Wir sprechen hier in diesem Monat ja sehr viel über Irrwege, und damit sind manchmal ja auch Umwege gemeint. Und wenn wir ganz ehrlich sind, sind doch vermutlich die allermeisten Wege nicht kerzengerade, sondern eher geschlungen und oft auch mal verbunden mit Sackgassen. Und damit hat dann auch schon die nächste Abzweigung hier im Brand1 Podcast begonnen, und wir schauen mal, wo sie uns diesmal hinführt. Ich bin Christian Bollert und grüße euch. Wenn ich an Technologien denke, die auf dem Weg zum Durchbruch Umwege genommen haben, dann fällt mir persönlich ziemlich schnell die Elektromobilität beim Auto ein. Als Idee gibt’s die ja schon lange. Das erste E-Auto soll ja in Deutschland schon 1888 gefahren sein, und trotzdem haben Verbrennungsmotoren über ein Jahrhundert lang den Ton angegeben und ganze Generationen von Ingenieurinnen und Ingenieuren beschäftigt und den Aufstieg der deutschen Automobilindustrie insgesamt auch ermöglicht. Heute glauben eigentlich nur noch wenige, dass das mit der Elektromobilität bei Autos eine Sackgasse gewesen ist, und trotzdem dauert es gerade auf dem deutschen Markt extrem lang, bis E-Autos wirklich relevant werden. Aktuell ist nur jeder fünfte Neuwagen komplett elektrisch, und Hybridfahrzeuge machen ungefähr 40 Prozent aus. Günter Schuh ist einer derjenigen, die schon vor mehr als zehn Jahren an den baldigen Durchbruch von kleinen und leichten E-Autos geglaubt haben und überhaupt an die Elektromobilität. Denn er hat aus der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen heraus das Unternehmen Ego Mobile AG gegründet. Dieses Unternehmen hat dann seit 2015 den Ego Life produziert. Und schon vorher hatte er mit dem von Achim Kamka und ihm 2010 gegründeten Unternehmen der Street Scooter GmbH durchaus für Aufsehen gesorgt. Denn die deutsche Post DHL hat 2014 den Hersteller von elektrischen Kleintransportern aufgekauft. Weder den Ego Life noch den Street Scooter gibt es jedoch heute noch im Markt. Aber Günter Schuh gibt nicht auf. Und genau deshalb sprechen wir auch in dieser Ausgabe hier. Ich sage herzlich willkommen im Brand1 Podcast, Herr Schuh. Ja, sehr gerne. Schönen guten Tag, Herr Bollert. Die Süddeutsche hat Sie mal als Professor Ego genannt, weil Sie als E-Auto-Pionier angeblich glaubten, alles besser zu wissen. Und in der Brand1 steht das Zitat von Ihnen: „Natürlich war es auch Besserwisserei.“ Woher kommt eigentlich Ihr Durchhaltevermögen? Also, dass ich alles besser weiß, ist mir eigentlich angedichtet worden. Ich habe, denke ich, ein Konzept, ein Fahrzeugkonzept erfunden, entwickelt, was ziemlich anders ist als das, wie man bisher Autos baut. Und das habe ich ziemlich lautstark kommuniziert, damit es überhaupt wahrgenommen wird. Das war als einen Innovationsvorschlag zu verstehen und von mir auch so gemeint und wurde dann immer als Besserwisserei interpretiert. Insofern würde ich mal sagen, wenn Sie etwas erfinden, müssen Sie auch dafür sorgen, dass es wahrgenommen wird. Und das ist dann am besten, wenn Sie es hinkriegen, das laut zu machen. Also, Sie würden sagen, der gute alte Spruch „Klappern gehört zum Handwerk“ war das eher? Ja, Sie haben natürlich als Start-up, gerade in einem Deep-Tech-Umfeld, eigentlich immer zu wenig Geld, und Sie versuchen halt, zum Beispiel für Marketing und alle Kommunikation so wenig wie möglich auszugeben. Also müssen Sie das, was Sie da als Innovation auch als Durchbruch glauben, durchsetzen und das so pointiert wie möglich erzählen. Dann können Sie sozusagen Marketingausgaben durch PR ersetzen. Und das ist ein bisschen mein Versuch gewesen. Glauben Sie denn heute tatsächlich immer noch an die Idee eines elektrischen Kleinwagens für den Kurzstreckeneinsatz, was ja, glaube ich, so die Kernidee war? Ja, auf jeden Fall. Es wäre auch jetzt nach wie vor das logischste Elektroauto. Einfach, weil die Energiedichte der Batterie halt 40-fach schwächer ist als die von Diesel. Und insofern ist erstmal alles, was sich bewegt und mit elektrischen Antrieben und Batterien sozusagen versorgt wird, dann besonders sinnvoll, wenn man nicht so viel Masse da drauf bringt. Und das ist aber quasi mit den Anforderungen, die wir heute an Autos allgemein und auch an E-Autos stellen, kaum machbar. Deswegen braucht man ein anderes Konzept, ein fundamental anderes Konzept, um diese Art Fahrzeuge wesentlich günstiger herstellen zu können. Und das war die Idee von Ego und vom Ego Life, und sie hat im Kern auch funktioniert. Insofern, Ihr Motto ist ja „Ihre Wege“. Ich würde mal sagen, das Ziel und der Weg waren nicht falsch. Aber in Sparkassen Deutschland ist das schwierig, ein Deep-Tech-Unternehmen sozusagen bis zur Serienfähigkeit durchzufinanzieren. Woran ist es denn am Ende gescheitert? An den Anforderungen, die Sie schon angesprochen haben, oder auch an anderen Sachen? Es ist an der Finanzierung. Sie brauchen für so ein Unternehmen auch, wenn wir das machen, dann brauchen wir vielleicht nur 10 bis 20 Prozent des Kapitals, was ein amerikanisches Unternehmen dafür für notwendig halten würde. Bei uns ist aber zusätzlich hinzugekommen, dass die gut gemeinte, aber dann wegen fehlender Ausnahmen schlecht gemachte Umweltprämie, die E-Autos und insbesondere bezahlbare E-Autos fördern sollte, uns umgebracht hat. Denn im Prinzip kam zu diesem Zeitpunkt, als wir den Serienanlauf gemacht haben, nicht nur der Erhalt, sondern die Erhöhung der Umweltprämie hinzu. Viele werden sich erinnern, da wurde dann die Umweltprämie für den Kunden von 4.000 auf 6.000 Euro erhöht, und der Hersteller musste darin aber die Hälfte selber beisteuern. Wenn Sie dann ein besonders kostengünstiges Fahrzeug mit einem dafür ganz andersartigen Konzept entwickelt haben, aber weil es ein preisgünstiges Auto sein soll, auch nur eine knappe Marge, in unserem Fall von 1.100 Euro, eingeplant haben, und dann müssen Sie sozusagen für diese Umweltprämie 3.000 Euro selber beisteuern, dann fällt Ihr Businessplan um. Dann verlieren Sie Ihre Investoren, Sie schaffen die nächste Investorenrunde nicht. Wenn dann noch diese Maßnahme der Bundesregierung unbefristet ist, dann fällt Ihr Businessplan ultimativ um. Insofern, wir haben damals intensiv mit der Bundesregierung darüber verhandelt, ob es nicht genau für unsere Kategorie Fahrzeug und für uns als reinen Elektroautohersteller eine Ausnahme geben könnte. Das wurde uns vom damaligen Finanzminister Herrn Scholz auch in Aussicht gestellt, scheiterte dann an deren Umsetzungsfähigkeit. Und somit ist dann unser Investor, den wir im Prinzip unterschriftsreif hatten, auch abgesprungen. Und das war das eine Problem. Und das zweite Problem war, dass wir eben in Sparkassen Deutschlands, das soll keine Kritik an der Sparkasse an sich sein, sondern an unserem Bankensystem beziehungsweise unseren Private Equity Möglichkeiten, die halt Objekte oder Firmen, die mehrere hundert Millionen brauchen, im Prinzip nicht in der Lage sind zu finanzieren. Oder sagen wir mal, umgekehrt, ich will das gar nicht auf andere schieben. Wir waren nicht in der Lage, in Deutschland für ein Unternehmen in Deutschland eine weitere etwa 100 Millionen Euro Kapitalrunde zu organisieren. Wir hatten bis dahin 335 Millionen eingesammelt und brauchten jetzt noch eine Runde, um die richtige Serie zu schaffen, und sind auf dieser Strecke hängen geblieben. Das heißt, Sie würden sagen, das waren so die zwei zentralen Punkte: diese Umweltprämie und dann eben tatsächlich die Finanzierungsprobleme, die Sie dann konkret hatten? Naja, also der ganz konkrete Anlass war dann die Pandemie. Wir waren im Serienhochlauf, und die Produktion eines Serienfahrzeugs ist vielleicht auch ein produktionstechnisches Kunstwerk, aber eigentlich ein logistisches Kunstwerk. Und das ist immer fragil. Auch für die etablierten Autohersteller ist ein Neuprodukt-Serienanlauf zu machen. Den hatten wir geschafft. Wir hatten etwa 1.200 Fahrzeuge produziert und waren dann durch die ganzen Schutzmaßnahmen, keiner wusste ja so richtig, wie man damit umgehen muss, gezwungen, den Betrieb, die Produktion einzustellen und das über Wochen. Und dann tickt die Uhr. Wir hatten das Unternehmen gerade für die Produktion hochgefahren. Wir haben in einer entscheidenden Phase, ich glaube, in über sieben Monaten lang, jeden Monat 50 Mitarbeiter eingestellt. Wir hatten also weit über 600 Mitarbeiter, und dann tickt die Uhr, weil diese Mitarbeiter Geld kosten, trotz Kurzarbeiter und alledem, was sie da haben. Und der Wiederanlauf ist dann für ein junges, ein neues Unternehmen ein nahezu unmögliches Unterfangen. Das hat dann sozusagen noch einen draufgegeben, könnte man sagen, von dem wir uns mit eigenen Kräften nicht erholen konnten. Und vor allen Dingen unsere sehr guten Aktionäre, die wir damit hatten, alles mit einer Ausnahme, alles strategische Investoren, die überwiegend aus der Autoindustrie kamen, die waren alle mit ihren Problemen so stark beschäftigt, dass es nicht möglich war, in kurzer Zeit die noch zu einer weiteren Finanzierungsrunde zu überreden. Man könnte also in Anlehnung an so eine alte Fußballerweisheit auch sagen: Erst hatten sie kein Glück, und dann kam auch noch Corona dazu. So könnte man es nennen. Günter Schuh, Hochschulprofessor und Unternehmer, im Gespräch beim Podcast Radio detektor.fm. Und wir sprechen in dieser Episode natürlich noch ausführlicher über Elektromobilität und Umwege auf dem Weg zu mehr Abdeckung und möglicherweise auch zu Erkenntnissen aus diesem Scheitern. Herr Schuh, wie würden Sie denn aus heutiger Sicht so ein bisschen zurückschauen und sagen, was hätten Sie denn ganz konkret anders machen können? Weil an der Umweltprämie konnten Sie ja offensichtlich damals trotzdem nichts ändern. Ich hätte mich früher an die Private Equity Szene, die reinen Finanzinvestoren, wenden müssen. Mein Handicap als, sagen wir mal, Innovator und auch Gründer von Unternehmen, aber zuvor keines, was vergleichbar groß war oder vergleichbar viel Kapital brauchte, ich war mit dieser Finanzszene zu wenig vernetzt. Das war definitiv mein Fehler. Auch wenn ich jetzt sage, dass das in Sparkassen Deutschland schwierig ist, dann ist das mindestens zur Hälfte mein Problem, weil es gelingen ja solche Fälle. Sie gelingen natürlich in Europa oder in Deutschland viel weniger als vielleicht in Amerika, aber trotzdem gelingen sie. Also sie gelingen den Persönlichkeiten, die diese Vernetzung haben und die damit in der Lage sind, wie soll ich mal sagen, für ein Deep-Tech-Unternehmen, man nennt das glaube ich geduldiges Kapital, zu akquirieren, geduldiges Eigenkapital. Das war sicher ein großer Fehler. Der andere ist, sagen wir mal, ich konnte nicht mit der Willkürlichkeit der Förderung, der gut gemeinten, aber für uns existenziell kritischen Förderung rechnen. Also als wir angefangen haben, gab es noch keine Förderung, keine Umweltprämie. Dass wir dann trotz, sagen wir mal, guter Kontakte in die Politik bis in die Bundesregierung es nicht geschafft haben, unsere Bundesregierung zu überreden, hier eine Ausnahmeregelung, die auch noch dem EU-Förderrecht entsprechen würde, die wir auch entworfen haben, zu machen. Da habe ich mich auch überschätzt, dass ich politisch vielleicht mehr Unterstützung bekommen könnte. Und die beiden Fehler haben gereicht, um dann zum Beispiel ein Naturereignis, wo keiner was für kann, selbst ich nichts für kann, nämlich die Pandemie, nicht überstehen zu können. Und ja, das würde ich sagen, waren die beiden großen Fehler. In der Brand1 sagen Sie auch, Sie haben so ein bisschen auch gegen Ihr eigenes Prinzip verstoßen, auch beim Thema Finanzierung, dass Sie nicht selbst 10 Prozent Eigenkapital aufgebracht haben. Das würden Sie heute auch anders machen, offensichtlich, oder versuchen? Ja, also ich habe damals damit gerechnet, dass ich etwa mit 150 Millionen, das war unsere erste Kalkulation, auskommen würde und habe so ein Prinzip mir selber ausgedacht, aus vielen Fällen, die ich vorher begleitet habe, dass man so mindestens 10 Prozent davon haben sollte, um so ein Unternehmen zu starten. Das war für diese Kalkulation richtig. Am Schluss stellte sich aber heraus, dass wir in Summe etwas mehr als 400 Millionen gebraucht hätten. Das ist, wenn Sie so wollen, auch noch ein weiterer, ein vielleicht dritter Fehler gewesen, dass ich zu früh, als wir auf einem sehr guten, vielversprechenden Pfad waren, dass ich zu früh dann auch noch das Produktspektrum erweitert habe. Wir haben dann mit einem der großen Zulieferer ein weiteres Unternehmen gegründet, was automatisierte Kleinbusse produzieren sollte. Und das war eine Spektrumserweiterung, die zwar eigentlich logisch und sinnvoll war, aber zu früh kam und für dieses Venture, für dieses Unternehmen hatte ich dann keine genügenden Reserven. Das war ja, wenn Sie so wollen, der Übermut einer sehr erfolgreichen Reise in 2017/2018. Und man muss unbedingt aufpassen, dass, wenn man dann so einen Erfolg nach dem anderen hat, dass man sich und das System nicht überschätzt. Und vielleicht habe ich das in dieser Phase dann getan, und dadurch hat mich dann die Pandemie auch komplett umgerissen. Hätten Sie vielleicht auch früher, ich meine, Sie haben ja mit Autokonzernen auch zusammengearbeitet, aber ich sage mal ganz konkret, noch kooperieren müssen, beispielsweise mit Volkswagen oder dann später Stellantis oder so, also dass Sie ja noch konkreter früher in eine echte Partnerschaft gehen oder vielleicht sogar für die ein Modell entwickeln, ID1 oder so, war ja auch mal so eine Idee? Also wir haben mit Mercedes, ich habe mit Ola Kellenius verhandelt, weil ich eben den Nachfolgersmarkt gerne auf Basis unseres Konzeptes bauen wollte. Wir haben mit Stellantis viel verhandelt, weil wir von denen Komponenten für unser Auto verwenden durften in so einem Gestattungsvertrag. Und wir hatten eine Kooperation, eine fertig unterzeichnete und schon gelebte Kooperation mit VW. Wir haben damals unter der Ägide von Herbert Diess emotionale Fahrzeuge, VW wollte zum Attraktivermachen von E-Fahrzeugen ein, zwei, drei emotionale Nischenfahrzeuge auf den Markt bringen, die in der Seelenstruktur von Volkswagen aber nicht wirtschaftlich produzierbar waren. Und so hat VW einen Buggy designt. Den haben wir gemeinsam, Herbert Diess und ich, auf dem Genfer Autosalon vorstellen dürfen. Und im Folgejahr haben wir in einem Auftrag von VW dieses Fahrzeug auskonstruiert mit unseren neuen Architekturelementen Kleinfahrzeug. Und dann sollte das auf dem nächsten Genfer Autosalon gemeinsam wieder auf dem VW-Stand präsentiert werden. Und dann ist der Genfer Autosalon zwei Wochen vorher wegen Pandemie abgesagt worden. Und VW und alle anderen haben alle diese Nischenaktivitäten vor lauter existenzieller Krise abgesagt. Und so auch unser Projekt. Also wir waren eigentlich in einer sehr weitgehenden Kooperation und hatten, glaube ich, das Schwierigste auch schon geschafft. Nämlich, wenn Sie als kleiner Fisch, als junges Unternehmen eine TE, das ist die technische Entwicklung, das ist die Entwicklungsabteilung von VW, wenn Sie diese Crew, und die wissen alles, also gelinde gesagt, die wissen alles besser, wenn Sie die für sich gewinnen können, dass Sie als JuCo, als neue Gesellschaft, ein vernünftiges Auto bauen können, dann haben Sie eigentlich den, wie sagt man so, den Proof of the Pudding geschafft. Insofern, so weit waren wir. Aber da hat die Pandemie uns eben auch einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wenn man jetzt mal so ein bisschen rauszoomt, fünf Jahre später, dann guckt man irgendwie und ist vielleicht auch mal selber im Urlaub unterwegs in Skandinavien oder in den Niederlanden. Und dann stellt man so fest, komisch, da gibt es extrem viele Elektroautos. Aber in Deutschland haben sie es wahnsinnig schwer. Können Sie sich das erklären? Ja, es funktioniert nur da, wo es staatlich stark subventioniert ist. Also ganz einfach. Nur da, wo der Staat massiv, und das sind ja konsumtive Ausgaben. Und da sind wir in einem wirtschaftsliberalen System zu Recht vorsichtig unterwegs. Nur da, wo der Staat das massiv subventioniert, funktioniert das. Der originäre Marktbedarf im Verständnis der Kunden liegt ungefähr bei 25 Prozent. Alles andere ist noch mit Vorsicht oder mit Nachteilen behaftet. Nicht immer sind es nachhaltige Nachteile. Also das, was aus meiner Sicht nach wie vor durch die Decke gehen würde, wäre ein sozusagen günstiges Kleinfahrzeug wie der Ego Life. Die Förderkulisse, europäisch und auch in Deutschland, hat aber genau diese Fahrzeuge quasi überflüssig gemacht. Nicht nur durch diese Maßnahmen Umweltprämie, die ich eben erläutert habe, sondern insbesondere dadurch, dass die CO2-Flottenemissionen das Maß der Dinge war. Das heißt, jeder Hersteller brauchte in seinem Portfolio einen mit großen Stückzahlen möglichst zu produzierenden Kleinwagen, der kleine Emissionen hatte, um seine Durchschnitts-CO2-Emissionen niedrig zu bekommen. In dem Moment, wo dann ein Mindestkontingent von E-Fahrzeugen geplant war, also auch größeren E-Fahrzeugen, meistens SUVs, brauchte man die Kleinwagen nicht mehr. So hat dann Ford den Fiesta eingestellt und alle haben eigentlich die Kleinwagen, erst recht die elektrischen Kleinwagen, eingestellt. Also die Förderkulisse ist einfach nicht zu Ende überlegt worden und hat das Gegenteil bewirkt von dem, was die Politik eigentlich wollte. Das ist schon interessant, weil eigentlich war doch die Idee genau, dass man sagt, ihr habt eine Flotte, dann müsst ihr auch x Autos bauen, die mit deutlich weniger auskommen. Aber haut dann offenbar nicht hin. Ja gut, aber in dem Moment, wo ich dann ein großes Elektrofahrzeug, einen mittleren oder großen elektrischen SUV baue, der in der CO2-Bilanz mit 0 bewertet wird, dann habe ich meine Kompensation, die bis dato meine Kleinwagen in meine Flottenemissionswerte gebracht haben. Und ja, es ist schon erstaunlich, dass man zwar dann oberflächlich das Richtige will, dass die Politik, und dann die dahinterstehende Verwaltung nicht so tief einsteigt, dass sie das, was sie eigentlich will, auch tatsächlich zur Umsetzung bringt. Also ganz konkret in unserem Fall hätte man beispielsweise die Umweltprämie, den Eigenanteil, den es EU-rechtlich braucht, den hätte man vielleicht auf ein Zehntel oder ein Zwanzigstel reduzieren können. Dann hätten wir, was weiß ich, 500 Euro Eigenanteil gehabt, und die Förderkulisse wäre ansonsten erhalten geblieben, und unser Businessplan wäre nicht umgefallen. Aber dazu sah man sich als deutsche Administration in der EU hinter der damaligen Bundesregierung nicht in der Lage. Der Elektroauto-Pionier Günter Schuh im Brand1 Podcast. Und wir sind gleich wieder da. Herr Schuh, im Sommer konnte man lesen, dass Sie es mit dem Streetrunner Up Van jetzt nochmal versuchen wollen. Was ist denn die Idee dahinter? Man muss jetzt einfach sagen, die Chinesen haben mit einem Wirtschaftskonzept, was sie jetzt schon häufiger verwendet haben, zum Beispiel bei der Photovoltaik oder dann auch bei den Autobatterien, diese Maßnahme: Wir schaffen in China eine Produktionskapazität, die eigentlich fast den Weltmarktbedarf abdecken kann, von Gesamtfahrzeugen und Komponenten. Eine Überkapazität geschaffen, die ihresgleichen sucht. Deswegen ist da ein martialischer Verdrängungswettbewerb, fast Dumping-Wettbewerb in China gerade unterwegs. Davon versuchen wir jetzt zu profitieren, weil das führt im Moment dazu, dass chinesische Hersteller, auch Komponentenhersteller, zu unglaublichen Preisen, also zu Preisen, zu denen man die Komponenten oder das Fahrzeug nicht herstellen kann, diese auf den Markt bringen, weil sie durch die Förderkulisse in China nicht wirklich vollkostendeckend arbeiten müssen. Ein solches chinesisches, sehr cleveres Start-up hat uns ein Skateboard, so würde ich das mal nennen, ein Basisfahrzeug angeboten, was fast alle Verbesserungsvorschläge, die ich seinerzeit, als ich Street Scooter nochmal übernommen hatte, für den Street Scooter geplant habe, und das aber in einer hervorragenden Qualität und eben zu einem sensationellen Preis. Das Gute an diesem Fahrzeug ist, es folgt unserer Architektur, unserer Modularität, die nämlich darauf abzielt, dass wir Fahrzeuge nicht mehr, die bisher nach zwei Jahrzehnten plus minus ausrangieren und wegschmeißen müssen, sondern dass wir ein Fahrzeug, ein Basisfahrzeug haben, was 50 Jahre leben kann und an dem wir die Dinge, die der Kunde, die der Nutzer merkt, so, das sind nur etwa 15 Prozent des Materials oder des Werts, die wir alle fünf Jahre austauschen können in einer Reassembly, in einer sozusagen Fabrik in einer Serienproduktion, die wir hier an der RWTH Aachen entwickelt haben. Und das ist jetzt die Idee, die hätten wir auf der Basis des Street Scooters gerne gemacht. Da waren die Komponenten, die überwiegend aus Europa waren, zu teuer. Da gibt es jetzt sozusagen Dumpingkomponenten, die wir einfach schlicht nutzen wollen und damit jetzt mit einem sehr, sehr attraktiven Fahrzeug zu einem sehr attraktiven Preis auf den Markt gehen und zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Es ist das günstigste Angebot für einen elektrischen Transporter auf dem Markt, und es ist gleichzeitig das mit Abstand nachhaltigste, weil es nicht nur ein Elektrofahrzeug ist, sondern eines, mit dem wir ungefähr sechs bis neun Jahre Leben geben werden, indem wir immer wieder nur einige Komponenten sozusagen nicht nur austauschen, durch dasselbe ersetzen, sondern durch was Besseres, durch die nächste Generation ersetzen. Das nennen wir Upgrade Circular Economy. Und im Prinzip, das haben Sie schon so angedeutet oder nicht nur angedeutet, Sie setzen darauf, dass Sie von den Subventionen des chinesischen Staates sozusagen indirekt profitieren, indem Sie damit dieses Produkt bauen, was dann sechs bis mehrfach wiederverwertet werden kann. Genau. Also erstmal nehmen wir diese Subvention mit. Das ist dieselbe Freude, die wir alle haben, wenn wir heute chinesische Photovoltaik-Panels kaufen. Ich hoffe, dass da jeder Freude dran hat und uns daran freut, dass der Staat die subventioniert. Das mögen wir Deutschen besonders. Die Steigerung davon ist, wenn der chinesische Staat das subventioniert. Das ist in den Fällen so. Und davon profitieren wir auch. Damit kommen wir wieder in den Markt. Diese Dumpingpreise, sozusagen, die nicht Vollkosten abdecken würden, die werden nicht ewig halten. Das kann auch China nicht ewig aushalten, aber das wird ein paar Jahre halten. Und insofern kommen wir erstmal mit einem Fahrzeug, was wir kompletieren, was wir veredeln, wo wir die kundenspezifische Box drauf bauen und so weiter. Aber damit kommen wir in den Markt, bieten dem Markt etwas, was er so nicht sonst kriegen kann. Es ist sozusagen durch unser Konzept und unsere Veredelung ein deutsches Fahrzeug. Und alle Komponenten, die darin interessant und sensibel und innovationsfähig sind, die tauschen wir in einem Rhythmus von fünf oder zehn Jahren aus und ersetzen sie. Wer weiß, vielleicht auch nicht immer durch chinesische Komponenten, je nachdem, wie dann die Marktlage ist. Was macht Sie denn so sicher, dass Sie diesmal auf dem richtigen Weg und nicht vielleicht doch auf dem Irrweg sind? Gar nichts. Das macht mich nicht sicher. Wenn die Innovationspotenziale zum Nutzen, ganz pathetisch gesprochen, der Menschheit, der Gesellschaft im Sinn haben, die gegen den Strom, gegen den Strich gehen, dann sind sie nie sicher. Aber es gibt im Unternehmertum in solchen Fällen, wenn sie solche Absichten haben, es gibt nie eine ausreichende Sicherheit. Ich gehe halt jeweils ein hohes Risiko ein. Es ist mir auch in den vorigen Fällen klar gewesen, bei Street Scooter und bei Ego, dass das ein hohes Risiko ist. Wenn man das nicht probiert, findet man es nicht raus. Man muss halt damit leben können, emotional und finanziell, dass es dann scheitern kann. Aber ehrlicherweise muss ich schon sagen, man lernt extrem viel dabei. Und ich weiß über die Entwicklung solcher Nischenfahrzeuge, wie man es auch praktisch macht, glaube ich, mit meinem Kernteam, was übrig geblieben ist, heute mehr als die meisten anderen. Und insofern sage ich mal, diese Erfahrung schafft auch eine gewisse Stärke, und auf die vertraue ich jetzt. Klingt tatsächlich so, als ob Sie eine gewisse Form von Resilienz haben und wenig Angst. Also ich werde ja auch immer als mutig bezeichnet. Ich finde mich gar nicht so mutig, sondern ich bin halt von den Ideen überzeugt, und dann rechne ich mir zusammen, ob es klappen könnte. Aber es bleibt dabei, was Sie eben gefragt haben, es ist natürlich hoch riskant. Auch dieses Ding kann immer noch scheitern. Hier ist jetzt die Konstellation wesentlich besser, weil das, was an CapEx, an Kapital vorne reingesteckt werden muss in so ein Deep-Tech-Venture, das ist jetzt im Wesentlichen von anderen dort reingesteckt worden. Und die anderen wollen in den deutschen und europäischen Markt und brauchen eine, wenn Sie so wollen, Europäisierung von jemandem, der das bereit ist zu tun und der in der Lage ist, das zu tun. Und aus deren Sicht glaube ich, sind wir diejenigen, die das können und flexibel und auch, ich würde mal sagen, beweglich genug sind, das dann auch umsetzen zu können. Günter Schuh im Gespräch beim Brand1 Podcast. Ich sage vielen Dank für das Gespräch. Sehr gerne, Herr Bollert. Mehr Informationen findet ihr in der aktuellen Brand1 zum Thema Irrwege ab Seite 18. Schaut doch gern mal auch auf brand1.de/abo nach den Abomöglichkeiten, denn da gibt es beispielsweise auch ein Weihnachtsangebot, bei dem ihr ein Gratisheft für die Bescherung bekommt. Und wenn ihr uns beim Podcast Radio detektor.fm beschenken wollt, dann abonniert doch einfach mal unseren kostenlosen Newsletter, denn dann bekommt ihr einmal im Monat von mir einen Rundumblick über all unsere Podcasts, von Wirtschaft über Wissenschaft bis hin beispielsweise auch zum Fahrradpodcast Antritt, wenn wir heute so viel über Elektromobilität geredet haben. Mehr Informationen zu unserem Newsletter findet ihr auf detektor.fm/newsletter. Ansonsten sind wir natürlich wie gewohnt nächsten Freitag einfach mit einer neuen Podcast-Episode wieder hier am Start. Folgt doch diesem Podcast, wenn ihr das nicht eh schon macht, und wir können uns gern nächsten Freitag wiederhören. In diesem Sinne, gern bis dahin. Untertitel der Amara.org-Community.