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Reingehört: Waters – Out In The Light

Nach der Auflösung von Port O’Brien hat Van Pierszalowski sein Leben gehörig auf den Kopf gestellt, ist wegen einer Frau kurzerhand nach Oslo umgezogen und hat auch musikalisch neue Wege eingeschlagen. Sein neues Projekt nennt Pierszalowski „WATERS“ und heute erscheint das erste Album: „Out In The Light“ – sozusagen die physische Manifestation des Neuanfangs.

Van Pierszalowski hat seit er 19 war nichts anderes gemacht, als Musik bei und mit Port O’Brien. Dass dann mit dem Erwachsenwerden irgendwann eine Schaffens- und Sinnkrise aufkommt, ist vielleicht nicht ganz ungewöhnlich. Irgendwann stellt man sich eben die Frage, ob das alles eigentlich noch so passt – und vor allem: Was soll als Nächstes kommen?

Für Pierszalowski war die Antwort relativ radikal: erst mal weg von dem, was sein Leben bisher bestimmt hat. Musikalisch bedeutete das vor allem weg von Port O’Brien und – weg vom Folk. Klare Ziele, die er mit seinem Debüt-Album als Solo-Künstler auch konsequent verfolgt. WATERS könnte man als klassisches back-to-the-roots-Projekt beschreiben. Pierszalowski sagt selbst, es sei sein Versuch, aus der Welt des Folk, in der er sich bisher bewegt hat, auszubrechen – die Welt, die geprägt war von Akustik-Gitarren, Banjos und Texten übers Fischen.

Ich wusste, dass ich eine „noisigere“ Platte machen wollte. Ich habe einfach keine Folk-Songs mehr geschrieben und auch nicht mehr gehört. Mit Port O‘Brien war ich immer Teil dieses Folk-Universums. Mit WATERS gehe ich zurück zu dem, was schon immer meine Leidenschaft war: lauten Rock-Kram zu spielen.


Mit WATERS zelebriert Pierszalowski die Wiederentdeckung der Musik, die er schon zu High School-Zeiten gehört hat: Sonic Youth, Dinosaur Jr., Nirvana – alles, was sich grob unter dem Label „Alternative Rock“ der späten 80er und 90er Jahre zusammenfassen lässt. Im Grunde gab es diese rockigere Seite durchaus auch schon bei Port O’Brien, allerdings hat er seine Begeisterung dafür vor allem auf der Bühne ausgelebt. Jetzt hat sich Van Pierszalowski also eine ganze Platte gegönnt, die komplett dieser neuen alten Leidenschaft verschrieben ist – aber funktioniert es auch?

Zumindest tun sich Fragezeichen auf, schon wenn der Opener des Albums, For The One, durch die Lautsprecherboxen knallt. Pierszalowskis Stimme war wie geschaffen für die zurückgenommenen, emotionalen Folk-Songs von Port O’Brien – für das Energie- und Lautstärke-Level von aggressiver angelegten Rocksongs hat sie oft einfach nicht genug Tragkraft, wirkt stellenweise zu weinerlich und angestrengt.

Tatsächlich unterscheidet sich die Platte nicht nur stilistisch vom Vorgänger-Projekt. Auch die Herangehensweise ans Songschreiben war eine völlig andere, sagt Pierszalowski. Bei WATERS gab es eben keine Band, die er schon beim Entstehen der Songs im Kopf hatte. Dadurch war er gezwungen, sich viel länger allein mit dem Material auseinanderzusetzen und konzentrierter an den Songs zu arbeiten. Unter anderen deshalb sei das Album viel persönlicher als alles, was er bisher geschrieben hat.

Ich betrachte WATERS als eine Art Solo-Projekt, ohne es jetzt unbedingt so nennen zu wollen. Ich wollte, dass die Bandmitglieder wechseln können, das im Grunde alles wechseln kann – aber letztlich bleibt es immer noch WATERS, und bleibe immer noch ich selbst. Ich wollte zu 100 Prozent die Kontrolle darüber haben, in welche Richtung der Sound sich entwickelt.

Trotz der klaren Absicht, sich abzuheben von der Port O’Brien-Vergangenheit, finden sich – und man muss sagen, zum Glück – hier und da einige Überbleibsel davon. Zum einen, weil die Songs oder Elemente davon teilweise schon vor Jahren entstanden sind, zum Beispiel das Gitarrenriff von If I Run. Auch O Holy Break Of Day ist ein Song, der noch auf der letzten Tour mit Port O’Brien geboren wurde – dann kam aber das Ende der Band und der Song verschwand in der Ideen-Schublade.

Auch die textlichen Bezüge zur Küste und zum Meer sind geblieben – aber schließlich kann man auch nicht jeden Aspekt der eigenen Persönlichkeit verleugnen, nur weil man sich nach einem Neuanfang sehnt. Und für Pierszalowski ist es immer noch unvorstellbar, nicht in der Nähe einer Küste zu leben. „I need to be by the ocean, always”, sagt er, und deshalb findet sich das Meer als Sehnsuchtsort auch bei WATERS wieder – nicht zuletzt im Bandnamen selbst. Einige der Songs, die dieses Heimweh nach dem Ozean am besten ausdrücken, sind Take Me To The Coast oder San Francisco.

Insgesamt ist das Debüt von WATERS aber tatsächlich eher ein Versuch, nach vorn zu schauen und sich von der Vergangenheit zu lösen. Songs, die in besonderer Weise für den Neuanfang nach einer schwierigen Lebensphase stehen, sind das Titelstück des Albums, Out In The Light und O Holy Break Of Day – in beiden verarbeitet Pierszalowski seine ganz privaten Erfahrungen der letzten Jahre, die von außen geprägt waren von großer Ungewissheit und vielen Veränderungen und innen von Depression und Zukunftsangst. Die Songs spiegeln seine Sehnsucht danach, loslassen zu können und vielleicht auch losgelassen zu werden von dem was war und Kraft zu finden für den Aufbruch zu etwas Neuem.

Die ganze Platte dreht sich in den Texten um den Wechsel meines Lebens. Ich war vier Jahre lang auf Tour, dann kam diese dunkle Periode, das nicht wissen, was man tun soll. Und dann plötzlich war es mit der Band vorbei, ich hatte kein zu Hause, keine Band, keinen Job und war einfach deprimiert. Die Songs drehen sich um diese dunkle Zeit – aber eben auch, wie gut es sich anfühlt, wenn man da rauskommt.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Erstling von WATERS eine Art midlife crisis-Platte ist – auch wenn Van Pierszalowski mit knapp 27 dafür eigentlich deutlich zu jung scheint. Out In The Light ist ein bisschen trotzig und vielleicht auch eine kleine Kampfansage an die Vergangenheit: So nicht mehr! Dieses etwas befremdliche Beharren auf dem Anders-sein-wollen drückt sich letztlich sogar im Bandnamen aus, der aus unerfindlichen Gründen in Großbuchstaben geschrieben wird.

Auf der anderen Seite wirkt das Album seltsam unentschlossen, fast unfertig, als wüsste Pierszalowski eben noch nicht ganz, was nun genau als Nächstes kommen soll – im Leben und in seiner Musik. Erst in der zweiten Hälfte des Albums scheint er dann doch eine klare Linie zu finden – allerdings ist auffällig, dass sich hier genau die Songs finden, die noch am nächsten dran sind an dem, wofür Port O‘Brien stand: eben nicht laut und aggressiv, sondern von einer ruhigen Emotionalität, die auf viel subtilere Weise „anders“ ist – und sich trotzdem und gerade deswegen klar aus der Masse abhebt.

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