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Glass Animals haben sich für ihr neues Album von Lebensgeschichten inspirieren lassen. Foto: PR
Glass Animals haben sich für ihr neues Album von Lebensgeschichten inspirieren lassen. Foto: PR

Album der Woche: Glass Animals – How To Be A Human Being

Ein Song pro Lebensgeschichte

In zufälligen Begegnungen erfährt man manchmal spannende Lebensgeschichten. So zumindest ging es Dave Bayley von Glass Animals, als die Band mit ihrem Debüt-Album „Zaba“ auf Tour war. Und genau aus diesen Geschichten haben Glass Animals ihre neue Platte gestrickt: „How To Be A Human Being“.

Monatelang im Tourbus unterwegs sein und Backstage in irgendwelchen Clubs warten – das Band-Leben ist nicht immer nur Rock’n’Roll. Aber es hat auch was Gutes: Man trifft eine Menge neuer Leute. Glass Animals haben diesen Nebeneffekt und sein kreatives Potential für sich entdeckt, die Telefone rausgekramt und ihre Tour-Bekanntschaften beim Erzählen aufgenommen. Manchmal war es eine besonders faszinierende Stimme, manchmal die Art, wie der Mensch erzählt hat, manchmal die Geschichte selbst.

Imaginäre Charaktere und ihre Geschichten

Die Lebensweisheiten, die Glass Animals aus den Begegnungen mitnehmen konnten, haben sie in ihr neues Album verpackt. Quasi eine musikalische Bedienungsanleitung für das Menschsein: “How To Be A Human Being”. Im Studio hat Sänger Dave Bayley sich durch Stunden gesammelter Sprachschnipsel durchgehört und daraus neue Figuren und Geschichten zusammengesponnen.

Ich habe zwei Wochen lang im Studio gesessen und mir verschiedene Charaktere und ihre Geschichten ausgedacht. Ich hab mir vorgestellt, was sie wohl für Klamotten tragen, was sie essen, wie ihre Wohnung eingerichtet ist. Und dann war es eigentlich ganz leicht, die Texte und die Musik gleichzeitig zu schreiben.

Weil Dave schon so viele Details im Kopf hatte über seine Protagonisten, ging es mit dem Songschreiben vergleichsweise schnell, sagt er. 11 Songs, 11 Charaktere – jedem davon haben Glass Animals einen eigenen Mini-Soundtrack zu ihrem imaginären Leben verpasst. „How to be a human being“ ist trotz des Konzepts dahinter nicht unbedingt ein Konzeptalbum geworden. Allerdings haben Glass Animals sich eine Menge Gedanken gemacht, wie sie die Songs zusammenstellen und ordnen, damit ein „großes Ganzes“ erkennbar wird, meint Schlagzeuger Joe Seaward.

Wir haben uns relativ früh Gedanken über die Reihenfolge der Songs gemacht. Das hat uns eine gewisse Struktur vorgegeben. Für mich war es so leichter, mir darüber klar zu werden, welche Rolle die einzelnen Songs haben und wie sich alles zusammenfügt.

Eine Soundwelt für jede Figur

Auch wenn das inhaltliche Konzept von Anfang an ziemlich klar war, hat es einige Testläufe gebraucht, das Ganze klanglich umzusetzen. Jede Song-Figur lebt in einer relativ aufwändigen Soundwelt, die Glass Animals um den Kern-Song herum konstruiert haben. Frontmann Dave ist, wie er selbst zugibt, ein relativ besessener Tüftler, wenn es um den perfekten Sound geht. Auch wenn er bisher oft genug daran scheitert, exakt das zu erreichen, was ihm eigentlich vorschwebt.

Ich wollte mir nicht einfach verschiedene Sounds zusammensuchen – ich hab stattdessen versucht, das, was mir klanglich so in den Kopf kam, mit Synthesizern oder Gitarre umzusetzen. Manchmal habe ich zwei Tage daran gesessen, einen ganz bestimmten Sound mit dem Synthesizer zu erzeugen und es hat einfach nicht hingehauen. Aber wenn es dann mal passiert, ist es magisch.

„Hey- das bin ja ich!“

Offenbar gab es im Studio auch diesmal oft genug diesen magischen Moment, wo alles passt und gut genug ist für die Platte. Glass Animals haben aber auch gelernt, das Imperfekte zu akzeptieren als Teil ihres eigenen Entwicklungsprozesses. Das Album sei eine Zustandsbeschreibung, auch was ihre eigenen Fähigkeiten als Songschreiber und Musiker angeht. Es hält den Punkt fest, an dem Glass Animals aktuell stehen. Nicht zuletzt deshalb steckt in jedem Song auch immer etwas Autobiografisches drin, sagt Sänger Dave, ein bisschen was von ihm selbst. Trotzdem will er nicht ausschließen, dass sich eventuell auch die Menschen in den Songs wiedererkennen, die das Inspirationsfünkchen dafür geliefert haben.

Vielleicht erkennen sich einige Leute ja wieder, das ist schon auch ein bisschen das Ziel dabei. Aber ich glaube nicht, dass irgendjemand einen Song hört und denkt, „Hey, das bin ich.“ Aber es könnte natürlich passieren. Es gab sogar schon ein paar Menschen, die zu uns kamen und meinten, „Dieser Song ist doch über mich“ – obwohl wir definitiv nicht über sie geschrieben haben.

Ein Blick unter die Oberfläche

Mit ihrem zweiten Album geben Glass Animals dem Stichwort „Wiedererkennungswert“ also eine ganz neue Bedeutung. Überhaupt hat die Band ganz offensichtlich Spaß daran, wenn Dinge mehr als eine Erfahrungsebene mitbringen. Glass Animals gehen immer das entscheidende Stückchen weiter, als man erwartet – es gibt immer auch den Blick unter die Oberfläche. Und ein bisschen eigene Lebensweisheit ist definitiv schon dabei, wenn Dave Bayley laut darüber nachdenkt, was er durch die Arbeit am neuen Album über die menschliche Natur gelernt hat.

Viele Leute verstecken etwas Dunkles tief in ihnen, indem sie dir eine Geschichte auf witzige Art erzählen, mit einem Lächeln im Gesicht. Aber das ist nur die Oberfläche. Es gibt etwas, das all diese Geschichten verbindet und vermutlich auch alle Menschen letztlich verbindet. Genau das wollten wir mit dieser Platte ausloten.

„How To Be a Human Being“ ist eine Platte, die man mehrmals hören sollte. Es gibt garantiert immer noch etwas Neues in den Songs zu entdecken, tausend kuriose kleine Details. Das Beste daran: man kann zu allen Charakteren eine eigene Geschichte weiterspinnen. Glass Animals liefern nur den Anstoß, demnächst selbst mit offeneren Augen – und Ohren – durch die Welt zu laufen.

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