „Ja, er ist maximal 40 Jahre, er ist eher übergewichtig.“ Und hört das eben alles quasi nur an der Stimme in einem Anruf raus. Und ich meine, das kennen wir ja auch alle. Also in gewisser Weise machen wir täglich irgendwie Spekulationen, wenn wir jemanden nur hören. Also zum Beispiel eben, wenn wir auch so einen Podcast hören, da entsteht vor unserem inneren Auge sofort ein Bild von der Person. Wie sieht die Person jetzt aus? Alter, Größe, Geschlecht und so weiter. Aber oft liegen wir da auch ganz schön daneben, weil so viel geht da tatsächlich gar nicht. Also was geht, ist das Alter, und das kann man an der Stimme recht gut einschätzen sogar. Also man spricht in so einem Rahmen von fünf bis zehn Jahren. Das hängt aber auch dann davon ab, wie gut jemand mit seiner Stimme umgeht. Also jetzt jemand, der viel raucht oder in einer Metalband singt oder irgendwie die Stimme dauerhaft belastet, der wird auf jeden Fall älter klingen als jemand, der all das nicht tut. Und interessant ist da auch, wie gut wir das Alter abschätzen können. Das variiert zwischen Frauen und Männern. Also bei Frauen verändert sich die Stimme kontinuierlich, wenn wir älter werden, und bei Männern dagegen in Sprüngen. Und deswegen ist es bei Frauen meistens einfacher, das einzuschätzen. Interessant, okay. Ja, und im Alter kann man irgendwie gut abschätzen, aber bei der Körpergröße ist es ganz anders. Also das ist eigentlich totale Spekulation. Man kann zwar hören, wie groß eine Person klingt, das hat aber nichts mit der tatsächlichen Körpergröße zu tun. Was da interessant ist, ist, dass wir uns da recht einig sind. Also wenn wir eine Person nur hören, aber nicht sehen, dann schätzen wir die meistens alle gleich groß ein. Aber eben, das hat nichts mit der wahren Körpergröße zu tun, weil das hängt nur damit zusammen, wie lang unser Vokaltrakt ist. Also Abstand zwischen Stimmlippen und Mundöffnung. Und diesen Eindruck, also diese gehörte Größe, können wir auch manipulieren. Also wenn wir zum Beispiel lächeln, erzeugen wir so eine höhere und fast schon unterwürfige Stimme. Und wenn wir die Lippen eher vorschieben, dann klingen wir tiefer oder schwerer. Und beim Gewicht ist es ähnlich wie bei der Körpergröße. Wir können an der Stimme auch nicht hören, wie viel jemand wiegt. Da könnte höchstens ein vorsichtiger Hinweis, so die Atmung, sein, also ein ausgeprägtes Schnaufen. Aber das ist natürlich schwierig, weil das kann ja auch ganz andere Ursachen haben. Es könnte auch eine Atemwegserkrankung sein oder einfach körperliche Anstrengung. Und wie ist es bei Emotionen zum Beispiel? Ich kenne Leute, vielleicht gehöre ich auch selber dazu, ich bilde mir manchmal ein, dass ich am Telefon bei Freunden hören kann, ob die gerade gut drauf sind oder nicht. In diesen Romanen werden auch Emotionen analysiert anhand der Stimme. Da hört man quasi Angst oder Trauer oder vielleicht auch eine Erkrankung in der Mentalen raus. Also zumindest diese geschulten Phonetiker. Was hat es denn damit auf sich? Ist das möglich? Ja, genau. Also Hegel hört sehr oft Traurigkeit und eben auch tatsächlich Depressionen, also mentale Erkrankungen. Dann beschreibt er die Stimme irgendwie tief, schwer und monoton. Und tatsächlich zeigen Menschen mit Depressionen manchmal eine gewisse Stimmsignatur, also sprechen mit einem leiseren Klang oder weniger Variation. Und das geht bedingt, das rauszuhören. Nämlich, wenn wir jetzt eine Person haben, die uns extrem nahe steht oder die wir extrem gut kennen, also unseren Partner, unsere Partnerin, irgendwie einen Elternteil, dann können wir über die Stimme tatsächlich sehr viel über die Befindlichkeit heraushören. Aber halt nur, weil wir die Person so gut kennen und so gut mit der Stimme auch vertraut sind. Also wir können einschätzen, wie die Person normalerweise klingt, was sich verändert hat und wie die Person in bestimmten Situationen ist reagieren würde. Jetzt bei einer fremden und anonymen Stimme ist es mit äußerster Vorsicht zu betrachten, weil es gibt Menschen, die klingen immer total melodiös. Es gibt Menschen, die klingen immer monoton und traurig, und man kann daraus also keine verlässlichen Rückschlüsse auf Emotionen oder gar psychische Erkrankungen schließen. Und ja, das ist nicht nur ungenau, sondern das ist sogar verboten in forensischen Kontexten. Also die Internationale Vereinigung der forensischen Phonetik untersagt genau solche Spekulationen, einfach weil sie wissenschaftlich überhaupt nicht eindeutig sind. Und deshalb würden sie den Protagonisten Hegel, glaube ich, dort auch nicht als Mitglied aufnehmen. Okay, und das bringt mich jetzt irgendwie auch schon so ein bisschen. Wir waren schon bei so Emotionen erkennen. Das führt natürlich schnell zu eigentlich vielleicht der spannendsten Frage: Kann man den Lügen entlarven anhand der Stimme? Darum geht es ja viel dann auch bei Ermittlungen. Nun ja, es gibt tatsächlich Merkmale, die sich in der Stimme niederschlagen, die irgendwie auf Lügen hindeuten könnten, aber es halt nicht müssen. Also zum Beispiel verwenden wir ganz selbstverständlich sogenannte Hesitationen, also „Äh“ und „Ähm“. Das habe ich heute sicher auch schon ganz oft gemacht. Und oft wird behauptet, dass das Fehlen solcher gefüllten Pausen ein Beweis ist, dass jemand lügt. Sie stehen nämlich ganz grob für den Planungsprozess einer Aussage. Also wir verzögern unser Sprechen, weil wir halt überlegen müssen, was wir als nächstes sagen wollen. Und wenn wir jetzt eine Lüge gut vorbereiten, uns vorher überlegen, was wir sagen wollen, dann fehlen manchmal diese Hesitationen. Klingt erstmal plausibel, aber an sich ist es nicht ganz verlässlich, weil erstmal variiert es zwischen den Personen, wie viel Hesitationen wir einsetzen. Manche machen einfach nur längere Pausen. Und was ist denn, wenn wir eine wahre Geschichte schon zum unzähligsten Mal jetzt erzählen? Dann brauchen wir auch keine Planungszeit, also keine Hesitationen. Und auf der anderen Seite, wenn wir eine spontane Lüge erzählen wollen, dann müssen wir die ja auch planen. Und dann tauchen ja auch wieder „Äs“ und „Äms“ auf. Aber diese Hesitationen sind trotzdem eigentlich nützlich, weil wir benutzen sie so unbewusst und individuell, dass sie dann wiederum ein Indikator sein können, um eine Person zu identifizieren. Also wenn man einen Sprechervergleich macht und zwei Personen hat oder zwei Aufnahmen hat, dann kann man leichter herausfinden, ob das tatsächlich zu der Sprecher oder Sprecherin gehört, anhand dieser Hesitationen. Es gibt noch andere Merkmale, die auf eine mögliche Lüge hindeuten könnten. Zum Beispiel ist Lügen meistens mit Stress verbunden. Also das merke ich bei mir selbst auch. Ich bin ganz schlechte Lügnerin, und dieser Stress, der kann auch die Stimme beeinflussen. Also dann steigt die Stimmhöhe und die Lautstärke schwankt oder auch manchmal die Frequenz. Aber es ist halt auch mal wieder nicht eindeutig. Also solche Veränderungen können auch entstehen, wenn wir einfach allgemein aufgeregt sind oder schon lange geredet haben oder irgendwie die Stimme vom Alter her schon zittrig ist. Also so ein wandelnder Lügendetektor, den gibt es leider nicht. Schön, wie du erklärst, wie viele verschiedene Sachen man doch an der Stimme erkennen kann, aber eben auch nicht muss. Also es ist alles kein direkter Weg hin zu einer Erkenntnis über jemanden. Ich würde nochmal auf diese Buchreihe eingehen, weil in diesen Thrillern, da geht es eben viel um die Stimmen, klar, weil er die analysiert, der Hauptcharakter. Aber generell geht es da auch einfach um akustische Phänomene. Also es wird sich viel mit Akustik beschäftigt, und das ist natürlich physikalisch auch irgendwie interessant. Zum Beispiel gibt es da die Idee von einer, ich sag mal, akustischen Bombe mit einer zerstörerischen Wirkung. Vielleicht kannst du mal kurz erklären, was es damit auf sich hat und auch wie realistisch das ist. Ja, genau. Die Szene bezieht sich tatsächlich auf einen echten physikalischen Effekt, also die konstruktive Interferenz. Es wird im Thriller allerdings extrem überhöht dargestellt. Also, wie du schon gesagt hast, es geht um eine Bombe aus sich gegenseitig verstärkenden Schallwellen. Also da werden unzählige Lautsprecher so ausgerichtet, dass die Schallwellen sich perfekt überlagern. Das heißt, immer Wellenberg auf Wellenberg, bis der Schall eine Art quasi gebündelte Druckwelle erzeugt. Und für so eine zerstörerische Wirkung wären aber Drücke im Bereich von 10.000 bis 100.000 Pascal nötig. Und wenn wir jetzt an laute Musik denken, dann erreicht die typischerweise nur so wenige Pascal. Das heißt, man bräuchte schon ganz schön viel Verstärkung und müsste die Schallwellen äußerst präzise ausrichten, damit die Wellenberge aufeinandertreffen und eben halt nicht nur einmal, sondern tausende Male, dass die Amplituden sich addieren und so massiv verstärken. Und bei so hohen Drücken treten jetzt aber so Nichtlinearitäten auf. Also es heißt, die Schwingungen verlieren ihre klassische Form und es entwickeln sich Stoßwellen, und das ganze Verhalten wird viel, viel komplexer. Außerdem bräuchte es sehr, sehr hohe Frequenzen, um das so präzise anzusteuern. Und diese würden dann aber wiederum stark gedämpft werden. Das heißt, so eine präzise Phasensteuerung von ganz vielen Quellen, das ist praktisch unmöglich. Noch eine andere Sache, die wir gut aus allen möglichen Kriminalgeschichten kennen, sind so Tonaufnahmen. Die spielen ganz oft eine Rolle. Da hat irgendwo irgendwer was aufgezeichnet, aber es ist möglicherweise irgendwie total verrauscht. Man versteht das nicht so richtig, aber es könnte sein, dass da irgendwo noch eine brauchbare Information drin steckt. Und dann geht das meistens irgendwo an eine Abteilung bei den Kriminaltechnikern oder so, und der schafft es dann mit viel Gefriemel, dass da irgendwie so einzelne Geräusche getrennt werden und man irgendwann wieder alles versteht oder zumindest einen Teil. Das sehen wir sehr oft. Inwiefern ist denn so was eigentlich machbar? Ja, grundsätzlich gilt: Geräusche lassen sich eigentlich nur voneinander trennen, wenn sie sich in unterschiedlichen Frequenzen bewegen. Also eben, was du angesprochen hast, sieht man auch in den Auris-Büchern. Da wird zum Beispiel eine geheime Botschaft unter einem nachträglich eingefügten Lärm von Autobahn und Wind absichtlich versteckt. Und der Protagonist Hegel trennt dann diese Signale und legt eben so die ursprüngliche Nachricht wieder frei. Das Problem hier ist, dass diese breitbandigen Störgeräusche, also Verkehrslärm und Wind, eigentlich das gesamte Frequenzspektrum der menschlichen Sprache überlappen. Das heißt, die sind kaum von der Stimme zu unterscheiden. Und das Ganze verhält sich dann nicht wie so eine Schwarzwälder Kirschtorte, bei der man einfach eine Schicht abnehmen kann, ohne die andere zu beschädigen, sondern eher wie so ein Rührei. Und das kann man ja hinterher auch nicht mehr in einzelne Eier trennen. Um so ein Geräusch einfach isolieren zu können und quasi wegschmeißen zu können, bräuchte man eben eine deutlich andere Frequenz. Also zum Beispiel ein lautes Brummen. Das wäre jetzt aber als versteckt nicht besonders gut geeignet, weil sowas würde natürlich total schnell auffallen. In den Büchern treiben sie es ja sogar noch weiter. Sie haben teilweise sogar Videoaufnahmen, die keinen Ton haben, und die können dann trotzdem erkennen, was die Leute darauf sagen. Wirkt für mich als Laien erst mal wissenschaftlich irgendwie nicht haltbar. Ja, also das ist auch total krass, erst mal, wenn man diesen Effekt liest oder diesen Kniff, den sie da nutzen. Das ist aber auch physikalisch super interessant. Also genau, wie du gesagt hast, sie haben eine Videoaufzeichnung von einer Lampe mit verschiedenen großen Klübieren, und dann rekonstruieren sie quasi anhand der optischen Schwingungen, die sie da sehen, was in dem Raum gesprochen wurde und schließlich dann, wie das Opfer dort zu Tode gekommen ist, quasi. Und es wird im Buch auch physikalisch begründet. Die Klübieren wirken nämlich wie Helmholtzresonatoren. Das heißt, sie schwingen besonders stark bei einer bestimmten Frequenz. Und je nachdem, welche Birne nun wann schwingt, rekonstruiert Hegel dann die Frequenzen und dann die Sprache. Und sie bewegen sich da eigentlich nah an der Grenze zwischen realer Forschung und Science-Fiction. Es gibt nämlich Forschende am MIT, die haben sowas Ähnliches schon gemacht. Die haben mit Hochgeschwindigkeitskameras winzige Bewegungen an Objekten registriert und dann den Schall quasi so zurückgerechnet. Es waren aber hier dann keine Resonatoren wie im Buch, sondern Objekte, die wie eine Membran fungiert haben. Es waren ganz alltägliche Gegenstände tatsächlich, also zum Beispiel eine Chips-Tüte oder Alufolie. Da konnten sie dann tatsächlich anhand der Schwingung dieser Objekte wiederherstellen, was neben den Objekten gesprochen wurde. Da ist aber das große Problem: Die schwingen ja im gesamten Frequenzspektrum auch mit. Und sobald Hintergrundgeräusche dazukommen, dann ist es eigentlich unmöglich, die Worte wiederherzustellen, weil es sich nicht trennen lässt. Also wie Rührei eben. Und ich glaube, deswegen haben die Autoren sich vielleicht auch für diese Resonatoren entschieden, weil die halt nur auf bestimmte Frequenzen ansprechen und das Frequenzspektrum quasi aufspalten. Dafür bräuchte es aber natürlich auch Geräusche eben in verschiedenen Frequenzbereichen. Und ja, wer sagt es schon, dass die Störgeräusche dann dort liegen? Das heißt, das ist auch nicht so einfach. Und natürlich hat man die Begrenzung, dass die Resonanzen ja auch nur auf bestimmte Frequenzen zutreffen. Also es geht vielleicht auch ganz viel verloren. Und handelsübliche Glühbirnen würden wohl kaum auch in dem Bereich mitschwingen. Und Überwachungskameras hätten wahrscheinlich auch nicht die Bildrate und die Lichtempfindlichkeit. Also sagen wir jetzt mal realistisch eher unwahrscheinlich, aber im Buch sehr, sehr spannend. Ja, und es hat ja überhaupt eine Grundlage. Ich hätte jetzt gedacht, das ist komplett an den Haaren herbeigezogen. Nee, das ist total krass. Das bringt mich eigentlich auch zu meiner abschließenden Frage, Laura. Und zwar der nach deinem Fazit. Weil wir wissen, jetzt über dich: Die Physik ist deine Wissenschaft, und du wirst es da wahrscheinlich relativ genau nehmen. Und gleichzeitig hast du gesagt, hast du diese Bücher auch sehr, sehr genossen. Also wie fällt denn dein Fazit aus? Wird dann in der Fiktion jetzt das, was so eine forensische Phonetik leisten kann, zu sehr übertrieben? Oder sagst du, das Fuß irgendwie doch alles noch auf Dinge, die ich noch vertreten kann? Wie ist dein persönliches Fazit? Nun ja, also eben, ich liebe ja die Bücher, und natürlich habe ich auch einen physikalischen Hintergrund. Aber es ist eben auch so, also viele der phonetischen Effekte in den Büchern basieren ja auf realen physikalischen Prinzipien. Also die gibt es ja wirklich. Sie sind halt nur in der Dramaturgie ziemlich zugespitzt oder halt manchmal ein bisschen vereinfacht und stimmen deswegen jetzt mit der realen Forschungspraxis vielleicht nur bedingt überein. Und ja, auch die beschriebenen Eigenschaften der Stimme haben ja aber auch realistische Grundzüge. Also es lässt sich unendlich viel aus der Stimme heraus hören, das stimmt. Aber es lässt sich halt kaum etwas eindeutig zuordnen, was ja dann Hegel macht. Aber Hegel ist halt nun mal auch ein literarischer Held und keine realistische Figur. Und deswegen finde ich, das auch ganz richtig so. Er verbildlicht dann halt so ein bisschen das Zusammenspiel irgendwie aus den Möglichkeiten, die in der Phonetik stecken, und halt auch so ein bisschen dem kriminalistischen Geschick, das es dann braucht. Und genau das ist ja eigentlich das Schöne auch an den Büchern. Also selbst wenn einiges überspitzt ist, zeigen die Autoren halt, welche Faszination auch hinter dem steckt, was wir halt jeden Tag hören. Und das auf ganz fesselnde Weise. Deswegen, ja, letztlich ist es doch genau das, was einen guten Täter ausmacht, oder nicht? Voll! Also ich finde auch, diese dramatische Überspitzung, die finden wir ja nun auch in allen guten fiktionalen Werken. Und meistens, gerade bei so, ich sag mal, Ermittlercharakteren, ist es ja auch oft so, dass die einfach die Fähigkeiten auch leicht überzogen sind. Also wenn ich da jetzt irgendwie an Agatha Christie denke, oder sowas, die ganz alten Schinken, selbst da sind ja die Ermittler da, denkst du so: Ja, das kann also so viel Wissen und so viel ableiten kann man jetzt auch nicht. Man kommt immer ein bisschen drüber. Genau. Also, ihr hört raus, Laura liest diese Bücher sehr gerne, und vor allem ist das Thema wirklich extrem spannend. Und ihr könnt das alles nochmal nachlesen in Lauras Artikel auf spektrum.de. Da geht es ganz viel um die Stimme, ganz viel um diese Bücher und da wird auch nochmal genau erklärt, wie es denn mit den physikalischen Grundlagen der in den Büchern eben beschriebenen Szenen so aussieht. Und liebe Laura, dir sage ich vielen, vielen Dank, dass du uns das Thema hier mitgebracht hast. Ja, ich danke, dass ich hier sein durfte. Total gerne. Und auch euch danken wir. Das war es nämlich für diese Woche schon vom Spektrum-Podcast. Vielen, vielen Dank euch fürs Zuhören. Seid gern auch kommende Woche wieder dabei. Wie immer am Freitag gibt es dann eine neue Folge von uns. Bis dahin freue ich mich, wenn ihr den Podcast abonniert, kommentiert, bewertet und natürlich fleißig teilt. Das hilft uns sehr. Auch dafür nochmal vielen, vielen Dank. Mein Name ist Max Zimmer, und ich sage Tschüss und macht’s gut. Spektrum der Wissenschaft. Der Podcast von detektor.fm. Untertitel der Amara.org Community.