Wisst ihr, wonach Weihnachten riecht? Wer jetzt sagt Lebkuchen, Tannenduft oder Kerzen, der hat schon irgendwie recht, aber eben auch nur so halb. Denn Weihnachten riecht vor allem nach 4-Alyl-2-Methoxyphenol oder, als Formel gesagt, C10H12O2. Glaubt ihr nicht? Dann herzlich willkommen zu dieser vorweihnachtlichen Folge des Spektrum-Podcasts. Mein Name ist Max Zimmer. Schön, dass ihr dabei seid. Spektrum der Wissenschaft, der Podcast von detektor.fm. Ja, auch die Letzten werden es inzwischen gemerkt haben: Weihnachten steht vor der Tür und es ist das Fest der Liebe. Logisch, aber eben auch das Fest der Düfte. Kaum eine Zeit im Jahr steckt so voll wohltuender Gerüche. Egal, ob es der Weihnachtsbaum ist, Glühwein oder Plätzchen. Alles riecht und weckt ja wahrscheinlich bei euch auch, so wie bei mir, die schönsten Erinnerungen. Und warum das so ist und wonach Weihnachten eigentlich genau riecht, also chemisch betrachtet, das hat sich Spektrum der Wissenschaft angeschaut. Und wir wollen so kurz vor dem Fest natürlich auch hier im Podcast gerne mal darüber sprechen, und zwar mit Katharina Menne. Die ist Redakteurin bei Spektrum der Wissenschaft und heute mein Gast hier im Podcast. Hallo Katharina. Hallo Max. Katharina, steigen wir mal so ein: Welchen Geruch verbindest du denn am meisten mit Weihnachten? Also die meisten Gerüche, die ich mit Weihnachten verbinde, hast du eigentlich schon genannt. Für mich ist Weihnachten, wenn mir Tannengeruch in die Nase steigt. Deswegen bestehe ich auch immer darauf, dass wir eine echte Tanne zu Hause im Wohnzimmer stehen haben und keine Nordmanntanne. Die riecht nämlich nicht so intensiv. Und dann kommen noch so Gerüche dazu wie Nelken, Zimt, Vanille, Anis. Ja, und außerdem, auch das hast du schon gesagt, gibt es doch kaum etwas Besseres als den Duft von frisch gebackenen Plätzchen. Also ich werde dann immer wieder zum Kind und denke daran zurück, als Weihnachten noch so richtig magisch war und man den geschmückten Baum erst zu Gesicht bekommen hat, wenn das Glöckchen geklingelt hat, das Christkind da war und die Geschenke unterm Baum lagen. Aber wie du bestimmt an der zu Beginn genannten Geruchskombi von Nelken, Zimt und Anis gemerkt hast, ist für mich Glühwein der Weihnachtsgeruch schlechthin. Wenn die Aromen davon durch die Stadt wabern und man die erste Tasse davon genießt, dann ist Weihnachten wirklich nicht mehr weit. Ja, mir geht es eigentlich ähnlich. Bei mir ist so die Kindheit sehr stark verbunden mit Zimt, weil meine Oma immer Zimtwaffeln gebacken hat und dann so dieser Geruch sehr mit der Vorweihnachtszeit zusammenhängt. Und jetzt ist aber wirklich, auch wenn man so über den Weihnachtsmarkt läuft oder so, ist es vor allem eben der Glühweingeruch, weil der auch, wie du sagst, viele Gerüche kombiniert, die man so ein bisschen aus der Zeit kennt. Ja, genau. Und jetzt habe ich schon verraten, dass Weihnachten chemisch betrachtet vor allem nach einem bestimmten Molekül riecht, nämlich nach 4-Alyl-2-Methoxyphenol. Das ist etwas sperrig, aber es wird auch Eugenol genannt. Das kann man sich vielleicht leichter merken: Eugenol. Was hat es denn damit auf sich, Katharina? Warum ist das für den Weihnachtsgeruch so prägend? Erst mal schön, dass du diesen Zungenbrecher erwähnst. Ich versuche es jetzt gar nicht zu wiederholen. Ich spreche einfach weiter von Eugenol. Das ist eingänglicher. Das Besondere an diesem Molekül ist, dass es die Hauptkomponente des Gewürznelkenöls ist. Bis zu 95 Prozent besteht Gewürznelkenöl aus Eugenol. Und übrigens, man sollte Gewürznelken nicht mit den Nelken verwechseln, die man so aus Blumensträußen kennt. Denn der Gewürznelkenbaum ist eine Pflanzenart aus der Familie der Myrtengewächse und stammt ursprünglich aus Südostasien. Ja, und Eugenol kommt auch in Zimt, in Piment, in Ingwer und Muskat vor, natürlich in verschiedenen Kombinationen und auch in verschiedener Menge. Spuren davon lassen sich auch in Basilikum, Kurkuma, Lorbeer, Mürre und Kirsche nachweisen. Und darin siehst du schon, dass es in unfassbar vielen Gewürzen und Lebensmitteln enthalten ist, die wir vor allem im Winter und rund um Weihnachten essen und trinken. Denn Gewürznelken, Zimt, Piment, Ingwer und Muskat sind allesamt in Lebkuchengewürzmischungen enthalten, die dann wiederum in Spekulatius, Printen, Glühweinstollen und Gewürzkuchen landen. Und ja, ich sagte es gerade, vor allen Dingen eben im Glühwein. Und wer von unseren Zuhörern sich besonders für Glühwein erwärmen kann, dem sei übrigens die Kolumnenfolge dazu von meiner Kollegin Verena empfohlen. Die setzt sich darin ganz intensiv mit dem Getränk und seinen vielen Aromastoffen aus chemischer Sicht auseinander. Aber zurück zu Eugenol und Weihnachten. Es gibt sogar Duftkerzen, die damit parfümiert werden, also mit dem synthetisch hergestellten Eugenol. Und dann sagt man noch den Weisen aus dem Morgenland nach, die ja in der Bibel auftauchen und das Jesuskind besuchen, dass sie Myrrhe dabei hatten. Ja, und wenn all das noch nicht genug Weihnachtsduft war, dann kann ich sogar noch einen draufsetzen. Nämlich enthält die Vanilleschote zwar selbst kein Eugenol, aber das süßliche Aroma, das Vanillin, das lässt sich synthetisch über zwei Reaktionsschritte aus Eugenol herstellen. Ja, damit ist doch der Weihnachtsgeruch perfekt. Ja, also Eugenol steckt wirklich hinter dem Duft von Weihnachten. Und man kennt Eugenol auch tatsächlich schon ganz, ganz lange. Ja, genau. Also natürlich vielleicht noch nicht unter dem Namen Eugenol oder eben ja letztlich einfach nur dann extrahiert als Öl. Denn aufgrund seiner antibakteriellen, antientzündlichen und schmerzlindenden Wirkung wurde Eugenol bereits in der Zahnmedizin verwendet, bevor es Zahnärzte gab. Also es wird beispielsweise in den Schriften von Galenus von Pergamon, der im zweiten Jahrhundert nach Christus gelebt hat, erwähnt und auch von Hildegard von Bingen, die im zwölften Jahrhundert gelebt hat. Ja, in einer Gewürznelke zu lutschen, so weiß ja diese kleinen, ja so ich weiß nicht, fingernagelgroßen kleinen Pinne. Das soll wie ein lokales Anästhetikum wirken, das Zahnschmerzen lindert und Entzündungen im Mund heilt. Ja, und wird das wiederum mit Zinkoxid gemischt, ergibt sich eine Paste, die noch heute in Zahnprothesen und Zahnfüllungen verwendet wird. Doch erst in jüngerer Zeit haben Forschende überhaupt damit begonnen, also die möglichen Wirkmechanismen zu suchen, zu untersuchen. Also es gibt mittlerweile Hinweise darauf, dass Eugenol bestimmte Proteine in der Zellmembran beeinflusst, die für die Schmerzwahrnehmung verantwortlich sind. Naja, aber es gibt auch negative Wirkungen. Also wie so häufig macht die Dosis das Gift. In hohen Konzentrationen ist Eugenol cytotoxisch, also es bedeutet zellschädigend, und in hohen Dosen hepatoxisch, also leberschädigend. Und in der Fischzuchtforschung und in der Fischindustrie wird Eugenol als Betäubungs- und Beruhigungsmittel genutzt. Es kommt zwar auch in der Parfümindustrie zum Einsatz, vor allem, wie man sich vorstellen kann, für würzige orientalische Geruchsrichtungen. Aber inzwischen weiß man auch, dass es bei längerem Hautkontakt zu Empfindlichkeitsreaktionen führen kann. Die US-amerikanische Food and Drug Administration, kurz FDA, hat in einer umfassenden Überprüfung festgestellt, dass es zwar auf vielen möglichen Anwendungsgebieten einerseits keine ausreichenden Beweise für die Wirksamkeit von Eugenol gebe, also auch da dann wieder so ein Fragezeichen. Andererseits bezeichnet die Behörde den Stoff aber als wahrscheinlich sicher und unbedenklich. Man muss sich also keine Sorgen machen, dass man sich jetzt irgendwie vergiftet, wenn man zu viel Lebkuchen isst und das Glühwein die Leber schädigen kann. Das liegt wohl eher am Alkohol als am Eugenol, das kann man wohl festhalten. Jetzt abgesehen vom Eugenol ist ja Weihnachten auch generell einfach ein Fest der Sinne und eben auch der Düfte und Gerüche. Die sind total präsent, so rund ums Fest und auch in der Vorweihnachtszeit. Katharina, vielleicht schauen wir mal generell so ein bisschen drauf: Wie läuft das denn eigentlich so ab mit dem Riechen? Das beginnt die Wissenschaft erst ganz langsam überhaupt zu verstehen. Der Geruchssinn ist überaus komplex. Anders als Töne oder Farben, die man ja mit dem Auge oder mit den Ohren wahrnimmt, haben Gerüche einen unmittelbaren Draht ins Gehirn. Also die olfaktorischen Rezeptorneuronen, wie man so schön fachsprachlich sagt, einfacher gesprochen einfach Riechzellen, die reichen von der Nasenhöhle direkt zum Riechkolben des Gehirns. Und von da aus werden die Informationen dann an andere Hirnregionen weitergeleitet. Und da werden die Geruchsinformationen dann auch genauer analysiert und interpretiert und mit anderen Wahrnehmungen zusammengepackt. Also wenn mit der Atemluft du atmest, ein Duftmoleküle in die Nase steigen, dann werden diese zunächst von den Riechzellen in der Nasenschleimhaut registriert. Und davon haben wir so 20 bis 30 Millionen. Und die kann man wiederum in etwa 400 verschiedene Gruppen von Rezeptoren einteilen. Und die wiederum sind für unterschiedliche Moleküle empfänglich, teilweise auch ein Rezeptor für mehrere Moleküle. Nur mal so als Vergleich: Im Auge haben wir lediglich drei verschiedene Rezeptortypen, also 3 zu 400. Da kann man sich jetzt leicht ausmalen, dass diese Vielfalt dazu führt, dass wir eben unfassbar viele verschiedene Gerüche unterscheiden können. Man kann das nur so grob schätzen. Und da sagen Wissenschaftler so, irgendwas zwischen 10.000 bis 50 Millionen verschiedene Gerüche. Man kann das, wie gesagt, nicht so ganz sicher sagen, weil die Bandbreite auch je nach Wahrnehmungsschwelle variiert. Also es gibt Menschen, die nehmen schon alle allerfeinsten Nuancen von dem Geruch wahr und andere würden das überhaupt nicht wahrnehmen oder maximal unterbewusst. Und das hat man in Experimenten feststellen können, dass das sehr, sehr individuell ist. Übrigens auch noch ein schöner Vergleich: Hunde haben sogar 1200 verschiedene Rezeptortypen. Das heißt, sie können vermutlich bis zu einer Million Gerüche unterscheiden. Was ich aber zusätzlich super spannend finde, ist, der Geruchssinn ist der einzige Sinn, der direkt mit den Teilen des Gehirns verknüpft ist, die für Erinnerungen und Emotionen zuständig sind, also mit dem Hippocampus und dem limbischen System. Und außerdem ist der Geruchssinn der evolutionär älteste Sinn. Als die ersten Tiere vor, ich weiß nicht wie vielen Millionen Jahren, an Land gekochen, sind, da haben sie noch ausschließlich über Geruchsstoffe kommuniziert und nicht jetzt irgendwie wie wir heute oder auch andere Tiere über Laute und Gesten. Und auch heute noch ist der Geruchssinn bei der Geburt schon weitgehend ausgebildet, während die volle Sehfähigkeit erst mit etwa zwei Jahren erreicht wird. Und noch ein letzter cooler Fact: Embryos können schon im Mutterleib riechen und dadurch bereits vor der Geburt Düfte kennenlernen. Und dann kann es eben passieren, dass man später als junger Mensch, als Kind, einen Duft zwar noch nie selbst außerhalb des Mutterleibes gerochen hat, aber trotzdem schon darauf reagiert und irgendwie wie so eine Art Erinnerung hochkommt. Mensch, das war doch schon mal da. Absolut faszinierendes Sinnesorgan unsere Nase und wie das alles so läuft. Aber Katharina, was ich noch nicht ganz verstanden habe, ist, wenn wir uns jetzt einen bestimmten Stoff angucken, zum Beispiel warum riecht jetzt eine Sache so, wie sie riecht? Ja, die kurze Antwort lautet: Es ist kompliziert. Also zunächst mal sagt die chemische Struktur eines Moleküls fast nichts über seinen Duft aus. Das hat mich selbst überrascht. Also zwei Chemikalien mit sehr ähnlichem Aufbau können höchst unterschiedlich für uns riechen. Also ja, wiederum zwei sehr verschiedene Molekülstrukturen können aber einen fast identischen Geruch haben. So, wie kann das sein? Naja, die meisten Düfte, und jetzt einfach mal so dahergesprochen: Kaffee oder auch Camembert, reife Tomaten, das sind alles irgendwie so sehr komplexe Molekülmischungen. Die setzen sich aus den Aromen von Dutzenden oder Hunderten verschiedenen Verbindungen zusammen. Und weil jetzt so ein Geruchseindruck, also dass du jetzt sagst, das riecht so und so, da kommen wir auch gleich noch mal drauf, dass es sehr schwierig ist, das überhaupt mit Wörtern zu erfassen. Das entsteht meist erst im Gehirn und dadurch ist es halt höchst individuell. Also bei mir zum Beispiel löst der Geruch von gerösteten Kaffeebohnen, also wenn man irgendwie so eine Kaffeerösterei hat, dann riecht es erst mal ja nicht wie dieser Kaffee, den man hinterher kauft, sondern in der Vorstufe noch irgendwie fast so ein bisschen angebrannt. Und das löst in mir immer so ein total ungutes Gefühl aus, weil es sehr ähnlich riecht für mich zumindest wie verbrannte Pizza. Und das verknüpfe ich mit einem Wohnungsbrand zu meiner Studentenzeit. Das war ziemlich krass. Und dieser Geruch, den werde ich nicht los. Der hat sich im wahrsten Sinne des Wortes eingebrannt. Ja, und Wissenschaftler haben herausgefunden, dass der typische Geruch eines einzelnen Lebensmittels von nur so ungefähr drei bis maximal 40 Schlüsselaromen in unterschiedlichen Konzentrationen und Mischverhältnissen bestimmt wird. Ja, und die haben da so ungefähr 230 Schlüsselaromastoffe identifiziert. Und nur mal so als Beispiel: Wenn man jetzt die Erdbeere betrachtet, dann riecht eine Komponente zum Beispiel nach Zuckerwatte. Und wenn dieses Aroma fehlt, also wenn ich das versuche, künstlich nachzubauen und dieses eine Aroma vergesse, dann riecht oder schmeckt die Erdbeere plötzlich nicht mehr nach Erdbeere. Ja, und eine weitere Herausforderung ist dann herauszufinden, wie all diese verschiedenen Aromen, diese Gerüche zueinander in Beziehung stehen. Weil du kannst dir ja vorstellen, wir sehen oder wir sind ja so Augentiere. Wir nehmen die Welt selber die Augen wahr und Farben lassen sich entlang des elektromagnetischen Spektrums einteilen mit verschiedenen Wellenlängen in Rot, Grün, Blau, zahllose Zwischenstufen. Töne haben ein Frequenzspektrum, eine Lautstärke. Aber für Gerüche, da gibt es keine Parameter, wonach man die jetzt irgendwie differenzieren kann. Also wie lässt sich ein blumiger Geruch im Verhältnis zu einem süßlichen einordnen? Ich weiß nicht. Hast du überhaupt schon mal versucht, einen Geruch zu beschreiben? Ich habe das tatsächlich mal bei Weinproben gehabt, dass man so versuchen muss, da quasi so reinzuriechen und zu sagen, wonach das riecht. Und da ist es schon mir passiert, dass ich irgendwie ich konnte nicht mal sagen. Also man hat so einen Geruch in der Nase und denkt, ich kenne den Geruch, aber ich kann auf keinen Fall sagen, was das jetzt für ein Obst ist oder so. Oder ja, geht mir absolut genauso. Wir haben dafür einfach wirklich keine Vokabeln. Also Wissenschaftler versuchen dann sowas wie erdig, rauchig, fruchtig, zitrusartig. Also genau, man versucht sich daran zu tasten. Aber es ist in der Tat irgendwie so ein bisschen ein Sinn, den wir nicht ganz einordnen können. Naja, und jetzt, um dem Ganzen noch einen draufzusetzen, scheint es außerdem extrem schwierig zu sein, diese einzelnen Rezeptorproteine zu lokalisieren, die wiederum dafür zuständig sind, dass diese Moleküle überhaupt andocken und dann einen gewissen Signal weitersenden. Und diese Rezeptorproteine, das sind spezielle Proteine auf der Zelloberfläche, die die Signale von außerhalb der Zelle empfangen und dann als chemische Signale ins Zellinnere weiterleiten, um dann eine Reaktion auszulösen. Ja, das nennt man oft ein Schlüssel-Schloss-Prinzip. Also die sind halt nur sensibel für ganz bestimmte Moleküle, die dann da andocken können. Alle anderen ignorieren die quasi. Ja, und bislang lässt sich über deren Aussehen und die Funktionsweise im Zusammenhang mit dem Geruchssinn ja nur viel vermuten. Aber es ist sehr schwierig, da was herauszufinden, weil diese Proteine viel zu instabil sind, um sie im Labor herzustellen. Ja, und einige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hoffen darauf, dass künstliche Intelligenz vielleicht dabei helfen kann, die Entschlüsselung des Geruchssinns voranzutreiben, etwa weil man damit Muster erkennen kann, die den Menschen bislang noch verborgen sind. Doch erste Versuche, maschinelles Lernen für solche Aufgaben einzusetzen und Gerüche so ein bisschen zu klassifizieren, die liefern zwar ganz ordentliche, aber auch noch keine überragenden Resultate. Also da ist auf jeden Fall noch viel, viel, viel Forschung nötig. Ja. Ich kann mir also von dem, was du erzählst, auch vorstellen, dass das wahnsinnig schwer zu erforschen ist. Vielleicht hast du mal ein Beispiel, wie so eine Untersuchung aussehen könnte. Ja, das ist extrem unterschiedlich. Also wenn wir jetzt mal bei der KI bleiben, dann wäre ein Beispiel, dass Forschende einen Algorithmus mit Tausenden von molekularen Strukturen aus so Duftstoffkatalogen trainiert haben. Und das haben sie dann wiederum zusammengebracht mit den zugehörigen Sinnesempfindungen, die Menschen denen dann geben. Also zum Beispiel, dass etwas fleischig riecht oder blumig oder eben, wie ich eben sagte, citrusartig. Und dann haben sie die Angaben des KI-Systems wiederum mit dem Geruchseindruck menschlicher Probanden verglichen. Also so 15 Versuchsteilnehmer waren das. Die waren darauf trainiert, einige hundert verschiedene Aromastoffe anhand von 55 Attributen zu bewerten. Also da genau, ich erinnere mich von so etwas wie Rauch, frisch, tropisch, wachsartig. Also du siehst, dass es schon sehr viele Adjektive gibt, die man dann da ungefähr zuordnen können muss. Und dann hat die KI den Eindruck dieser chemischen Verbindung anhand der molekularen Struktur vorhersagen sollen. Und sie kam dann, das kann man schon sagen, zu objektiveren Beschreibungen als der typische menschliche Proband. Aber diese erstellte Duftkarte oder die Vorstellungen haben sie auch Landkarte der Düfte genannt, ist sehr kompliziert. Also du kannst dir vorstellen, die hat mehr als 250 Dimensionen. Also wir bewegen uns ja normalerweise nur in drei Dimensionen. Also es ist nicht sehr praktikabel. Und ich habe jetzt gesagt, erst gucken wir auf die KI und andere Möglichkeiten, um zum Beispiel diese Rezeptorproteine zu untersuchen, die ja, wenn man so will, der Schlüssel dafür sind, um den Geruchssinn zu verstehen. Da haben die Wissenschaftler sich jetzt erst mal die Geruchssysteme von Insekten angeschaut. Die sind deutlich einfacher aufgebaut als zum Beispiel die von Säugetieren, woher der Mensch letztlich zugehört. Aber dadurch halt auch nur bedingt vergleichbar. Also man kann so eine Grundlogik daran erkennen und erforschen. Aber letztlich funktionieren wir dann nochmal deutlich komplizierter. Ja, und der nächste Schritt sind dann, wie so oft, die Untersuchungen an Mäusen. Und bei all dem kommen dann zum Beispiel so Kryo-Elektronen-Mikroskopie zum Einsatz und andere bildgebende Verfahren oder zum Beispiel dann auch irgendwie, welche Signale und Gehirnareale werden angesprochen, wenn so eine Maus an einem bestimmten Stoff schnuppert. Und ein Durchbruch, der war dann im Jahr 2023, als es einer Forschungsgruppe erstmals gelungen ist, die Proteinstruktur eines menschlichen Geruchsrezeptors zu entschlüsseln. Sollen Sie sich mal vorstellen: 2023, das erste Mal gelungen, überhaupt so ein Geruchsrezeptor zu entschlüsseln. Das ist krass. Ja, da merkt man, wie schwer das offenbar ist. Ja, und das Spannende daran fand ich dann, dieser Rezeptor der wird gar nicht nur in der Nase ausgebildet, sondern der ist auch außerhalb der Nase reichlich vorhanden, nämlich zum Beispiel im Darm und in der Prostata. Und ja, könnte man sich jetzt fragen, warum. Aber offensichtlich reagieren halt auch andere Organe auf bestimmte Aromamoleküle. Ja, und das macht es dann aber leichter, dieses Rezeptorprotein außerhalb des Körpers in der Petrischale nachzubauen. Und faszinierend, er reagiert auf die Chemikalie Propionat. Und die hat einen, so beschreiben es die Wissenschaftler, stechend käsigen Geruch. Es ist wirklich extrem spannend. Und trotzdem schreibt ihr auch bei Spektrum, war der Geruchssinn lange Zeit so ein bisschen ein unterschätzter Sinn. Inwiefern denn? Ja, ich habe es eben einmal ganz kurz schon vorweggenommen. Der Mensch, der wird manchmal als Augentier bezeichnet. Das bezieht sich darauf, dass wir eben sehr, sehr stark visuell orientiert sind und einen Großteil aller bewussten Informationen über die Augen wahrnehmen. Die Wissenschaft hat sich daher lange gar nicht so stark für den Geruchssinn interessiert. Und auch viele Menschen außerhalb der Wissenschaft unterschätzen den Riechsinn. Also ich denke mal, auf die Frage, auf welchen Sinn man am ehesten verzichten würde, sagen die allermeisten die Nase. Kaum jemand würde von sich heraus sagen, irgendwie Augen oder Ohren, weil das absolut auf jeden Fall die Kommunikationsorgane schlechthin sind. Aber nicht mehr riechen zu können, das sollte man sich ganz klar machen, bedeutet, dass man auch Gefahrenquellen wie zum Beispiel austretendes Gas, Feuer oder auch verdorbene Speisen nicht mehr wahrnehmen kann. Und auch das soziale Miteinander kann unter einer Anosmie, so heißt es, wenn man den Riechsinn wirklich komplett verliert, auch das soziale Miteinander stark leiden. Also Betroffene berichten, dass man in der ständigen Angst lebt, zum Beispiel unangenehm zu riechen. Und naja, schließlich kommt auch der Ausdruck „einander riechen können“ nicht von ungefähr, denn vieles davon geschieht zwar unbewusst, aber auch körperliche Anziehung, also wen wir als Liebespartner in Betracht ziehen, wird von Geruchsstoffen wie Pheromonen beeinflusst. Und schon ein Neugeborenes erkennt seine Mutter fast ausschließlich am Geruch. Hm, also ein ja doch, ich würde mal fast sagen, viel zu wenig verstandener Sinn, trotz dass wir irgendwie 2025 haben. Es gibt aber große Hoffnung, dass man den Geruchssinn bald besser verstehen könnte. Warum denn? Ja, das Thema wird immer populärer. Also es gibt Forschungsgruppen, die zum Beispiel an künstlichen Nasen arbeiten, um damit zum Beispiel Krankheiten früh zu diagnostizieren. Vielleicht hast du schon mal davon gehört, dass Hunde Krebs riechen können und auch andere Krankheiten. Ich glaube, auch während der Corona-Pandemie war das immer wieder Thema, dass sie zum Beispiel Covid-19 riechen können. Und das liegt dann daran, dass sich im Körper was verändert und dann sogenannte flüchtige Verbindungen freigesetzt werden. Und die wiederum können ganz besonders feine Nasen wie die von Hunden dann eben riechen. Und Wissenschaftler haben sich jetzt gedacht, das muss man doch emittieren können. Also wenn ein Hund das kann und man den Mechanismus versteht, dann muss sich das irgendwie nachbauen lassen. Und ja, deswegen hofft man darauf, dass man eben Krankheiten auf diese Weise erschnüffeln kann. Und außerdem, vielleicht ein bisschen Nischenthema, aber lassen sich dann auch bessere Insektenschutzmittel herstellen oder auch kostengünstigere beziehungsweise wirkungsvollere Substanzen für die Duft- und Geschmackstoffindustrie. Übrigens, Riesenindustrie mit unfassbarem Finanzvolumen. Ja, also das heißt, da ist auf jeden Fall auch ein Geschäftsmodell drin. Ja, und letztlich, warum glaubt man das oder hat man die Hoffnung, dass es schneller vorangehen könnte? Das sind vor allen Dingen eben Fortschritte in der Strukturbiologie, in der Datenanalyse und ich sagte es schon in der künstlichen Intelligenz. Und Katharina, wenn wir jetzt noch mal zu Weihnachten zurückkommen, das kennt ja jeder. Wir haben vorhin schon über Kindheitserinnerungen gesprochen. Die werden ganz, ganz viel auch eben durch diese Weihnachtsgerüche getriggert, sage ich mal. Also generell können Gerüche einfach sehr, sehr lebhafte Erinnerungen wecken. Weiß man, warum das so ist? Ja, ich habe es eben schon mal so ganz, ganz, ganz kurz angeschnitten, denn anatomisch besteht eine enge Verbindung zwischen dem Geruchssystem und Gehirnregionen, die mit dem Gedächtnis und mit Emotionen assoziiert sind. Versucht ihr mal, den Duft zum Beispiel von Sonnencreme und Meeresluft vorzustellen. Machst du, schwupps, fühlst du dich in den Sommerurlaub zurückversetzt. Oder der Geruch von Mückenspray gemischt mit Rauch erinnert dich vielleicht an ein Lagerfeuer an einem schwülwarmen Abend. Noch besser klappt das natürlich, wenn du wirklich an der Sonnenmilch riechst und nicht nur daran denkst. Aber ganz ähnlich wird es dir ergehen, wenn du zum Beispiel im Haus oder in der Wohnung deiner Eltern stehst. Der Geruch ist vertraut und mit Kindheitserinnerungen verknüpft, die dann im besten Fall, leider natürlich nicht bei allen, aber Geborgenheit und Wärme ausstrahlen. Oder du schwächst gerade in Erinnerungen und Gedanken. Ist jetzt auch wirklich fies im Dezember. Das mit der Sonnencreme hat mich jetzt wirklich einmal komplett in den Sommerurlaub zurückgeholt. Sorry. Also dann mal wieder schnell zurück zu Weihnachten. Nein, aber noch eine Sache, die ich dann in dem Zusammenhang erwähnen muss. Denn nicht nur immer entstehen dann oder sind mit Gerüchen angenehme, wohlige Erinnerungen verknüpft. Manchmal können Gerüche auch Ängste wecken und Stress auslösen. Man kann jetzt zum Beispiel an Soldaten denken, die beim Geruch von Diesel oder auch beim Geruch von, ich sage jetzt mal, ganz schlimmem verbranntem Fleisch wieder in das Kriegsgebiet zurückversetzt werden und posttraumatische Belastungsstörungen getriggert werden. Also das ist auf jeden Fall ein Aspekt, wo man einfach sagen muss, da ist auch viel Forschung nötig, um diesen Menschen dann auch ganz gezielt helfen zu können. Und wie genau Gerüche das Gedächtnis beeinflussen, das ist immer noch ein Nischenbereich der Forschung, aber man kommt voran. Ja, guter Punkt, den du ansprichst. Auch natürlich werden eben nicht nur lebhafte Erinnerungen an positive Sachen geweckt, sondern auch an negative, logischerweise. Und das wäre auch meine abschließende Frage. Tatsächlich, ihr schreibt das, finde ich sehr interessant. Man versucht auch, dieses Wissen über diese Erinnerungen und die Verknüpfung zu Gerüchen womöglich sogar medizinisch nutzen zu können. Wie denn? Ja, bleiben wir mal bei den, oder gehen wir mal zurück zu den angenehmen Gerüchen. Die scheinen zum Beispiel das Schmerzempfinden zu verringern. Also Babys, die während einer Impfung dem Geruch von der Milch ihrer eigenen Mutter ausgesetzt waren, hatten in einer Studie eine niedrigere Herzfrequenz und waren insgesamt entspannter als eine Kontrollgruppe. Menschen mit Demenz zum Beispiel verlieren oft den Zugang zu ihren Erinnerungen und haben Schwierigkeiten, sich zu orientieren. Und da können Gerüche helfen, alte Erinnerungen wieder anzustoßen, wenn man die zum Beispiel mit ich sage jetzt mal Lavendel, Kaffee oder anderen typischen Gerüchen konfrontiert, weil das Geruchsgedächtnis häufig noch besser erhalten ist als andere Gedächtnisinhalte. Allerdings gelten Riechstörungen auch als eines der ersten Anzeichen für den kognitiven Abbau. Es ist also gewissermaßen so ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Ja, und dann können olfaktorische Reize auch noch eine Hilfe für psychisch erkrankte Menschen sein. Also bestimmte Aromen wirken manchmal beruhigend auf Menschen, die sich wegen eines Traumas in Behandlung befinden. Oder ich sage das jetzt eben bei Menschen mit wirklich ganz schlimmen posttraumatischen Belastungsstörungen. Da versuchen Psychologen, Psychotherapeuten sich langsam heranzutasten, diese Geruchserinnerungen zu überschreiben und dann irgendwie zu versuchen, diese Erinnerungen von den Gerüchen abzukoppeln, damit die eben beim Geruch von Diesel nicht direkt einen Rückfall bekommen. Also, ihr hört schon, unfassbar viele faszinierende Fakten gibt es über den Geruchssinn und noch viel mehr Sachen, die wir noch gar nicht wissen. Wer mehr dazu erfahren will, zum Geruchssinn, zum Geruchsgedächtnis und den ganzen speziellen Weihnachtsaromen, natürlich auch, da erfahrt ihr alles auf spektrum.de, zum Beispiel eben in der angesprochenen Kolumne „Eine Prise Chemie“ und im Magazin „Gehirn und Geist“. Und Katharina, dir sage ich vielen, vielen Dank, dass du uns mitgenommen hast in diese Welt der Düfte und Weihnachtsdüfte. Ja, vielen Dank, Marc. Und ich kann an dieser Stelle auch nur sagen: Frohe Weihnachten an alle da draußen! Ja, absolut. Wir wünschen euch allen, natürlich allen, die feiern, fröhliche Weihnachten hier vom Team des Spektrum Podcasts bei detektor.fm und Spektrum der Wissenschaft. Besinnliche und ruhige Feiertage. Und von uns war es das für diese Woche vom Spektrum Podcast, aber noch nicht für dieses Jahr. Denn am zweiten Weihnachtsfeiertag gibt es noch eine Folge. Seid gern auch dann wieder dabei. Bis dahin freue ich mich, wenn ihr den Podcast abonniert, kommentiert, bewertet und teilt, vielleicht als kleines Weihnachtsgeschenk an uns. Das hilft uns sehr. Auch dafür vielen, vielen Dank. Mein Name ist Max Zimmer und ich sage Tschüss und macht’s gut. Spektrum der Wissenschaft, der Podcast von detektor.fm. Untertitel der Amara.org Community.