Neuer Monat, neues Thema. Und was könnte es im Dezember Passenderes geben als das Schenken? Wir werden uns hier im Podcast deshalb in den kommenden Ausgaben intensiver mit dem neuen Schwerpunkt der Brand1-Kolleginnen und Brand1-Kollegen beschäftigen, und der heißt eben „Geschenkt“. Ich bin Christian Bollert und na klar, ich helfe gern beim Auspacken. Der Brand1-Podcast: Wirtschaft anders denken. Jede Woche bei detektor.fm. Geschenke sind ja eigentlich fast immer schön. Manchmal bringen sie aber auch viel Verantwortung und große Erwartungen mit sich. Man kann zum Beispiel etwas geschenkt bekommen und dann merken: Hui, ist ganz schön groß, vielleicht auch viel größer, als ich tragen kann. Beispielsweise auf dem Jahrmarkt oder so. Eine Immobilie, deren Kredit man nicht bezahlen kann, könnte auch sowas sein. Ein geerbtes Unternehmen, das man kaum führen kann oder vielleicht auch führen will. Oder auch ein Image, das so überwältigend ist, dass man sich extrem strecken muss, um ihm überhaupt gerecht zu werden. Letzteres könnte auch auf den FC St. Pauli zutreffen, denn sein Image ist ein Geschenk der Fans. Entstanden in den alternativen 80ern, aus der linken Szene heraus, mit politischem Anspruch und natürlich mit Totenkopfflagge. Bei CNN hieß es sogar mal: der coolste Fußballklub der Welt. Das Geschenk der Fans verpflichtet. Denn wer wie St. Pauli Haltung verkauft, sollte Haltung auch leben und beweisen, dass ein anderer Fußball wirklich möglich ist. Die Zahlen sprechen aktuell auf jeden Fall für sich. Letztes Jahr der Aufstieg in die Bundesliga, über 100 Millionen Euro Umsatz und mehr als 2 Millionen Euro Gewinn. Viele sprechen bei St. Pauli auch von einer Lifestyle-Marke. Sprechen wir doch mit Martin Druss drüber. Er hat über Jahrzehnte im Marketing gearbeitet, unter anderem als Executive Creative Director bei Tribal DDB oder als Geschäftsführer bei Think. Seit ziemlich genau zehn Jahren arbeitet er beim FC St. Pauli. Er ist vor allem auch für die Markenbildung dort verantwortlich. Und in dieser Rolle posiert er dann auch schon mal für die neueste Kollektion des Online-Fanshops. Ich sage Hallo und herzlich Willkommen im Brand1-Podcast, Martin Druss. Hey, grüß dich, hallo. Es ist ja schon spannend, dass St. Pauli von den eigenen Fans ein solch gewaltiges Image tatsächlich bekommen hat. Das geht ja weit über den Fußball hinaus. Wie würdest du denn dieses Phänomen St. Pauli beschreiben? Ja, also es ist tatsächlich so. Und lustigerweise benutze ich in diesem Kontext auch ganz oft das Wort Geschenk und dass es uns geschenkt wurde, so wie wir heute sind. Das Ganze hat seinen Ursprung bei den Hafenstraßenbesetzern damals Mitte der 80er, die im Prinzip um die Geschichte abzukürzen, ja irgendwie das Millerntor übernommen haben. Und die kamen aus der damals vorherrschenden Jugendsubkultur, dem Punk. Und da ist das sich die Umstände so zu machen, wie man sie gerne hätte, ja durchaus Teil dieses Systems. Und so ist das bei uns auch, dass wir in den letzten Jahren uns darauf besonnen haben, was diesen Verein so magisch macht, nämlich dass er von vielen gestaltet wird und nicht von einer Person oder von zwei oder so, sondern das ist eigentlich meine Aufgabe. Die ist eher, ein Umfeld zu schaffen, wo Leute Lust haben zu gestalten und das auch dürfen. Ich stelle mir aber gleichzeitig das auch ziemlich, ich sage mal, spannungsreich vor. Punk hast du angesprochen und dann gleichzeitig erste Bundesliga. Ja, naja, also nicht, dass es wirklich getrennt ist voneinander, aber es ist so, der Profifußball, der hat ein bisschen seine eigenen Regeln, die funktionieren bei uns auch so, wie sie funktionieren. Das heißt, die sind nicht entkoppelt, aber die arbeiten natürlich auf den maximal sportlichen Erfolg hin. Unsere Aufgabe hier ist ja, dafür Ressourcen, meistens ist es Geld, zur Verfügung zu stellen, damit die auch maximal erfolgreich sein können, weil Geld nun mal tatsächlich, wie Otto Rehhagel schon sagte, Tore schießt. Das hört sich jetzt erst mal wie ein Widerspruch an und für uns hier in der Organisation bedeutet das tatsächlich auch, das ist auch so ein Satz, ohne dass wir jetzt hier zu viel Philosophen bemühen wollen, aber dass wir das richtige Leben im Falschen führen, weil wir eigentlich Teil eines Wettbewerbs sind, den wir ablehnen, weil er vielfach einfach auch nicht nur unfair ist, sondern die ganzen Umstände auch mindestens bedenklich. Aber trotzdem hat man irgendwie eine Symbiose. Und es gibt bei uns in 2016 gab es mal ein Motiv für eine Dauerkarte. Auf dem ist der Totenkopf und das Vereinslogo zugleich drauf und beide sind mit einer feinen Risskante sozusagen voneinander getrennt, aber so als ein Logo montiert. Und diese Risskante ist da mit Absicht drin, weil es gibt permanente Spannungsverhältnisse bei uns. Aber anders als in dem hierarchisch autoritär geprägten Fußballgeschäft versuchen wir, diese Spannungsfelder sichtbar zu machen und auch zu moderieren. Denn wir sind auf der einen Seite natürlich ein Profifußballverein, auf der anderen Seite sind wir ein partizipativer, durch Fankultur geprägter Verein. Und da sind nicht immer die Interessen gleich. Wir sind Hamburgs, je nachdem welche Zählung man nimmt, größter Breitensportverein mit 26.000 Menschen, die beim FC St. Pauli Sport machen. Damit sind wir der größte Breitensportverein im Profifußball. Und die Amateurabteilung, die haben natürlich auch ihre Berechtigungen und ihre Ansprüche, die nicht immer unbedingt deckungsgleich sind mit denen, die der Profifußball hat. Das heißt, dass es immer wieder darum geht, diese Spannungsfelder zu moderieren. Das ist, glaube ich, auch ganz wichtig bei uns, dass wir das einfach probieren. Stichwort das richtige Leben im Falschen. Wenn man sich intensiver mit St. Pauli beschäftigt, dann stößt man auch immer wieder, übrigens auch in älteren Brand1-Texten, auf das Wort Lebensgefühl. Würdest du das unterschreiben? Ja, tatsächlich. Brand1 hat ja auch mal, glaube ich, sogar nicht nur von Lebensgefühl, sondern von Wertegemeinschaft gesprochen. Und das ist tatsächlich der treffendere Begriff. Denn das, was die allermeisten hier, die zum FC St. Pauli kommen, ist ein gewisses Wertegerüst, das sehr sichtbar ist durch den Totenkopf und die damit verbundene Ablehnung von jeder Form von Herabwürdigung, so würde ich es mal nennen, ohne hier jetzt alle auszuführen. Man kann es natürlich auch irgendwie Lebensgefühl nennen, aber ich finde, Lebensgefühl ist schwieriger zu beschreiben, als wenn man über Werte spricht. Und ja, es gibt so ein gewisses Lebensgefühl hier rund um den FC St. Pauli. Das fällt mir aber schwerer, es zu beschreiben, als wenn ich sage, wir haben hier uns eigentlich so Rahmenbedingungen gegeben, die kommen aus Werten, denn das ist hier viel klarer. Das heißt, auch du würdest ein anderes Wort, was auch immer wieder auftaucht, vielleicht sogar ablehnen? Lifestyle? Ja, also nee, ich lehne generell solche Begriffe nicht ab, weil sie ja auch irgendwie eine Wahrheit transportieren. Aber wir wollen natürlich nicht unter Lifestyle sozusagen einsortiert werden. Wobei Lifestyle und Lebensgefühl ist ein ähnliches. Ist das nicht sogar die Übersetzung? Ist nicht so weit dann entfernt wahrscheinlich. Aber ist es denn tatsächlich heute noch so, dass ihr zum Beispiel im Vergleich zu anderen Bundesliga-Klubs tatsächlich signifikant auf Einnahmen verzichtet, weil ihr sagt, das machen wir nicht und das wollen wir eigentlich nicht? Ja, genau. Das tun wir schon. Also wir zum Beispiel veräußern den Stadionnamen nicht, weil wir glauben, ein Stadion ist auch etwas Identitätsstiftendes. Und das hat die Mitgliederversammlung auch mal so beschlossen, dürfen wir also gar nicht. Da kannst du schon von ausgehen, dass wir auf drei bis fünf Millionen Euro verzichten, alleine durch dieses eine Recht, was wir nicht veräußern. Und darüber hinaus machen wir auch so andere Sachen nicht, die dann vielleicht nicht unbedingt so sichtbar sind. Aber wir präsentieren keine Ecken, nicht den dollsten Schuss und was es alles für Entertainment-Formate in anderen Stadien gibt. Martin Druss, Prokurist und verantwortlich für Marke, Kultur und Marketing beim FC St. Pauli, hier beim Podcast Radio detektor.fm. Und wir sprechen gleich noch intensiver über die Herausforderung, eine wertebasierte Marke zu führen und natürlich auch über das Leben in der ersten Bundesliga. Martin, ist es nicht gleichzeitig auch unglaublich schwer, diese Balance zu finden, die du auch schon so ein bisschen angesprochen hast, zwischen beispielsweise mehreren hundert Merchandise-Artikeln im Fanshop und dann eben dieser selber aufgesetzten und ja auch gelebten kritischen Haltung gegen Commerz und gegen Sellout? Ja, ist es definitiv. Deshalb ist in den letzten Jahren auch bei uns oder haben wir viel Aufmerksamkeit und Arbeit reingesteckt, erstmal so Widersprüche sichtbar zu machen und dann auch aufzulösen. Weil ich würde ja nie sagen, und weil es auch nicht wahr wäre, dass der FC St. Pauli zum Beispiel nicht kommerziell sei. Natürlich sind wir kommerziell und vielleicht sind wir sogar kommerzieller als andere, weil es ja irgendwie das Antikommerzielle ist, was wir auch kommerzialisieren. Oha, das ist ja fast schon… Meta, Meta. Aber und das ist der Unterschied: Wir können sagen, warum wir das machen. Und wir machen es nicht nur, um erfolgreich Profifußball zu spielen, sondern der Profifußball ist die Bühne für die Werte der Wertegemeinschaft des FC St. Pauli. Und wir zumindest sind der Meinung, es ist wichtig, dass diese Werte eine große sichtbare Bühne haben. Und um aber Profifußball zu spielen, brauchst du natürlich Geld. Alles andere ist ja naiv. Und insofern sind wir ein bisschen kommerziell oder kommerziell halt im Rahmen, aber der Werte, die die dann bilden. Oder eben konkretes Beispiel, dass wir auf bestimmte Einnahmen verzichten. Wir haben ja zum Beispiel auch keinen Sportwettenanbieter mehr, um halt nicht… Weil wir glauben, man muss nicht jeden Quatsch mitmachen, der einem im Doppelpass oder in der Bildzeitung erzählt wird. Was ist denn aus deiner Sicht das Anstrengendste an deiner Arbeit? Das Anstrengendste ist zu verlieren, sportlich. Ja, sportlich zu verlieren, ja, finde ich schon. Warum? Du musst dir das ja so vorstellen: Der ganze Spielbetrieb, alles hier dreht sich natürlich um Profifußball. Das ist wahnsinnig emotional. Wer häufig ins Stadion geht oder es mit einem Verein hält, der weiß, glaube ich, was ich meine. Und das kannst du ja natürlich nicht abstreifen. Ein Umfeld in einem emotionalen Geschäftsfeld, wenn ich das mal so nennen darf, ist natürlich auch emotional und reagiert auf die Auf und Abs vielleicht auch nicht immer ganz rational. Also das heißt, ein bisschen zugespitzt gesagt: Gewinnt du drei Mal hintereinander, kann man voll Kraft kaum gehen. Und verlierst du jetzt, wie wir ab und an mal, dann sind Dinge, dann wird das alles so ein bisschen wackelig. Und das ist es tatsächlich. Und was wahnsinnig anstrengend ist: Zum Glück haben wir diese Situation jetzt länger nicht gehabt, aber ich habe in den Jahren, in denen ich hier arbeite, mindestens viermal zu Weihnachten tief in den Abgrund der dritten Liga geguckt. Und der Abstieg von der zweiten in die dritte Liga ist wirklich eine Vollkatastrophe, weil das ganze Produkt bleibt im Prinzip gleich, aber du bekommst aus der Fernsehgeldvermarktung nur noch zehn Prozent von dem, wenn überhaupt, was du vorher bekommen hast. Und das ist also existenzgefährdend, auch persönlich existenzgefährdend, weil natürlich viele Verträge hier gar nicht für einen Drittliga-Fall zum Beispiel gelten oder wenn mit Abschlag, das ist ja auch ganz üblich. Und insofern bist du natürlich auch immer persönlich betroffen davon, was da passiert, ohne dass du sehr beeinflusst darauf hast, was die auf dem Platz machen. Das heißt, es gilt tatsächlich auch für die Geschäftsstelle, nicht nur für die Spieler. Ja, das sind individuelle Vereinbarungen. Also ich weiß nicht, ob das alle haben, aber ich zumindest habe auch so Komponenten drin. Du hast es auch schon angesprochen: die Wertegemeinschaft der Fans und diese aktive Fanszene bei St. Pauli, die hat auch wirklich eine andere Rolle als bei vielen anderen klassischen Bundesliga-Vereinen. Das muss man mal so sagen. Denken wir mal an Bayern München oder Borussia Dortmund, wo es dann einmal im Jahr so eine Hauptversammlung gibt. Gleichzeitig reden die Fans bei euch ja auch ziemlich selbstbewusst mit. Wie organisiert ihr das dann in deinem Bereich zum Beispiel? Also gibt es da jede Woche ein Treffen mit den Fans oder jeden Monat? Oder wie muss ich mir das vorstellen? Zunächst mal hast du ja die Sonderstellung der Fans bei uns irgendwie herausgehoben. Also ich bin mir sehr sicher, ohne es bei jedem Verein zu kennen, jede Fanszene in jedem Verein, die aktive Fanszene tut das Möglichste, um das Beste auch für den Verein irgendwie zu erreichen. Also vielleicht ist es bei uns so, dass es zugänglicher ist, also dass der Einfluss ein anderer ist, vielleicht sogar größer, weil die Nähe einfach größer ist. Aus unseren Gremien kommen halt sehr viele aus der aktiven Fanszene beziehungsweise sind nah an ihr dran. Und das ist vielleicht irgendwie ein Unterschied. Macht jetzt die anderen Fanszenen nicht schlechter, das wollte ich nur einmal kurz darstellen. Und ich kann das ja für meinen Bereich, da hast du ja auch nur noch gefragt, kann das sagen, dass wir wirklich versuchen, Dialog auf Augenhöhe zu führen. Und dass wir, wenn wir Themen haben, wo wir nicht sicher sind oder Dinge, die zum Beispiel vielleicht das Stadionerlebnis verändern, da gehen wir rechtzeitig auf die aktive Fanszene beziehungsweise auf das Fanprojekt zu und sagen: Guck mal, das und das haben wir vor, was haltet ihr denn davon? Und dann erteilen die uns auch keine Absolution. Aber es hat viel mit einem offenen, vertrauensvollen Austausch zu tun. Und zumindest in meiner Erfahrung ist es so, in den jetzt übrigens bald elf Jahren, die ich hier bin, gehen natürlich auch mal Sachen schief und alle machen irgendwie Fehler. Aber ich glaube, dass wir schon da ein vernünftiges Miteinander haben. Denn ganz grundsätzlich, das ist zumindest meine Überzeugung, wollen Fans vor allem, ja auch die Ultras, die wollen ja das Beste für den Verein. Und die haben ja eigentlich kein Interesse daran, dass es dann da irgendwie nicht mehr funktioniert. Trotzdem haben sie natürlich irgendwie hier das Recht zu sagen: Das würden wir jetzt anders machen, das finden wir blöd. Ihr habt jetzt gerade im Herbst auch eine Genossenschaft gegründet. Mehr als 20.000 Leute sind da bereits Mitglied und ihr wollt damit beweisen, dass auch eine andere Finanzierung des Fußballs möglich ist. Was ist denn der Kerngedanke dahinter? Also gegründet wurde sie tatsächlich schon 2024, trägt sie auch im Namen. Wir haben aber bis März 25 Geld eingesammelt und sie hat im Herbst jetzt tatsächlich die Mehrheit am Stadion übernommen. Und die Idee dahinter ist, was ich vorhin schon mal gesagt habe: Für Profifußball braucht man viel Geld. Und wenn man so wie wir der Überzeugung ist, ein mitgliedergeführter Verein ist das richtige Gefäß für Profifußball, weil der Fußball nun mal den Menschen gehört und wir keine Investoren wollen, also zumindest für unseren Verein. Für alle anderen ist ja 50 plus 1 Mindestregel. Wir wollen das nicht. Dann müssen wir uns ja die Frage beantworten: Wenn wir kompetitiv bleiben wollen, wo soll das Geld denn herkommen? Und die Idee ist, deshalb eine gemeinschaftliche Finanzierung wie über eine Genossenschaft hinzukriegen. Das heißt, ähnlich wie beim e.V. eine Kapitalgesellschaft, weil eine Genossenschaft ist eine Kapitalgesellschaft, die dem e.V. halt sehr nahe kommt, nämlich wo viele sich zusammenfinden, um das zu schaffen, was man alleine nicht schafft, nämlich in diesem Falle den Verein wettbewerbsfähig zu halten. Gebaut ist das Ganze so, dass 23.000 Menschen 850 Euro kostet, ein Anteil im Schnitt wurden 1,2 gekauft. Also knapp 30 Millionen Euro wurden eingenommen und diese 30 Millionen Euro sind an den e.V. geflossen. Dafür ist die Mehrheit des Stadions an die Genossenschaft gegangen. Und mit einem Schlag ist der Verein seine Schulden los, kann wieder investieren und hat wieder ein vernünftiges Eigenkapital, um auch bei Banken wieder, wie Wilken Engelbracht, mein Kollege beziehungsweise der Geschäftsleiter Wirtschaft, hat man so schön gesagt, kriegt auch wieder einen warmen Kaffee oder einen heißen Kaffee angeboten bei der Bank. Und das ist die Idee dahinter, also eine Kapitalgesellschaft, die diesen Mitbestimmungscharakter hat. Denn das ist ja auch entscheidend bei einer Genossenschaft: Auch wenn du für eine Million Euro Anteile kaufst, du hast trotzdem nur eine Stimme. Also es ist nicht so, dass dadurch irgendwie jemand auf einmal vorherrscht und sagen kann, wo es lang geht. Martin Druss im Brand1-Podcast. Und hier geht es gleich weiter. Martin, du hast es gerade sehr gut nochmal konkretisiert. Jetzt im Herbst gab es diese große Aufmerksamkeit, weil die Genossenschaft eben das Stadion übernommen hat. Hat sich seitdem irgendwie bei euch auch schon was verändert? Ne, also das ist jetzt ja auch erst kürzlich gewesen. Und dann ist es natürlich so, dass diese Genossenschaft sich speist auch aus vielen Menschen, die in den FC St. Pauli vielleicht vorher schon e.V.-Mitglied sind oder Dauerkarten haben oder so. Das heißt, es gibt eine große Deckungsgleichheit zwischen den Genossinnen und den Mitgliedern des Vereins beziehungsweise den Leuten drumherum. Und das ist auch ja eine der wesentlichen Dinge rund um so etwas wie der Genossenschaft beziehungsweise der Veräußerung von Anteilen in Kapitalgesellschaften. Das ist, dass die Governance natürlich vorher klar sein muss. Also dass die Genossenschaft jetzt nicht erlaubt, das ist klar geregelt, dass die Genossenschaft jetzt nicht beschließen kann, die Generalversammlung der Genossenschaft, das Stadion soll jetzt schwarz-weiß-blau angemalt werden oder so. Also das sind ja alles Dinge, die sind vorher geregelt. Jetzt ist ja für einen Verein wie St. Pauli die erste Bundesliga oft so ein bisschen auch Fluch und Segen zugleich. Ich nehme mal an, für deinen Bereich in Sachen Aufmerksamkeit dann doch eher Segen, oder? Ja, die Aufmerksamkeit ist natürlich deutlich größer, klar, keine Frage. Auch wie das Produkt für das Fernsehen produziert wird und so ist natürlich mit viel mehr Ressourcen verbunden. Das ist dann auch ein bisschen die Schattenseite, dass die Ansprüche dann an uns als Verein, was wir alles bereitstellen müssen und so weiter und so fort, das steigt da natürlich. Ich habe aber vorhin einmal versucht klarzumachen, dass wenn der Profifußball die Bühne ist, ist natürlich, sag ich mal, der Erstliga FC St. Pauli hat die größere Bühne als der in der zweiten Liga. Und so betrachte ich es zumindest. Je besser wir Fußball spielen und je höher wir Fußball spielen, je erfolgreicher wir Fußball spielen, desto besser für die Sichtbarkeit der Dinge, für die der FC St. Pauli steht. Also ich hätte jetzt auch nichts dagegen, Champions League zu spielen. Und ich halte es übrigens, auch, zumindest ist mir niemand bekannt, persönlich ein bisschen für so einen Mythos zu sagen: Na ja, eigentlich, wir wollen ja vielleicht gar nicht Erste Liga spielen oder so. Das kannst du ja auch ehrlicherweise einem Profifußballverein ja auch gar nicht verordnen. Du kannst ja nicht sagen: Wir sind ein Profifußballverein und dann sagst du: Eigentlich langt uns, wenn wir nur zwei D-Liga spielen. Das kriegst du ja auch keinem Spieler, Trainer, Sportdirektor, wem auch immer, vermittelt. Und auch, glaube ich, nur wenig Leuten, die hier auf der Geschäftsstelle arbeiten, weil die natürlich auch sich darüber freuen, am Wochenende gegen Bayern München oder Werder Bremen oder so zu spielen und nicht gegen irgendwie andere Vereine, die auch super sind und das Beste machen, aber die dann vielleicht nur 300 Fans mitbringen oder so. Jetzt gibt es ja mittlerweile in der Bundesliga tatsächlich doch auch einige alternative Ansätze. Freiburg oder Union sind dabei, sicher nur so die prominentesten Beispiele. Siehst du die Gefahr, dass euer Alleinstellungsmerkmal, was auch die Fans angeht und dieses Geschenk auch aus den 80ern, dass das irgendwann vielleicht mal ein bisschen verblassen könnte? Ja, da machen wir uns natürlich schon auch immer wieder Gedanken drüber. Also ich glaube grundsätzlich, ist die Geschichte, wie der FC St. Pauli zu dem, wie er geworden ist, nicht wiederholbar, weil sie viel mit Zufällen zu tun hat, auch mit Privatfernsehen in den 80ern und so weiter. Und natürlich gibt es auch, du hast es eben alternative Modelle genannt. Es ist immer sehr, sehr stark auch oftmals ein lokales Phänomen, die Art, das lebendig zu halten oder dass man das lebendig halten muss. Das wissen wir natürlich und versuchen wir auch. Wir machen relativ viel Arbeit, so in Richtung, dass wir Studien machen und viel über die Menschen meinen zu wissen, die den FC St. Pauli gut finden. Und wir haben zum Beispiel so ein Phänomen, dass wir sehr viele Menschen haben, die mit uns sympathisieren, die sich aber gar nicht für Profifußball interessieren. Und das ist natürlich ein Potenzial, was wir anders als die eben von dir genannten Vereine gut abzapfen können beziehungsweise uns Dinge überlegen können, um zu sagen: Was können wir denen denn anbieten? Weil aus unserem Kerngeschäft, dem Profifußball, haben wir 34 Kommunikationsanlässe mindestens pro Saison oder pro Jahr. Aber was ist mit denen, die uns als Haltungsmarke gut finden? Und insofern arbeiten wir natürlich kontinuierlich daran, uns Dinge auszudenken, die uns auch relevant halten. Was sind das für Dinge? Wir haben jetzt zum Beispiel kürzlich so eine Convention bei uns im Stadion gemacht, die hieß Stance. Die sendete aber unter dem Totenkopf ab und die hat sich bewegt an der Schnittstelle Fußball, Fußballkultur, Fashion. Im Fußball ist der sehr stark geworden. Das haben wir ja nicht mehr exklusiv. Also wenn der FC Venezia so ein tolles Trikot macht oder sogar der FC Augsburg, dann hat ja diese ganze Fußballtrikot-Fashion-Hype eine ganz andere Bubble erreicht. Und wir haben eine Convention gemacht, wo es um Fußballkultur ging, aber auch um Fashion im Fußball. Da gab es Musik-Acts, da gab es Masterclasses, wo wir eine ganz andere Klientel im Stadion hatten, nämlich kaum jemand, der sonst zu Fußball geht, sondern die sich eher mit solchen Themen auseinandersetzen. Da hatten wir einen super Gast hier mit Colen Dillon von Kids Super, der Founder im Prinzip von dem Laden. Und das ist zum Beispiel ein konkretes Beispiel, was wir machen. Jetzt bist du seit mehr als zehn Jahren, fast elf Jahren beim Verein. Hast du in der Zeit eigentlich irgendwas gelernt? Vermutlich vieles sogar, aber was dir so jetzt spontan einfällt und was auch hängen geblieben ist, was du vorher noch nicht wusstest und was dich auch vielleicht ein bisschen überrascht hat? Ja, mit wie viel man mit wie wenig machen kann. Also weil ich komme ja aus der Agenturwelt und zumindest damals, als ich sie verlassen habe, waren die Ressourcen ja doch immer sehr üppig noch, also die Budgets. Und beim FC St. Pauli muss man dann mit sehr viel kleineren Brötchen backen, aber dann trotzdem was Vernünftiges hinbekommen. Und was ich noch gelernt habe, ist tatsächlich, was ich vorher so nicht konnte, ist Neudeutsch nennt man das Stakeholder-Management. Und ich sage mal, so das Moderieren und das Miteinander organisieren in so einem Verein, auch nicht jetzt zwanghaft alle abholen zu wollen, sondern tatsächlich in so einem guten Miteinander zu sein. Denn man hat es in so einem Verein hier natürlich viel mit Menschen zu tun, die das ehrenamtlich machen, die aber so viel Zeit und Liebe und Aufmerksamkeit da reinstecken. Und das Mindeste, was diese Menschen erwarten können, ist, dass man sie im Loop hält, dass man ihre Meinung hört, dass man mit denen diskutiert. Und das ist natürlich extrem aufreibend, weil es oftmals viele sind. Aber ich glaube, in so einer komplexen Struktur Themen voranzubringen, ohne dass andere hinten überfallen. So, das ist, glaube ich, etwas, was ich hier jetzt gelernt habe. Also so ein Verein oder eine Genossenschaft tickt doch ein bisschen anders als ein Kunde beispielsweise in der Werbeagentur. Absolut, definitiv. Aber ab und an wünschte ich mir, ich hätte das damals schon gewusst, wie man so was macht. Sagt Martin Druss im Brand1-Podcast. Ich sage Dankeschön für das Gespräch und die Einblicke. Ich danke dir für die Einladung. Diese Episode ist, wie erwähnt, der Beginn unserer kleinen Serie zum Schwerpunkt „Geschenkt“. Den Link zum aktuellen Magazin packen wir euch in die Shownotes. Und dort findet ihr auch passend zum bevorstehenden Fest den Link zum Brand1-Weihnachts-Abo. Sechs oder zwölf Monate lang kluge Gedanken und Inspiration. Und wenn ihr noch tiefer in die Markenbildung des FC St. Pauli einsteigen wollt, dann empfehle ich euch den Artikel „Es geht auch ohne Erfolg“ unseres Brand1-Kollegen Frank Dahlmann. Auch diesen Link findet ihr na klar in den Shownotes. Übrigens haben die Brand1-Leute Martin Druss auf dem German Brand Award kennengelernt. Unter dem Motto „Brand Forward“ würdigt der German Brand Award Markenmacherinnen und Markenmacher, die den Wandel aktiv gestalten, die mutig den Takt bestimmen, ohne dabei zu vergessen, woher sie kommen. Seit 2016 ist dieser Marketingpreis zu einer internationalen Branchengröße gewachsen und er prämiert jedes Jahr neue Erfolgsgeschichten. Und wenn ihr wollt, könnt ihr auch selbst mitmachen. Ob mit einer Strategie, einer Kampagne oder gleich einer ganzen Marke, reicht euer Projekt unter germanbrandaward.com einfach ein. Und vielleicht seid ihr dann im nächsten Jahr bei der Jubiläumsgala in der Uber Eats Music Hall in Berlin mit dabei. Und Stichwort Schenken: Wenn ihr uns vom Podcast Radio detektor.fm beschenken wollt, weil ihr zum Beispiel diesen Podcast hier oder vielleicht auch unsere anderen Podcasts oder auch unsere beiden Livestreams, den Wort- und den Musikstream, mögt, dann abonniert doch gern unseren Newsletter. Ihr bekommt dann einmal im Monat von mir einen Überblick über all unsere Podcasts und ihr erfahrt als erstes auch beispielsweise von Verlosungen und besonderen Aktionen. Mehr Informationen findet ihr auf detektor.fm slash Newsletter und detektor.fm mit K. Der nächste detektor.fm-Newsletter kommt dann im Januar. Die nächste Podcast-Episode natürlich schon früher und zwar, Logo, am kommenden Freitag hier im Podcast-Feed. Kommt gut durch die Adventszeit und gern bis nächste Woche. Tschüss! Der Brand1-Podcast Wirtschaft anders denken. Jede Woche bei detektor.fm. Der Brand1-Podcast wird produziert vom Podcast Radio detektor.fm. Redaktion: Stefan Ziegert, Katja Stamm und Gerolf Meyer. In Zusammenarbeit mit Frank Dahlmann vom Brand1-Magazin. Moderation: Christian Bollert.