Die Freiheitsstatue als schwarze Transfrau – ein Bildmotiv, das das Kunstjahr 2025 geprägt hat. Die US-Malerin Amy Sherald hätte ihr Bild nämlich eigentlich in ihrer großen Show im Smithsonian Museum in Washington ausgestellt. Doch dann kam Donald Trump mit seiner Anti-Trans-Politik dazwischen. Das Museum wollte das Bild vielleicht dann doch lieber nicht zeigen, und am Ende hat Amy Sherald ihre Ausstellung lieber gleich selbst komplett abgesagt. Nur einer von vielen Fällen, die in diesem Jahr die Kunstwelt bewegt haben. Wir fragen uns heute in „Zurück zum Thema“: Wer hat 2025 die Kunst besonders geprägt? Ich bin Jessi Jus. Hi! Wer prägt die Kunst durch herausragende Ausstellungen, Kooperationen, Positionen und Werke? Wer geht neue Wege oder stößt Veränderungen an? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Redaktion des Kunstmagazins Monopol immer zum Jahresende. Gemeinsam mit Expertinnen und Experten erstellt sie dann eine Liste der Top 100 einflussreichsten Menschen in der Kunstwelt. Marktwert und Auktionsrekorde spielen eine Rolle. Entscheidendes ist aber, wie sehr diese Menschen den Diskurs in der Kunstwelt prägen. Besagte Amy Sherald ist eine der Künstlerinnen, die es in diesem Jahr auf die Top 100 Liste geschafft hat. Warum er dort in diesem Jahr auch den wohl erfolgreichsten noch lebenden Künstler Gerhard Richter findet und warum der Nahe Osten als ganze Region auf der Liste nominiert ist, darüber sprechen Chefredakteurin Elke Buhr und Redakteurin Silke Hohmann vom Monopol Magazin mit detektor.fm Moderatorin Sarah Plickard. Folge Nummer 1 war für euch eine echte Überraschung. Für mich ehrlich gesagt auch. Gerhard Richter führt ja seit Jahren sämtliche Rankings an, zählt zu Deutschlands erfolgreichsten Künstlern. Er ist etabliert, bekommt viel Aufmerksamkeit, und seine Werke wurden auch kunsthistorisch und vielfach besprochen. Seit Oktober zeigt die Fondation Louis Vuitton eine Retrospektive in mehr als 30 Sälen. Unter den Top 100 war er für Monopol noch nicht. Warum ausgerechnet jetzt, Silke? Ich glaube schon, dass er bei uns in den Top 100 schon war. Wir machen das ja auch schon ziemlich lange, aber er war noch nie die Nummer 1. Und wie du schon ganz richtig sagst, er ist die Nummer 1 auf allen möglichen Listen von Forbes und Capital. Er ist der Künstler schlechthin. Er ist der erfolgreichste, der teuerste, noch lebende und so weiter. Er ist eigentlich so ein Künstler der Superlative, und wir hatten, glaube ich, immer so ein bisschen das Gefühl, das ist einfach ein bisschen zu offensichtlich. Diesmal hat sich aber etwas verändert, und zwar in der Fondation Louis Vuitton ist wirklich ein Lebenswerk ausgestellt. Das älteste Bild ist von 1962. Da war er gerade aus der DDR geflohen, und das jüngste Bild ist im Juli 2024 entstanden. Gerhard Richter ist hochbetagt, und er hat hier in einer so umfassenden Ausstellung, wo kein Leihgeber sich hat lumpen lassen, aus aller Welt sind Werke zusammengekommen, aus allen wichtigen Museen, aus allen wichtigen Privatsammlungen. Hier war der Anspruch wirklich, das alles mal komplett zu zeigen. Und da musste ich dann auch feststellen, man kann hier sehen, warum das so gut ist, warum das so bekannt ist, warum er so wichtig ist. Und zwar nicht als Selbstläufer. Es ist halt Gerhard Richter. Man erkennt seine Bilder auch im kleinsten Format. Jedes Auktionshaus zerrt seine Bilder hervor und macht Anzeigenmotive draus, weil man es eben auch sofort wieder erkennt. Sondern weil er jemand ist, der die Gegenwart immer ganz, ganz wachsam begleitet hat und immer gewartet hat, bis er ein Motiv zu einem Bild hat werden lassen. Er ist also nie in die Aktualität so reingegangen, hat sich aber zu ganz vielen Themen, gerade zur deutschen Geschichte, geäußert. Zum Nationalsozialismus gibt es ganz viele bekannte Werke aus den 60er Jahren, wo er die Verstrickung auch seiner Familie in den Nationalsozialismus gemalt hat, ohne sich da groß jemals verbal zu äußern. Und zur Geschichte der RAF, der Deutsche Herbst aus den 70er Jahren, da hat er auch 10, 11 Jahre gewartet, bis er das als Thema bearbeitet hat. Auschwitz-Birkenau hat er 70 Jahre gewartet, bis er sich da dran getraut hat. Und er hat es auch letzten Endes nicht wirklich er hat es in ein Bild überführt, aber am Motiv ist er letztlich, und das ist auch richtig so, gescheitert. Und wir hatten das Gefühl, hier hat jemand so gut diese Bilder für uns gesammelt aus der Welt, in der wir leben, aus der Vergangenheit, aus der Gegenwart, die wir bezeugen. Und ich habe geschrieben, er musste sie abkühlen lassen, bis er sie dann selber wieder zu Bildern machen kann. Was aber zur Folge hat, dass die immer noch brennen. Und das kann man jetzt sehen. Und das war, glaube ich, für viele Menschen, für mich auch, zum ersten Mal wirklich so spürbar, dass er auch durch die Zeit, in der wir uns jetzt befinden, nochmal eine ganz starke Aktualität hat, eine Aktualisierung bekommen hat. Und das ist eigentlich auch das, was so Meisterwerke – ist nicht so ein gutes Wort – aber das, was wirklich gute Kunst ausmacht, dass sie sich immer wieder aktualisiert. Und das ist das, was hier passiert ist. Und da haben wir uns ein bisschen selbst überrascht, damit, dass er gesagt hat: Mensch, Gerhard Richter, unsere Nummer eins. Ja, Silke, ich hätte nie gedacht, dass ich mal so einen Vortrag von dir über Gerhard Richter hören würde. Du hättest es selber auch nicht gedacht. Das war wirklich ganz lustig. Aber es war dann wirklich so klar, nachdem wir so viele Gespräche auch hatten, auch in Paris, von auch Künstlern, jüngeren Künstlerinnen und Künstlern, die in der Ausstellung waren, wo man auch nie gedacht hätte, dass die jetzt das so toll finden, dass die alle gesagt haben: Okay, das ist jetzt der Moment. Und ja, jetzt haben wir halt mal Gerhard Richter auf der Eins, und wir stehen dazu. Bis wann kann man die Ausstellung noch sehen in Paris? Also die läuft noch bis ins nächste Jahr rein. Genaues Datum habe ich nicht parat, aber die läuft eine ganze Weile. Und ich kann, glaube ich, auch sagen, das wird so nie wieder so zusammenkommen. Das ist total einmalig. Und wer die Gelegenheit hat, sollte das auf jeden Fall besuchen. Also ab in Abu Dhabi. Und das ist eine sehr schöne Überleitung zu eurem zweiten Platz. Und zwar der auch recht ungewöhnlich, eigentlich eine ganze Region, die ihr beschreibt: die Golfstaaten. Da habe ich das Gefühl, beim Lesen gehabt, irgendwie da wird jetzt alle zwei Minuten ein Museum oder eine Galerie eröffnet. Aber das ist ja weitaus mehr, was dort passiert. Warum das auf dem zweiten Platz? Ja, eben deshalb. Also wenn es eine Region gibt, die heute in Kunst und Kultur investiert, dann sind es einfach die Golfstaaten. Das ist auch noch intensiver als China zum Beispiel, die andere Region, wo man sagt: Okay, da passiert gerade viel. Aber die Golfstaaten, die haben das wirklich zum Konzept gemacht, dass sie sagen: Wir wollen Entwicklung durch Investitionen in Kunst und Kultur. Also letztes Jahr war ich in Saudi-Arabien, und da gibt es so ein Projekt: Die haben 30 Museen gerade gleichzeitig in Planung. Und es ist auch so was ich wirklich spannend fand bei der Recherche jetzt für das Thema Golfstaaten, was dann rauskam, dass es im Moment einen riesigen Geldtransfer gibt, also Vermögenstransfer von den westlichen Ländern in diese Region. Das ist natürlich nichts, was man jetzt irgendwie toll findet oder so, wenn da irgendwelche Milliardäre denken, sie können ihr Geld da besser parken. Aber es ist halt so. Also es ist halt ein Fakt. Und deswegen gibt es da so einen totalen Sog. Und ja, also interessanterweise sind es ganz viele Frauen, die da vorne sind, also internationale Frauen oder auch Frauen aus der Region, die dann diese neuen Institutionen leiten. Und ja, also der Kunstmarkt läuft natürlich hinterher beziehungsweise denkt so: Okay, da können wir jetzt auch noch was verdienen. Und die Art Basel eröffnet ja nächstes Jahr im Februar ihre erste Ausgabe in Katar, in Doha. Und die Frees hat gerade angekündigt, also der zweite große Messekonzern, dass sie die Messe in Abu Dhabi übernehmen nächstes Jahr. Und ja, außerdem gibt es noch, also es gibt halt die Messen, es gibt diese vielen neuen Museen, es gibt das Guggenheim in Abu Dhabi, was nächstes Jahr eröffnen soll. Und drumherum gibt es dann aber auch noch ganz viele so Biennalen, Kunst im öffentlichen Raum und so. Also wirklich alles, was man sich vorstellen kann, wird da hoch und runter gerade investiert. Und das können wir uns gar nicht mehr vorstellen, weil also in der westlichen Welt ist ja auch gerade die öffentliche Hand so: Ah nein, ihr Geld in Kunst und Kultur investieren? Auf keinen Fall, das wollen wir nicht, da haben wir kein Geld mehr für. Und da wird eben genau das gemacht. Und die holen sich international die besten Leute, und da können wir einfach nur noch zugucken. Außerdem, was mir aufgefallen ist, sind viele Menschen dabei, die in den USA sind, die sich dort auch einsetzen, gerade politisch. War das jetzt ein bestimmter Fokus, den ihr bewusst gesetzt habt, oder ist es einfach in der Recherche so rausgekommen? Ich glaube, das ist ja immer beides. Also es ist etwas, was uns interessiert, aber wir haben ja dieses sogenannte Advisory Board, wo Leute uns auch immer sagen: Der und der, den fanden wir interessant. Und ich glaube, dass halt international im Moment die ganze Kunstszene oder die westliche Kunstszene von uns aus gesehen sehr intensiv auf die USA guckt und dass wir alle irgendwie hoffen: Wo ist denn jetzt die Person, die jetzt diesem Trump und diesem Totalitarismus, der sich da entwickelt, etwas entgegensetzt? Und es gibt halt, also es gibt so, ja, nicht so die breite Bewegung, auf die wir, glaube ich, alle gehofft hatten in der Kunst- und Kulturszene. Aber es gibt halt wirklich Personen, die viel geleistet haben. Also zum Beispiel Amy Sherald, ganz toll. Die hat halt dieses, was wir auch abbilden, dieses Bild: Sie hat sozusagen eine schwarze Transperson als die Freiheitsstatue gemalt. Und dann sollte sie ihre große Ausstellung im Smithsonian in Washington haben. Und dann ging es darum, dass dieses Bild vielleicht zensiert werden würde. Und dann hat die USA auch die Möglichkeit, dass sich solche Leute oder Kara Walker, die gerade eine große Ausstellung gemacht hat, wo sie sich mit diesen Denkmälern von Südstaaten generell beschäftigt, die Trump ja jetzt einfach wieder aufbauen lässt, und dass sie die dann wieder dekonstruiert und eine große Ausstellung daraus macht. Also solche Leute fanden wir jetzt einfach sehr wichtig in diesem Jahr. Wie reagieren US-Künstlerinnen auf den Rechtsruck der US-Regierung? Darüber haben gerade Elke Buhr und Silke Hohmann vom Monopol Magazin gesprochen. Darüber hat die Redaktion, als sie die Top 100 der einflussreichsten Menschen in der Kunstwelt 2025 ausgewählt hat. Wie die Redaktion dabei eigentlich genau vorgeht und warum es in diesem Jahr auch ausgerechnet ein rechter Blogger in die Top 100 geschafft hat, auch das erfahrt ihr in der Folge des Monopol Podcasts. Ihr habt gerade nur einen Ausschnitt des Gesprächs gehört. Die Podcast-Folge in voller Länge findet ihr in den Show Notes. Auf meiner besten Liste des Jahres in Sachen Postproduktion und Audio Engineering steht auf jeden Fall Wiebke Stark, die diese Folge produziert hat. Und natürlich auch ihr als meine liebsten Hörerinnen und Hörer. Danke euch fürs Zuhören. Bis zum nächsten Mal.