Ob sie uns schaden oder bereichern, ob wir das schaffen oder nicht schaffen, ob die Politik der Bundesregierung hier richtig oder falsch ist: über die Flüchtlinge, die bei uns Schutz suchen, wird viel diskutiert. Manche halten sich nicht mit reden auf, und gehen mit Gewalt, Aggression und Zerstörung gegen die Flüchtlinge vor – an schlechten Nachrichten mangelt es also nicht.
Wir wollten bei all den schlechten Nachrichten auch einmal ein paar Gute Nachrichten erzählen – und Menschen und Projekte vorstellen, die sich nicht mit diskutieren aufhalten. Menschen, die entschieden haben, etwas zu tun. Vier Projekte haben wir herausgesucht (wie man weitere Projekte in ganz Deutschland finden kann, steht hier): Marcus Engert im Gespräch mit detektor.fm-Moderatorin Doris Hellpoldt.
Kleinanzeigen für Flüchtlinge: ankommen.eu
Waschmaschine, Bügeleisen, Sofa, Fernseher: wer etwas übrig hat, bietet das nicht selten im Netz als Kleinanzeige an. Flüchtlinge, die nicht mehr in einer Erstaufnahmeeinrichtung sind, haben Bedarf an so ziemlich allem. Warum also diese beiden nicht zusammenbringen? Das ist der Gedanke hinter „ankommen.eu“.
Viele Annahmestellen und freiwillige Helfen sind mitunter seit Wochen bis an die Grenzen der Erschöpfung damit beschäftigt, Spenden zu sammeln, zu sortieren und zu verteilen. Vor allem die Logistik und die kleinteilige Sortierarbeit kosten Zeit und Nerven. Auch hier könnte die Plattform helfen: wenn Anbieter und Bedürftige direkt miteinander in Kontakt kommen und die Übergabe selbst organisieren, braucht es weder Lagerraum noch Sortierhelfer.
Mit Moritz, einem der vier Köpfe hinter „ankommen.eu“, haben wir über die Idee gesprochen. Im Interview erklärt er auch, wie „ankommen.eu“ bald schon in ganz Deutschland verfügbar sein soll und wie man dabei mithelfen kann.
Programmieren lernen mit gespendeten Laptops: Refugees on rails
Auch beim zweiten Projekt, welches wir heute vorstellen, kommt der Laptop ins Spiel. Wenn der schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat, oder der Weihnachtsmann einen Neuen bringt, kann der alte Laptop bald schon ganz konkret helfen.
„Refugees on Rails“ will Programmier-Kurse und Coding-Schulen für Flüchtlinge organisieren. Der Gedanke: sind die Grundlagen einmal gelegt, springt der Funke beim einen oder anderen vielleicht über und sie werden Programmierer.
Dafür aber brauchts Laptops – und die kann man dem Projekt spenden. Wenn man also einen übrig hat, kann man den PC dort hinschicken oder von „refugees on rails“ abholen lassen. Alle Infos dazu gibt’s hier.
Behörden UND Flüchtlingen helfen: eine IT-Lösung von SAP
Im dritten vorgestellten Projekt wird schon programmiert: von niemand geringerem als dem Softwareriesen SAP. Dort arbeitet man an einer IT-Lösung. Die soll helfen, die Erstregistrierung der Flüchtlinge einfacher und schneller zu machen – auch, indem sich die Flüchtlinge selbst registrieren können.
Das soll einerseits die Behörden entlasten, indem die Flüchtlinge Stammdaten selbst bereitstellen. Gibt es schon Kontakte oder Angehörige in Deutschland? Welchen Schul- oder Berufsabschluss bringt ein Flüchtling mit? Wie ist seine gesundheitliche Situation? All diese Informationen können von den Migranten selbst eingegeben werden und stehen Behörden auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene zur Verfügung. SAP erklärte auf unsere Anfrage, man arbeite an einem Prototyp, erfahre aber bereits „großes Interesse, vor allem auf Seiten der Landes- und Kommunalbehörden“.
Andererseits soll die Lösung aber auch Flüchtlingen mit Informationen helfen. Wie läuft ein Asylverfahren hier ab? Wie werden die Menschen auf die Bundesländer verteilt – und wo gibt es welche Aufnahmekapazitäten? Welche Hilfsangebote gibt es, z.B. für Übersetzungen, Gesundheitsversorgung und zugehörige Öffnungszeiten? Aber auch praktische Hilfe wie Anleitungen für den Bau einer Notunterkunft könnten in der App bereitgestellt werden.
SAP schrieb uns, man sehe sich als Unternehmen in der Verantwortung, bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise zu helfen: finanziell, integrationsfördernd und mit der Bereitstellung von IT-Lösungen. Die Mitarbeiter des Konzerns hätten 170.000 Euro gespendet, der Konzern habe diese Summe auf 840.000 Euro aufgestockt: „Das Resultat der Spendenaktion für den SAP Solidarity Fund soll Integrationsprojekten in Deutschland zu Gute kommen.“, so eine Sprecherin. Außerdem wolle man durch Praktika für Flüchtlinge helfen: „Konkret werden wir in den kommenden 12 Monaten mindestens 100 Flüchtlingen, die über ein technisches Grundwissen verfügen, einen Praktikumsplatz in unserem Unternehmen vermitteln.“, erklärte die Sprecherin weiter.
Das alles mag man als PR abtun, oder auch nur als effektive Suche nach neuen Fachkräften – aber selbst wenn dem so sei: dass ein internationaler Konzern mit Mitarbeitern aus 80 Ländern auf diese Weise neue Talente und kulturelle Vielfalt ins Unternehmen holt, scheint nicht die dümmste Idee zu sein – für alle Beteiligten.
Akademiker wieder zur Wissenschaft bringen: chance for science
Das Finale in unserer Vorstellungsrunde macht eine Art soziales Netzwerk für Akademiker.
Als Wissenschaftler wühlt man sich mitunter jahrelang in ein Fachgebiet ein. Man wird Spezialist, vielleicht sogar zum Freak. Man trägt Spezialwissen in sich. Und man gibt dieses Wissen im akademischen Betrieb und in der Lehre auch an andere jüngere Kollegen und Studenten weiter.
Für Wissenschaftler auf der Flucht ist es besonders schwierig, ihr Talent und ihr Wissen weiter anzuwenden. Einmal abgeschnitten von Hochschule, Wissenschaftseinrichtungen und Bibliotheken bleibt ihnen zunächst oft nur die Erinnerung – und eine quälend lange Zeit voller Langeweile in den Erstaufnahmeeinrichtungen.
„Chance for Science“ will hier helfen. Die Plattform will geflohenen Akademiker in Kontakt mit Akademikern hierzulande bringen, einfach mal wieder einen Besuch in der Bibliothek oder eine Vorlesung zu ermöglichen. Inzwischen ist das Projekt auch für Studierende geöffnet.
Wie man dort mithelfen kann und was die Idee bewirken soll, hat uns die Initiatorin des Projekts, Prof. Carmen Bachmann, erklärt.
Redaktion: Marcus Engert
„Gute Nachrichten“ werden präsentiert von der GLS Bank – der ersten sozial-ökologischen Universalbank der Welt.
„Gute Nachrichten“ – unter diesem Titel stellen wir jeden Mittwoch Projekte, Initiativen und Firmen vor, die etwas besser machen wollen. Arbeit verbessern, Wirtschaft und Moral in Einklang bringen, den Umweltschutz voranbringen, fair produzieren, nachhaltig wirtschaften oder kulturell bereichern.