Warum gibt es Leben? Wie ist die Erde entstanden, die Sterne und das Sonnensystem? Die wissenschaftliche Antwort auf diese Frage ist der Urknall. Raum, Zeit und Materie sind vor 13,8 Milliarden Jahren entstanden, als sich das Universum schlagartig ausgedehnt hat. Das Christentum und auch viele andere Religionen haben schon lange eine andere Antwort gefunden: Nämlich, all das hat ein Gott erschaffen. Oder, je nach Religion, mehrere Götter und Göttinnen. Wissenschaft und Glaube – wie gut passt das zusammen? Oder anders gefragt: Kann es wissenschaftlich gesehen einen Gott geben? Darum geht’s in dieser Folge. Ich bin Jessi Jus. Hi, detektor.fm. Zurück zum Thema: Kopernikus, Galileo, Kepler. Wenn man ein bisschen in die Vergangenheit schaut, findet man gar nicht so wenige Wissenschaftler, die tief gläubig waren. Dazu kommen noch die ganzen Logiker, die über die Jahrhunderte immer wieder versucht haben, die Existenz Gottes quasi wissenschaftlich zu beweisen. Heute sieht das schon ein bisschen anders aus. Der Glaube spielt gerade in den Naturwissenschaften eigentlich keine große Rolle mehr. Aber natürlich gibt es auch heute noch WissenschaftlerInnen, die gläubig sind. Dazu gehört der Astrophysiker Heino Falke, Professor an der Radboud Universität in den Niederlanden und maßgeblich daran beteiligt, das erste Foto von einem schwarzen Loch zu machen. Meine Kollegen Katharina Menne und Carsten Könnecker haben mit Heino Falke gesprochen und ihn gleich mal direkt gefragt: Wer oder was ist Gott denn überhaupt? Also, eine der Sachen, die ich immer wieder sage, ist: Es ist eigentlich gar keine Frage, dass es Gott gibt. Die einzige Frage ist: Wer ist Gott oder was ist Gott eben? Denn man muss irgendwie darüber nachdenken, was ist der Ursprung von allem? Und die Wissenschaft führt einem da nicht weiter. Sie kann beschreiben, wie sich etwas entwickelt, aber wie aus einem zeitlosen Zustand ein Zeit wird, wie in unserem Universum, wie plötzlich etwas ist und dann sich entwickelt, das können wir in unseren Gleichungen nicht fassen. Und deshalb müssen wir da irgendwas hinsetzen, was am Anfang ist: Ein Urgrund, ein Ursprung von allem. Und dann ist die Frage: Ist das nur irgendeine Anfangsbedingung, die da ist? Wie ist die da hingekommen? Oder ist es mehr? Und ist zum Beispiel das, was uns ausmacht? Wir sind ja Menschen mit Gedanken und einem Zielbewusstsein. Das ist auch ganz verrückt, wenn man darüber nachdenkt. Wir sind ja reine Physik. Ich bin Physiker, ich glaube schon, dass wir Physik und Chemie sind. Und wenn wir lieben, dann sind das Hormone und elektrische Signale im Kopf. Das ist das, was der Physiker da versteht. Und trotzdem fangen all diese Teilchen in uns an zu denken, zu fühlen und in die Zukunft zu schauen, was zu hoffen und auch ein Ziel zu haben. Denn fast jeder Mensch hat irgendein Ziel im Leben, das er erreichen möchte. Und dann ist natürlich die Frage: Ist das etwas, was wir erfunden haben? Oder war das schon vorher da? Wie kommt sowas, dass sich sowas überhaupt entwickelt? Und deswegen sagen Menschen, wie ich, eigentlich: Wir spiegeln nur etwas wider, was schon da ist, nämlich einen Schöpfergott, den ich jetzt auch nicht genau beschreiben kann, aber der auch solche menschlichen Eigenschaften hat, wie Zielgerichtetheit, vielleicht Liebe. Aber das bedeutet nicht, dass die Physik selber zielgerichtet ist. Physik ist so, wie sie ist, mit irgendwelchen Naturgesetzen, die sich entwickeln und trotzdem irgendwas ganz Komplexes hervorbringen können, wie uns. Ein Wunder an sich ist schon. Sie haben gerade ganz druckfrisch ein neues populärwissenschaftliches Sachbuch veröffentlicht, und darin bezeichnen Sie Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen als moderne Propheten, die mit allerlei Hightech-Instrumenten versuchen, Zitat: „die ersten Worte der Schöpfung zu ergründen, die wir Naturgesetze nennen, und die heute noch nachhallen.“ Ist die Existenz der Naturgesetze für Sie der stärkste Hinweis, dass Gott existiert? Also, Sie werden mich zehnmal fragen können, und ich werde Ihnen nie sagen: Das ist ein Beweis für Gott. Ich glaube, dass das fundamental nicht möglich ist. Aber wenn ich an Gott glaube, dann sind eben auch Naturgesetze Worte Gottes. Und wenn man jetzt mal die Gottesfrage erstmal weglässt und einfach ganz naiv fragt: Woher kommen denn eigentlich Naturgesetze? Dann ist das eine sehr, sehr spannende Frage. Denn sie stehen tatsächlich am Anfang. Sie haben aus irgendeinem Anfangszustand des Universums ein sehr komplexes Universum gemacht, das immer komplexer geworden ist. Und eine interessante Frage ist: Waren die Naturgesetze schon immer da? Sind Naturgesetze auch da, wenn nichts anderes ist? Wir haben Naturkonstanten zum Beispiel, die die Naturgesetze auch mit beschreiben. Da denken wir darüber nach: Okay, könnte es sein, dass die Naturkonstanten irgendwann erst später entstanden sind? Aber die Naturgesetze selber, sind die auch erst da entstanden? Oder haben die eine Existenz an sich, die über ein Universum hinausgeht? Und das ist eine philosophische Frage, die, glaube ich, Wissenschaft nicht wirklich beantworten kann. Aber was Wissenschaft schon will, ist genau diese Worte zu ergründen und sie zu finden, diese Naturgesetze. Und es sind die ersten Worte sozusagen, die ersten Gesetze, die ersten Regeln, die uns gemacht haben. Und es sind in gewisser Weise auch Schöpfungsworte. Sind die Naturgesetze plus Naturkonstanten mit ihren konkreten Werten von einem allmächtigen Schöpfer vielleicht exakt so aufeinander abgestimmt worden, dass am Ende sogar Leben und bewusstes Leben daraus hervorgebracht wurde? Wie sehen Sie das? Es ist zumindest nicht undenkbar, dass das so ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass unser Universum so funktioniert, wie es funktioniert, mit all den verschiedenen Naturkonstanten – es gibt sechs große Naturkonstanten, aber irgendwie auch noch mal 19 andere Parameter der Teilchenphysik, die alle in einem relativ kleinen Bereich so sein müssen, wie sie sind, damit diese Welt funktioniert, wie sie funktioniert. Es gibt keine Antwort darauf, warum ist die Anziehungskraft zum Beispiel der Sonne genauso stark, wie sie ist für die Masse? Könnte ja auch alles zehnmal stärker sein. Oder die elektrische Anziehungskraft, warum ist die genauso, wie sie ist? Und andere Konstanten, die da eine Rolle spielen. Also, da ist tatsächlich das Universum schon sehr gut abgestimmt, damit aus diesen wenigen Regeln Leben entstehen kann am Ende. Jetzt ist natürlich das Problem: Wenn das nicht funktionieren würde, wären wir ja auch nicht da. Also, wir können es nur erzählen und darüber nachdenken, weil wir in einem Universum leben, das funktioniert. Es könnte auch völlig reiner Zufall sein. Dann müsste man ganz viele Universen machen, und eines davon funktioniert. Wir könnten es nicht unterscheiden, diese beiden Szenarien. Und vielleicht gibt es auch eine Kombination von beiden. Vielleicht hat der liebe Gott ja gesagt: Ich würfel mal und gucke, was am besten rauskommt. Vielleicht würfelt Gott ja doch. Und am Ende kommt eben ein Universum raus und hat gesagt: Ja, wunderbar, das ist ja toll. An dem habe ich besonders viel Spaß. Und eine andere bis heute ungeklärte Frage, die sich ja unmittelbar auch daraus ergibt, ist die nach der Existenz der Materie. Also, man weiß aus Experimenten und theoretischen Berechnungen, dass sich Materie und Antimaterie, also die Antiteilchen zu jedem normalen Teilchen, zu jedem Materieteilchen, stets gegenseitig auslöschen. Und doch muss es im ganz frühen Universum, kurz nach dem Urknall, ein Ungleichgewicht gegeben haben, das dafür gesorgt hat, dass etwas mehr Materie als Antimaterie nach dem Urknall übrig geblieben ist. Ich glaube, man sagt so 10 hoch 80 Atome. Wie erklärt der Wissenschaftler in Ihnen dieses Kuriosum und wie der gläubige Christ? Naja, im Buch nenne ich das: Die Schöpfung hatte einen Sprung in der Schüssel. Also, diese leichte Asymmetrie, wo auf ein Milliarde und ein Teilchen eine Milliarde Antiteilchen kamen und dann blieb am Ende nur noch ein Teilchen übrig von diesen eine Milliarde und eins. Aber es blieb eins übrig. Und daraus sind diese 10 hoch 80 anderen Teilchen entstanden. Das ist allein schon unfassbar, wenn man darüber nachdenkt. Wir wissen bis heute noch nicht, was der echte Grund dafür ist. Also, wir sehen immer wieder, dass in diesen Gleichungen und der Physik, die eigentlich relativ symmetrisch sind, die kann man teilweise sogar in der Welt sehen, die Gleichung zumindest. Aber wir wissen: Die Welt läuft nur vorwärts. Und dann haben wir bestimmte Symmetrien, und die sind manchmal gebrochen, auf einmal so ein klein bisschen. Und das ist so einer dieser Brüche in dieser Welt, die aber absolut lebensnotwendig sind. Und wenn das nicht so gewesen wäre, wären wir ja auch nicht entstanden. Und es ist ja eine ziemlich geniale Idee, finde ich, diese Asymmetrie. Aber warum? Die Antwort kann keiner geben. Und ich würde jetzt auch nicht sagen: Der liebe Gott hat sich das ausgedacht. Vielleicht freut er sich einfach nur darüber, dass das so funktioniert. Aber es ist schon eines der vielen kleinen Wunder entlang des Weges, die uns heute gemacht haben. Der Astrophysiker Heino Falke über die Frage, wie gut Wissenschaft und Glaube zusammenpassen. Das war nur ein kleiner Ausschnitt, den ihr hier eben gehört habt. In unserem Podcast „Die großen Fragen“ hat Heino Falke nämlich noch ganz ausführlich und sehr persönlich erzählt, was die Schöpfungsgeschichte für ihn mit dem Urknall zu tun hat, ob der Urknall vielleicht sogar in der Bibel auftaucht und was die Astrophysik heute über Gott zu sagen hat. Die ganze Folge findet ihr, wie immer, in den Shownotes. Und da packe ich euch auch mal einen Link zu unserem Spektrum-Podcast mit rein. Da haben wir uns nämlich im Dezember aus reiner wissenschaftlicher Sicht die aktuelle Forschung zum Urknall angeschaut. Das war’s dann für heute. Danke an Benjamin Serdani, der diese Folge produziert hat. Ich bin Jessi Jus, ich sage bis zum nächsten Mal und kommt gut ins neue Jahr.