Social Bots
Im Wahlkampfjahr 2017 machen nicht nur die angeblich immer stärkere Verbreitung von Fake News den Politikern Sorgen, sondern auch die computergesteuerten Helferlein namens Social Bots. Fleißig wird über mögliche Sicherheitsmaßnahmen diskutiert. Zum Beispiel ist noch immer ein sogenanntes „Wahrheitsministerium“ im Gespräch, das absichtlich verbreitete Unwahrheiten aufdecken soll.
Unter den Vorschlägen kursiert auch der Ansatz der Grünen. Sie haben eine Art Selbstverpflichtung zusammengestellt und wollen diese von allen Parteien unterzeichnen lassen. Damit sollen sich die Politiker verpflichten, unter anderem keine Bots einzusetzen. Das soll einen fairen Kampf um die Wählerstimmen garantieren. Denn Social Bots können den digitalen Wahlkampf durchaus in eine Richtung verzerren – und das bereits mit relativ wenig Geld.
So gefährlich wie angenommen?
Klar ist, dass sich Meldungen – egal ob Fake oder nicht – durch Social Bots in kurzer Zeit millionenfach verbreiten können. Mit falschen Profilen werden Likes verteilt und Themen so eine besondere Brisanz gegeben. Die Möglichkeiten, das zu nutzen, scheinen unendlich groß. Doch müssen diese automatisch für Böses genutzt werden? Wir wollen in einer vierteiligen Serie in Kooperation mit der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung einmal sachlich darüber sprechen: mit Wissenschaftlern, Beobachtern und Praktikern.
In dieser zweiten Episode geht es um Social Bots und die Möglichkeiten, aber auch die Gefahren dieser digitalen Helfer im Wahlkampf.
In der dritten Folge rund um den digitalen Wahlkampf sprechen wir über die menschliche Variante von Social Bots: über Trolle, Influencer und Evangelisten.
Der Beitrag zum Nachlesen
Ein Gedankenspiel: Frauke Petry hält eine Woche vor der Bundestagswahl eine Rede. Teile davon werden in Windeseile und hunderttausendfach unter dem Hashtag „afdwins“ auf Twitter verteilt. Zuerst landet der Hashtag auf Platz eins der Twitter Trends. Schnell wird diese Rede dann auch bei Google zum Trending Topic. Journalisten berichten vermehrt über die AfD und ihre scheinbare Beliebtheitssteigerung. Doch nicht Wähler und Fans der Partei sind dafür verantwortlich, sondern sogenannte Social Bots.
Die Technik
Was verbirgt sich hinter dem Begriff „Social Bots“? Eine erste Definition gibt Markus Reuter von netzpolitik.org:
Ein Social Bot ist ein automatisiert gesteuerter Account in einem sozialen Medium. Das kann ein Twitter-Account sein, das kann ein Facebook-Account sein. Und da steckt dann halt nicht ein Mensch, sondern ein Programm dahinter, was den steuert. Das kann ganz einfach aussehen. Wenn man sich jetzt Twitter anschaut, dann könnte ich mir einen Bot vorstellen, der sagt: Immer wenn auf Spiegel Online ein neuer Artikel kommt, dann gehe hin, nehme dir die Überschrift und das Beitragsbild und poste das auf Twitter. – Markus Reuter, netzpolitik.org
Das klingt erst einmal harmlos und kann im Grunde auch zu Werbezwecken für die Verbreitung wissenschaftlicher Untersuchungen oder zur Richtigstellung von Falschmeldungen genutzt werden. Doch oft werden Social Bots instrumentalisiert, um Meinungen zu generieren und Debatten zu verzerren.
Die Gefahr
In den USA ist das bereits passiert. Die Bots sind dort zu künstlichen Wahlhelfern avanciert, die sowohl Donald Trump als auch Hillary Clinton bei ihrem Wahlkampf unterstützt haben. Eine Studie der Oxford University hat gezeigt: Jeder dritte Follower der beiden, ist kein realer Mensch.
Social Bots kann man wohl am ehesten in Verbindung bringen mit dem, was man als künstliche Intelligenz bezeichnet: selbstständig-automatisiert handelnde Agenten im Netz. Es kann sein, dass man deren Macht im Moment ein wenig überschätzt. Die, die man so kennt, sind eigentlich immer noch simple Produkte, die relativ blind Hashtags, Links oder Likes verbreiten. Natürlich steckt da Potential drin. Je leistungsfähiger Algorithmen werden, je stärker man Big-Data-Analysen in Echtzeit einbinden kann, desto mehr kann man mit solchen automatisierten Kommunikationsagenten machen. – Professor Martin Emmer, Freie Universität Berlin
Die Social Bots können also Fan- und Followerzahlen nach oben treiben oder auch bestimmten Themen zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen.
Aber noch eine Überlegung spielt in dieser Debatte eine entscheidende Rolle: Was kann man mit 100 Euro im Wahlkampf machen? Ein paar Plakate kleben und vielleicht noch ein paar Stifte bedrucken. Im digitalen Wahlkampf gibt es laut Markus Reuter von netzpolitik.org deutlich günstigere Alternativen:
Diese Bots, wenn man jetzt eine mittlere Qualität nimmt, Twitter Bots, krieg ich 1.000 Stück für 100 Euro. Dazu brauche ich dann noch, wenn ich das ordentlich machen will, einen Programmierer, der mir die steuert. Das ist für nicht viel Geld zu haben. – Markus Reuter, netzpolitik.org
Mit unter 1.000 Euro könnte man so locker den digitalen Wahlkampf um einen Sitz im Bundestag befeuern.
Die Wirkung auf mich
Nach der Debatte um den Wahlkampf in den USA scheint die Gefahr von Fake News und Social Bots extrem groß. Was so ein Bot mit einem selbst anstellt, ist allerdings noch nicht eindeutig erforscht, betont der Kommunikationswissenschaftler Martin Emmer:
Es ist natürlich so, dass man aus der Kommunikationsforschung grundsätzlich weiß, wie Menschen mit Informationen in solchen Debatten umgehen. Da ist es so, dass vor allem solche Leute für diese Art von Kommunikation ansprechbar sind, die nur ein geringes Involvement in bestimmten Themen haben. Sobald Menschen ein stärkeres Interesse an einem Thema haben, haben sie auch ein höheres Wissen, eine höhere Motivation, sich mit Fakten und Informationen auseinanderzusetzen und dann wird es schnell schwierig. Interessanter sind solche Bots immer eher in Kontexten, bei denen es darum geht, mal schnell nebenbei viele Leute zu mobilisieren. Und da ist natürlich Facebook in Deutschland, wo Facebook ja vor allem ein Medium für private Alltagsorganisation ist, ausgesprochen attraktiv. Weil man da zwischen dem Austausch von netten Bildchen, so einem Chat mit ein paar Freunden, mal auch schnell auf ein Like klickt und da mal eben nebenbei schnell solchen Dingen auf den Leim gehen kann. – Professor Martin Emmer, Freie Universität Berlin
Nutzer und Nutzerinnen sollten also besonders aufmerksam sein und ihr eigenes Verhalten in den sozialen Netzwerken reflektieren. Häufig sind Bots gar nicht so schwer zu erkennen. Viele haben zum Beispiel keine richtigen Profilbilder, posten nichts von allein, sondern retweeten nur, und vollführen bis zu 200 Aktionen am Tag auf sozialen Netzwerken.
Hilft ein Verbot?
Doch können die User von sozialen Netzwerken den Kampf gegen die Social Bots alleine aufnehmen? Oder sollte die Politik die Plattformen in die Pflicht nehmen?
Die Plattform kümmert sich darum, dass Falschmeldungen über Geflüchtete entlarvt werden. Auch Bildblog oder Botswatch beschäftigen sich regelmäßig mit Social Bots und der Weiterverbreitung von sogenannten Fake News. Diese generell zu verbieten oder zu zensieren, hält Markus Reuter von netzpolitik.org für falsch:
Der Begriff der Fake News, der erst seit ein paar Monaten existiert, ist jetzt schon so entwertet, weil er alles heißt, dass man ihn jetzt schon wieder begraben sollte. Es ist wichtiger zu sagen: Ok, das ist eine Lüge, das ist ein Gerücht. Und das Thema führt insgesamt zu Regelungsforderungen. Also ein CDU-Politiker hat gerade gefordert, dass man Fake News zensieren soll, wenn das staatlich gelenkte Propaganda sei. Was auch immer das sein soll, es ist alles so unbestimmt. Das kann eben dazu führen, dass Presse- und Meinungsfreiheit beschnitten werden und ich glaube, das ist gerade eine sehr gefährliche Konstellation, weil diese Hysterie, die jetzt da aufkommt, dazu führt, dass da Regularien gefunden werden, die schädlich sind für die Demokratie. – Markus Reuter, netzpolitik.org
Was lernen wir daraus?
Jede und jeder einzelne sollte also stärker hinterfragen, was er retweetet, liked oder wem er in den sozialen Netzwerken seine Aufmerksamkeit schenkt. Außerdem schadet es nicht, unseriös erscheinende Meldungen selbst einmal unter die Lupe zu nehmen. Auch dabei gibt es Hilfe im Netz.
Das allerwichtigste, das man mitnehmen kann, ist, dass man keiner Hysterie verfallen sollte. Das ist das, was ich in den letzten Wochen sehr stark wahrgenommen habe. Über Jahre hinweg. Also Social Bots ist ja auch im Netz kein neues Thema. Es gibt seit drei, vier Jahren Fälle, die bekannt sind. Da wurde das überhaupt nicht von der Politik aufgegriffen. Und jetzt gab’s ’ne Rede von Angela Merkel auf dem JU-Parteitag in Paderborn und seitdem habe ich das Gefühl, dass die Politik wie ein kopfloses Huhn durch die Gegend rennt und sagt: Wir müssen irgendwas machen gegen Social Bots. – Politikberater Martin Fuchs
Insgesamt wird deutlich, dass die Experten ein Verbot für sinnlos und falsch erachten. Vielmehr sollten Plattformen selbst mehr Verantwortung übernehmen und Falschmeldungen und Social Bot-Aktivitäten kennzeichnen. Aber auch die Nutzer und Nutzerinnen sollten jede Meldung kritisch hinterfragen, vor allem wenn eine Kontrollinstanz fehlt.