Schnell abhaken – soweit die Grundstimmung im Rückblick auf das Jahr 2016. Den Soundtrack zu all dem, was da schief gelaufen ist, sollte man allerdings nicht zu schnell unter den Teppich kehren. Nach Teil 1 unseres Jahresrückblicks widmen wir uns heute ausgewählten Highlights der zweiten Jahreshälfte.
Nicht vergessen: Hier könnt ihr noch bis Ende Dezember für die detektor.fm-Jahrescharts abstimmen.
Der 30-jährige New Yorker Dev Hynes alias Blood Orange kombiniert auf „Freetown Sound“ eine schier unübersichtliche Fülle von Einflüssen: 80er Pop, R&B, Funk, Soul, Hip-Hop, Spoken Word, Field Recordings. Das ist musikalisch so zuckrig wie ein türkisches Baklava. Die Themen sind es weniger: Exil, Christentum, sexuelle Orientierung, Rassismus, Unterdrückung.
Das Roosevelt-Rezept „nerdige Retro-Synthies mit knackige Basslinien“ geht auch in Albumlänge auf. Mit seiner Mischung aus Chillwave, Italo-Disco und 80er Pop macht Marius Lauber aus jedem Song einen Hit. Das Album wagt noch etwas mehr Pop als die alten Singles. Zitat Lauber: „Ich hatte einfach Lust, die eine oder andere cheesige Pop-Hook zu machen.“ Dass er damit aufs richtige Pferd gesetzt hat, beweisen ausverkaufte Konzerte im In- und Ausland.
Mit dem Song „Europe Is Lost“ hat die Engänderin Kate Tempest schon ein halbes Jahr vor dem Brexit die Kapitulation ihrer Landsleute vor dem europäischen Gedanken vorweggenommen. Auf ihrem Album „Let Them Eat Chaos“ ist das nur eines der düsteren Bilder, die sie dort zeichnet. Das Konzept: Sieben Londonern aus verschiedensten Schichten eine Stimme geben. Die Botschaft: „Sieh hin! Befass dich mit den deinen Nachbarn.“ So ziemlich das wichtigste, was man aus 2016 mitnehmen kann.
Die dunkelste und untröstlichste Platte 2016 kommt von Nick Cave & The Bad Seeds. Deren 16. Album „Skeleton Tree“ entsteht unter dem Eindruck eines schweren Schicksalsschlags: der Unfalltod von Nick Caves 15-jährigem Sohn Arthur im Sommer 2015. Auf dem Album findet Cave Worte für etwas, dem man mit Worten kaum gerecht werden kann. Das ist furchtbar privat und erschütternd, aber gleichzeitig anmutig und schön.
Bon Iver verlässt die ausgelatschten Indiefolk-Pfade und erschafft mit „22, A Million“ eine Art entmenschlichten Elektronik-Baukasten. Eine musikalische Weiterentwicklung, die nicht angestrengt wirkt – und nicht anstrengt. All jenen Kulturpessimisten, die behaupten, es würde nichts neues mehr entstehen und alle würden sich nur noch gegenseitig kopieren, sei dieses Album wärmstens empfohlen.
Jahrescharts
Von euch wollen wir wissen: Was war eurer Soundtrack zum Jahr 2016? Was waren eure Alben des Jahres? Stimmt ab und kürt die Top10 in den detektor.fm-Jahrescharts!