Vor noch nicht allzu langer Zeit waren es fast ausschließlich Typen mit fettigen Haaren und Flanellhemden, die Bands wie Grateful Dead, Yes oder Phish hören. Die untereinander Live-Mitschnitte austauschen, Fachzeitschriften wälzen und sich gegenseitig wichtige Daten der Bandgeschichte vorbeten. Kurzum: richtige Musiknerds. Das ändert sicher aber gerade.
Nicht mehr nur für Nerds
Die Musik, die sonst nur Liebhabern vorbehalten war, ist plötzlich hip. Ähnlich wie vor über 10 Jahren mit den The-Bands. Da waren es plötzlich nicht mehr nur die Väter, die Rock’n’Roll hörten, sondern auch die Jugendlichen, die daraufhin Bands gegründet haben. So ist es auch heute wieder. Bands wie Can oder Neu! sind Gegenstand neuer Inspiration. So auch für James Bagshaw, dem Sänger und Gitarristen der jungen Band Temples aus den Midlands in England:
James Edward Bagshaw: Man merkt irgendwann, dass es einen riesigen Berg toller Musik aus der Vergangenheit gibt. Wenn man sich diese Psychedelic-Ära genauer anschaut, entdeckt man einen Haufen One-Hit-Wonder, die oft nicht mal wirkliche Hits wurden. Man kann soviel lernen, wenn man zurückschaust. So wie ein altes Buch, das vor hundert Jahren geschrieben wurde, etwas ganz Spezielles in einem auslösen kann. Je vielfältiger die Palette der Einflüsse ist, desto weniger läuft man Gefahr, genau wie einer dieser Einflüsse zu klingen. Wenn Leute zum Beispiel ausschließlich The Smiths hören, werden sie auch irgendwann genauso klingen.
Psychedelic Rock erobert die Welt
Die australische Band Tame Impala ist wohl der berühmteste Vorreiter der Psych-Rock-Welle. In deren Fahrwasser spielen aber auch Bands wie Warpaint, Toy oder Jagwar Ma eine Rolle. Auch die haben ihren Sound dahingehend angepasst. Ganze Festivals beschäftigen sich mit dem Thema. So gibt es neuerdings nicht nur in Austin, Texas ein Psych-Fest, sondern auch in Berlin. Auf solchen Festivals spielen dann Bands wie Dead Meadow, Kadavar oder Moon Duo und eben neuerdings auch Temples.
Doch Temples klingen nicht nur nach Kraut- bzw. Psychedelic-Rock aus Deutschland und Amerika. Es ist auch der Sound ihres Heimatlandes, der Mods und Swinging Sixties, bei dem sich Temples Inspiration gesucht haben:
James Edward Bagshaw: Die Beatles und die Kinks muss man natürlich auch in diesem Zusammenhang erwähnen. Gerade die Kinks verstanden es sehr gut, diese merkwürdigen, charmanten Lieder zu schreiben, die wohl so nur in England entstehen konnten. Aber genau kann ich auch nicht wirklich sagen, was diesen speziellen britischen Stil so unverwechselbar macht. Der Akzent spielt sicher auch noch eine Rolle.
Thomas Edison Warmsley: Auf der einen Seite ist diese Musik sehr verspielt und wunderlich, aber zugleich schwingt im Hintergrund immer so ein düsteres und unbehagliches Gefühl mit. Da sind wir dann wieder bei dieser Mischung aus etwas Vertrautem und etwas Seltsamen, die wir selbst auch in all unseren Songs zu erzeugen versuchen und die immer in unseren Hinterköpfen herumspukt, wenn wir Stücke schreiben.
Pop meets Experimental
Temples sind eine der vielversprechendsten Newcomer für 2014. Sie haben mit Sun Structures ein Werk geschaffen, das an die großen britischen Hits von früher erinnert. Eingängie Popmeldodien verpackt im Sound vergangener Zeit.
Thomas Edison Warmsley: Eines unserer Ziele als Band ist es, diese beiden Welten zu vereinen. Auf der einen Seite steht der altbekannte, vertraute Popsong und auf der anderen diese seltsam experimentelle Musik mit ihrem repetitiven, ambienthaften Charakter. Die Leidenschaft hinter Temples entsteht durch die Kombination dieser beiden Ansätze.